OGH 4Ob2374/96p

OGH4Ob2374/96p17.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Gamerith als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** 2. Dr.K***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Land Oberösterreich, Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, Landesanstaltendirektion, Linz, Klosterstraße 7, 2. Mag.pharm. Hans-Peter K*****, beide vertreten durch Prof.Dr.Alfred Haslinger und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 500.000,--), infolge außerordentlicher Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 23.Oktober 1996, GZ 1 R 221/96t-30, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der Beklagten wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung im Provisorialverfahren (4 Ob 2008/96i = ÖBl 1996, 237 - Anstaltsapotheke II) bewirkt, daß insoweit eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht. Soweit daher Fragen im Provisorialverfahren entschieden wurden, liegt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor. Das gilt für die Ausführungen, mit denen die Beklagten darzulegen versuchen, daß das Unterlassungsgebot mit dem Bescheid vom 31.3.1994 unvereinbar sei, daß die Infusionslösungen nicht in Verkehr gebracht würden und daß die Infusionslösungen für den Eigengebrauch hergestellt würden. Mit all diesen Fragen hat sich der erkennende Senat bereits im Provisorialverfahren auseinandergesetzt.

Hinzugefügt sei, daß aus § 2 Abs 15 AMG nicht die von den Beklagten gewünschten Schlüsse gezogen werden können. Auch wenn "Verbraucher" physische oder juristische Personen sind, die Arzneimittel für den Eigengebrauch erwerben, folgt daraus nicht, daß eine Anstaltsapotheke, die Arzneimittel herstellt und an andere Anstaltsapotheken desselben Rechtsträgers liefert, damit für den Eigengebrauch produziert. Unter "Eigengebrauch" iS des § 2 Abs 15 AMG kann nur die unentgeltliche Abgabe an (zB) Mitarbeiter verstanden werden; die - wenn auch durch ein Pauschalentgelt für mehrere Leistungen abgegoltene - entgeltliche Abgabe ist kein Eigengebrauch. Dafür spricht § 2 Abs 1 AMG, wonach "Anwender" Ärzte ... und Rechtsträger der Krankenanstalten ohne eigene Anstaltsapothekeund sonstiger Sanitätseinrichtungen sind, soweit diese Arzneimittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Ebensowenig wie Krankenanstalten ohne eigene Anstaltsapotheke Arzneimittel für den "Eigengebrauch" beziehen und daher "Anwender" sind, trifft dies für Krankenanstalten mit Anstaltsapotheke zu. Auch sie beziehen Arzneimittel nicht für den "Eigengebrauch", sondern für den Gebrauch ihrer Patienten.

Wie schon im Provisorialverfahren ausgeführt, zeigt die Entstehungsgeschichte des § 36 ApG, daß den Anstaltsapotheken nur jene Befugnisse eingeräumt werden sollten, die unter Bedachtnahme auf die Interessen der öffentlichen Apotheken für die Krankenanstalten notwendig erschienen. Daraus folgt aber nicht, daß nur Apotheken oder der Österreichische Apothekerverband einen Verstoß gegen das Apothekengesetz gerichtlich geltend machen können. Ein Gesetzesverstoß ist sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn er subjektiv vorwerfbar und geeignet ist, dem gesetzwidrig Handelnden einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen (stRsp ua ÖBl 1994, 15 - Kontaktlinsen; ÖBl 1994, 17 - Contact). § 1 UWG ist anzuwenden, wenn im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt wird.

Diese Voraussetzungen sind - wie bereits zu 4 Ob 2008/96i ausgeführt - im vorliegenden Fall gegeben. Als Mitbewerberinnen sind die Klägerinnen berechtigt, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen, auch wenn § 36 Abs 3 ApG nicht in erster Linie ihre Interessen schützt. Der Unterlassungsanspruch stützt sich aber auch darauf, daß die Beklagten Arzneispezialitäten in Verkehr bringen, die nicht nach § 11 AMG zugelassen sind. Insoweit behaupten nicht einmal die Beklagten, daß die klagenden Pharmaunternehmen nicht berechtigt wären, einen Verstoß gegen die Zulassungsvorschriften geltend zu machen.

Schon allein wegen dieses Verstoßes ist das Klagebegehren berechtigt. Daß die Beklagten auch gegen § 36 Abs 3 ApG verstoßen, ist für die Entscheidung nicht mehr maßgebend. Selbst wenn die Argumente der Beklagten im Hauptverfahren die Bestimmung verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen ließen, könnte dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Im vorliegenden Fall kann es allerdings immer nur um die Verfassungsmäßigkeit des § 36 Abs 3 ApG gehen, weil nur diese Bestimmung anzuwenden ist. Ob Abs 1 und 2 des § 36 ApG verfassungswidrig sind, kann dahingestellt bleiben.

§ 36 Abs 3 ApG hat seine derzeitige Fassung durch die Apothekengesetz-Novelle 1973 (BGBl 1973/370) erhalten. Es ist daher nicht auf die Änderung der Verhältnisse seit der Erlassung des Apothekengesetzes im Jahre 1906, sondern auf den seit 1973 verstrichenen Zeitraum abzustellen. Daß sich die Umstände in dieser Zeit derart geändert hätten, daß das Verhältnis zwischen öffentlichen Apotheken und Anstaltsapotheken anders zu beurteilen wäre, ist nicht zu erkennen. Fraglich erscheint aber, ob das mit § 36 Abs 3 ApG verfolgte öffentliche Interesse, das klaglose Funktionieren der Heilmittelversorgung sicherzustellen und zu diesem Zweck die Existenz der öffentlichen Apotheken zu sichern, dadurch gewahrt werden kann, daß Anstaltsapotheken nicht erlaubt wird, anderen Anstaltsapotheken Arzneimittel zu liefern. Nur die Rechtsträger öffentlicher Krankenanstalten ohne Anstaltsapotheke sind verpflichtet, Arzneimittel aus inländischen Apotheken (öffentliche und Anstaltsapotheken) zu beziehen (§ 23 Abs 3 OÖKAG). Anstaltsapotheken können die Arzneimittel vom Pharmagroßhandel oder von der Pharmaindustrie beziehen; werden sie von anderen Anstaltsapotheken beliefert, so mindert dies nicht den Umsatz der öffentlichen Apotheken. Die Heilmittelversorgung wird allerdings nicht nur durch die öffentlichen Apotheken, sondern auch durch den Pharmagroßhandel und die Pharmaindustrie sichergestellt.

Selbst wenn aber § 36 Abs 3 ApG verfassungsrechtlich bedenklich wäre, führte dies zu keiner für die Beklagten günstigeren Entscheidung. Auch wenn diese Bestimmung wegfiele, wäre es den Beklagten nicht gestattet, Arzneispezialitäten in den Verkehr zu bringen, die nicht nach § 11 AMG zugelassen sind. Die Beklagten verweisen immer wieder darauf, daß der Rechtsträger der öffentlichen Krankenanstalten und Anstaltsapotheken verpflichtet ist, sparsam zu wirtschaften. Sie übersehen aber, daß auch diese Verpflichtung es nicht zu rechtfertigen vermag, Anstaltsapotheken Arzneispezialitäten in den Verkehr bringen zu lassen, die nicht zugelassen sind.

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