OGH 2Ob2396/96h

OGH2Ob2396/96h12.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene S*****, vertreten durch Dr.Rudolf Zach, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) ***** Versicherungs AG, ***** und 2.) Valentin P*****, beide vertreten durch Dr.Eva Krassnigg, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 106.962,-- sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Juli 1996, GZ 14 R 93/96s-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19.Februar 1996, GZ 27 Cg 113/95a-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig den beklagten Parteien, die mit S 8.365,50 (darin enthalten S 1.394,25 Umsatzsteuer, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am Morgen des 19.11.1994 wurde von einem unbekannten Lenker des vom Zweitbeklagten gehaltenen und bei der erstbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW ein Verkehrsunfall verursacht, bei dem der geparkte LKW der Klägerin beschädigt wurde.

Die Klägerin begehrt den Ersatz dieser Schäden mit der Begründung, daß der Zweitbeklagte der Halter und die erstbeklagte Partei die Haftpflichtversicherung des den Schaden verursachenden Fahrzeuges seien. Die Behauptung des Zweitbeklagten, es sei ihm das Fahrzeug von unbekannten Tätern gestohlen worden, sei unglaubwürdig.

Die Beklagten wendeten ein, der Zweitbeklagte habe am 18.11.1994 gegen 23.00 Uhr das Fahrzeug an der Kreuzung L*****straße/A*****gasse versperrt abgestellt. Er habe nämlich die Diskothek "A*****", die sich in unmittelbarer Nähe dieser Kreuzung befinde, besucht, um dort Freunde zu treffen. Mit diesen sei er dann im PKW eines Freundes zur Diskothek "N*****" gefahren, von wo er von diesen Freunden am Morgen nach Hause gebracht worden sei. Am Nachmittag des 19.11.1994 habe er sein Fahrzeug abholen wollen. Dabei habe er bemerkt, daß sich die Fahrzeugschlüssel nicht mehr in der Manteltasche befanden und offenbar entwendet wurden. Er habe sich mit dem Reserveschlüssel zum Abstellort begeben und dort festgestellt, daß das Fahrzeug nicht mehr vorhanden sei. Nachdem sich herausgestellt habe, daß das Fahrzeug nicht abgeschleppt worden war, habe er eine Diebstahlsanzeige gemacht. Die Beklagten bestritten eine Verletzung der Verwahrungspflicht hinsichtlich der Schlüssel durch den Zweitbeklagten; offensichtlich seien die Schlüssel aus seiner Manteltasche entwendet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen folgende Feststellungen traf:

Am Abend des 18.11.1994 fuhr der Zweitbeklagte in den 10. Wiener Gemeindebezirk, um sich mit Freunden in der Diskothek "A*****" zu treffen. Er stellte um ca. 23.00 Uhr sein Fahrzeug, einen VW Golf Cabrio, an der Ecke L*****straße/A*****gasse ab, ließ die Lenkradsperre einrasten, versperrte das Fahrzeug und steckte die Autoschlüssel in seinen Mantelsack. An den Schlüsseln befand sich ein Anhänger mit der Aufschrift "VW Golf Cabrio". Er hielt sich ca. 1 Stunde in der Diskothek in der Nähe des Einganges auf und behielt seinen Mantel an. Dann fuhr er zusammen mit Freunden im Fahrzeug eines der Freunde zur Diskothek "N*****". Zu diesem Zeitpunkt war das Fahrzeug noch auf dem Parkplatz. Ob der Zweitbeklagte noch im Besitz der Schlüssel war, konnte nicht festgestellt werden. In der Diskothek "N*****" gab der Zweitbeklagte seinen Mantel in der Garderobe ab. Er hielt sich in der Diskothek bis 6.00 oder 7.00 Uhr früh auf. Dann holte er seinen Mantel aus der Garderobe. Einer seiner Freunde brachte ihn nach Hause. Der Zweitbeklagte und seine Freunde hatten reichlich Alkohol konsumiert. Der Freund des Zweitbeklagten, der diesen nach Hause gebracht hatte, holte ihn um ca. 16.00 Uhr des 19.11.1994 aus der Wohnung ab, um das abgestellte Fahrzeug zurückzubringen. Dabei bemerkte der Zweitbeklagte, daß ihm der Autoschlüssel abhanden gekommen war. Er nahm deshalb einen Reserveschlüssel. Am Parkplatz angekommen sah er, daß sein PKW nicht mehr da war. Sein Freund brachte ihn zur Wachstube. Nach einer erfolglosen Abschleppanfrage erstattete der Zweitbeklagte Diebstahlsanzeige.

Um etwa 4.00 Uhr früh des 19.11.1994 war von einem unbekannten Lenker mit den Originalschlüsseln der VW des Zweitbeklagten in Betrieb genommen worden. Der Lenker verursachte in der L*****gasse einen Verkehrsunfall, bei dem der dort geparkte LKW der Klägerin beschädigt wurde. Die Reparatur des LKW's der Klägerin dauerte 8 Tage. Die Klägerin erlitt durch den Unfall einen Verdienstausfall.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Haftung der beklagten Parteien sei gemäß § 6 EKHG ausgeschlossen; auch unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabes sei dem Zweitbeklagten nicht vorzuwerfen, die Schwarzfahrt ermöglicht zu haben.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Auch das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach die Haftung der beklagten Parteien gemäß § 6 EKHG nicht gegeben sei, an. Es sei üblich und auch nicht zu beanstanden, daß Autoschlüssel in der Tasche eines äußeren Kleidungsstückes verwahrt werden, wenn man mit dem Fahrzeug unterwegs sei und dazwischen Besorgungen mache oder Lokale bzw Veranstaltungen besuche. Auch beim Besuch einer Diskothek sei das Verwahren der Autoschlüssel in der Tasche des Mantels, den der Zweitbeklagte weiter anhatte, eine übliche, ausreichende und zumutbare Verwahrung; die Möglichkeit eines Diebstahls aus einer Mantel- oder Rocktasche sei in einer Diskothek nicht größer, als in einem öffentlichen Verkehrsmittel, einem Geschäft oder bei einer sonstigen Veranstaltung, bei der ein Gedränge herrsche. In der zweiten Diskothek, die der Zweitbeklagte dann besuchte, habe er den Mantel in der Garderobe abgegeben, sodaß auch darin keine Nachlässigkeit bei der Verwahrung der Autoschlüssel erblickt werden könne. Überdies sei der Zweitbeklagte dorthin nicht mit seinem Auto gefahren, das sich auch nicht in der Nähe befand. Es sei daher unter den gegebenen Umständen die Verwahrung der Autoschlüssel in der Manteltasche dem Zweitbeklagten nicht als schuldhaftes Ermöglichen einer Schwarzfahrt vorzuwerfen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil eine höchstgerichtliche Entscheidung zum Umfang der Verwahrungspflicht zur Verhinderung einer Schwarzfahrt im beschriebenen Ambiente nicht vorgefunden worden sei.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Parteien ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vertritt die Klägerin die Ansicht, der Zweitbeklagte habe nicht alle Vorkehrungen getroffen, die nötig gewesen wären, eine unbefugte Inbetriebnahme seines Fahrzeuges zu verhindern. Zumindest bei der Wegfahrt von der Diskothek "A*****" und dem bei dieser Gelegenheit gefaßten Entschluß, das Fahrzeug auch länger abgestellt zu lassen, hätte er sich vom Vorhandensein der Autoschlüssel überzeugen müssen. Daß er das nicht getan habe, sei ihm als Mitverschulden an der festgestellten unbefugten Inbetriebnahme des Fahrzeuges anzulasten. Wenn der Zweitbeklagte erst am späten Nachmittag des nächsten Tages das Fehlen seiner Autoschlüssel wahrgenommen habe, dann zeige dies, daß er mit den Originalschlüsseln nicht so sorgsam umgegangen sei, wie dies seine Pflicht gewesen wäre.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Gemäß § 6 Abs 1 EKHG haftet der Halter oder Betriebsunternehmer eines Fahrzeuges für den Ersatz eines Schadens dann nicht, wenn jemand zur Zeit des Unfalles das Verkehrsmittel der Eisenbahn ohne den Willen des Betriebsunternehmers oder das KfZ ohne den Willen des Halters benutzt. An die Stelle des Halters oder Betriebsunternehmers tritt also derjenige, der die Schwarzfahrt mit dem Fahrzeug oder mit der Eisenbahn unternimmt. Mit dem eigenmächtigen Schwarzfahrer haften der Betriebsunternehmer der Eisenbahn und der Halter des KfZ allerdings solidarisch, wenn sie selbst oder ihr Betriebsgehilfe die Schwarzfahrt schuldhaft ermöglicht haben, daß heißt eine für die unbefugte Benützung günstige Bedingung gesetzt haben (Apathy, Kommz EKHG, Rz 13 zu § 6 mwN). Dabei sind an die Sorgfaltspflicht des Halters strengste Anforderungen zu stellen; er muß bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alles tun, was ihm nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zur Verhütung von Schwarzfahrten erforderlich erscheinen muß und zugemutet werden kann (Apathy, aaO, Rz 17 zu § 6; Koziol, Haftpflichtrecht**2 II, 539 jeweils mwN). Für die Beurteilung der Frage, ob der Halter die ihn treffende Sorgfaltspflicht erfüllt hat, sind jeweils die Umstände des Einzelfalles maßgeblich (ZVR 1978/78); die Pflicht des Fahrzeughalters zur Sicherung des Fahrzeuges darf allerdings nicht überspannt werden, die Sicherungsmaßnahmen müssen jedenfalls auch zumutbar sein (Koziol, aaO, 540 mwN; ZVR 1985/174). So wie es aber genügt, daß die Fahrzeugschlüssel in der Hosentasche aufbewahrt werden (ZVR 1965/147), reicht es auch aus, die Schlüssel in der Tasche des Mantels aufzubewahren, wenn dieser nicht abgelegt wird; dies gilt auch bei einem Aufenthalt in einer Diskothek. Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, können die Schlüssel auch an einem anderen belebten Ort aus dem Mantelsack gestohlen werden (zB Einkaufszentrum) und kann auch der Dieb bereits im vorhinein beobachtet haben, wo das spätere Opfer sein Fahrzeug abstellte. Ein wirklich sichere Verwahrung der Schlüssel wäre an derartigen Orten wohl nur dann gegeben, wenn sie unmittelbar am Körper getragen werden, was aber auch von einem besonders sorgfältigen Autofahrer nicht verlangt werden kann. Auch beim Besuch der zweiten Diskothek durfte der Zweitbeklagte die Schlüssel in der Tasche des Mantels belassen, ohne gegen die ihn treffende Sorgfaltspflicht zu verstoßen, weil er den Mantel an der Garderobe abgegeben hat (Greger, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr**2, Rz 367 zu § 7 StVG). Schließlich ist nach Ansicht des erkennenden Senates dem Zweitbeklagten auch nicht vorzuwerfen, daß es sich beim Verlassen der ersten Diskothek nicht neuerlich davon vergewisserte, ob die Schlüssel noch in seinem Mantel waren. Der Zweitbeklagte hat durch die Verwahrung der Schlüssel in der Tasche seines Mantels die ihn treffende Sorgfaltspflicht nicht verletzt, weil er den Mantel in der ersten Diskothek nicht auszog und ihn in der zweiten Diskothek bei der Garderobe abgab.

Zutreffend haben daher die Vorinstanzen die Ersatzpflicht der beklagten Parteien verneint, weshalb der Revision der Klägerin keine Folge zu geben war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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