OGH 1Ob2392/96p

OGH1Ob2392/96p16.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adalbert W*****, vertreten durch Dr.Klaus und Dr.Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Rudolf W*****, vertreten durch Dr.Rudolf Christian Stichl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 9.August 1996, GZ 39 R 428/96-23, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Es besteht eine ausreichende und einhellige Judikatur, daß obligatorische Wohnungsrecht ganz allgemein und damit natürlich auch im familiären Bereich wie jedes andere Dauerschuldverhältnis aus wichtigen Gründen aufgelöst werden können (JBl 1996, 106; 6 Ob 1530/95; MietSlg 46.149 uva), insbesondere wenn einem Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist (6 Ob 1530/95; NZ 1994, 20; SZ 66/81; JBl 1992, 187 uva). Die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund ist aber das „äußerste Notventil“ (JBl 1996, 106). Es ist ein strenger Maßstab anzulegen, ob ein wichtiger Grund für die Auflösung vorliegt (6 Ob 1530/95), die Gründe müssen entsprechend gewichtig sein (MietSlg 46.149; NZ 1994, 20; JBl 1992, 187). Gewiß ist das gedeihliche Zusammenleben der Vertragspartner gestört. Es mag auch sein, daß der Kläger nicht allein oder überwiegend für das Auftreten der Mißhelligkeiten verantwortlich ist (vgl 4 Ob 501/88) und deshalb grundsätzlich die Auflösung begehren könnte (JBl 1996, 106; NZ 1994, 20; 4 Ob 501/88 uva). Die Vorinstanzen haben eine Abwägung des Bestandinteresses des Beklagten und des Auflösungsinteresses des Klägers vorgenommen und dem Interesse des Klägers keine größere Beachtlichkeit zugemessen (vgl NZ 1994, 20; SZ 61/281). Tatsächlich ist dem Beklagten ein erhebliches Interesse am Weiterbestand seines Wohnungsrecht zuzuerkennen (vgl NZ 1994, 20). Auflösungsgründe, die ihn als „nicht des Wohnungsrechts würdig“ erscheinen ließen (vgl MietSlg 31.222), liegen nach der Beurteilung der Vorinstanzen nicht vor. Unter Würdigung des gesamten Verhaltens der Parteien zueinander (vgl SZ 61/281) ist die Einzelfallbeurteilung (4 Ob 501/88; SZ 60/218) keine „auffallende Fehlbeurteilung“ und liegt daher keine Verkennung der Rechtslage vor. Die Aufrechterhaltung des Vertrags mag für den Kläger lästig sein, seine Fortsetzung ist ihm aber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vertragstreue und in Anbetracht des Sachverhalts zumutbar (SZ 60/218; MietSlg 37.181).

Auf eine Änderung der typischen Geschäftsgrundlage kann sich eine Partei dann nicht berufen, wenn es sich um eine solche handelt, mit deren Eintritt gerechnet werden mußte (8 Ob 585/88). Zum Zeitpunkt der Einräumung des Wohnungsrechts waren der Beklagte und die Tochter des Klägers noch gar nicht verehelicht, die Tatsache des Zusammenlebens wurde nicht zur Bedingung gemacht und ist auch keine typische Vertragsvoraussetzung (1 Ob 1538/94 mwN), sodaß vom Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht gesprochen werden kann.

Auf die Einvernahme des Klägers als Partei wurde verzichtet (AS 89). Die wichtigen Gründe für eine vorzeitige Auflösung hat der die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses Erklärende (= Kläger) zu beweisen (6 Ob 1530/95).

Es ist nicht aktenwidrig, daß der Beklagte wesentliche Gegenleistungen erbracht hat (siehe die Zitate in S 7 des Berufungsurteils). Das Vorliegen der Unentgeltlichkeit wäre aber auch bedeutungslos, weil das Klagebegehren nicht auf Widerruf einer allfälligen Schenkung wegen groben Undanks gestützt wurde (vgl SZ 61/281).

Nach den Feststellungen benützt der Beklagte die Wohnung, wenngleich er frühmorgens weggeht und erst spätabends wieder kommt (S 5 des Ersturteils). Ohne entsprechende Benützung könnte im übrigen die vom Kläger behauptete Störung des Zusammenlebens gar nicht vorliegen.

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