OGH 13Os190/96

OGH13Os190/9611.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rachid El A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. September 1996, GZ 13 Vr 2088/96-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Rachid El A***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Der Angeklagte ist marokkanischer Staatsangehöriger. Zur Hauptverhandlung wurde deshalb ein Dolmetsch der arabischen Sprache beigezogen. Im formell unberichtigt gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung wurde festgehalten, daß der Vorsitzende dem Angeklagten nach Urteilsverkündung Rechtsmittelbelehrung erteilt und dieser danach ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet hat (S 191).

Am 24.September 1996 (einen Tag nach Ablauf der Anmeldefrist des § 284 Abs 1 StPO) langte jedoch in der zuständigen Gerichtsabteilung ein früheres (s Mayerhofer/Rieder StPO3 § 6 ENr 45) Schreiben des in Haft befindlichen Angeklagten ein, in dem er ausführt, er wolle "Berufung wiederholen oder beantragen". Es sei ihm nicht gesagt worden, daß er drei Tage Bedenkzeit gehabt habe, dies habe er erst von einem Mithäftling erfahren. Er bitte mit seinem Verteidiger "in Berufung (zu gehen)" (ON 30).

Der Verteidiger davon verständigt, teilte dem Angeklagten mit, daß doch vom Vorsitzenden nach Urteilsverkündung eine umfassende Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde, die auch die Möglichkeit einer Bedenkzeit einschloß. Diese Rechtsmittelbelehrung sei vom Dolmetsch übersetzt worden. Erst danach habe der Vorsitzende nach der Rechtsmittelerklärung des Angeklagten gefragt, worauf der Angeklagte selbst ohne zu zögern und unmißverständlich das Urteil sofort angenommen habe (ON 31).

Der zur Hauptverhandlung beigezogene Dolmetsch äußerte dazu, daß der Angeklagte ihn und auch er den Angeklagten bei der Hauptverhandlung gut verstanden und es überhaupt keine sprachlichen Barrieren gegeben habe. Er habe dem Angeklagten insbesondere auch die Rechtsmittelbelehrung vollständig einschließlich der Möglichkeit einer dreitägigen Bedenkzeit und der Besprechung mit dem Verteidiger übersetzt und der Angeklagte habe das Urteil nach Rechtsmittelbelehrung sofort angenommen (ON 35).

Nach einem Verteidigerwechsel (ON 32) wurde der Angeklagte am 3. Oktober 1996 zu seiner schriftlichen Eingabe (ON 30) vernommen und gab an, daß er den Dolmetsch nach Urteilsverkündung wahrscheinlich nicht richtig verstanden oder dieser nicht alles insbesondere im Hinblick auf die Rechtsmittelbelehrung richtig übersetzt habe. Er habe nur zum Urteil ja gesagt und nicht gewußt, welche Erklärungen er abgebe, insbesondere nicht, daß er sich drei Tage Bedenkzeit vorbehalten könne. Hätte er gewußt, daß er gegen das Urteil etwas machen könne, hätte er Berufung eingelegt. Erst auf neuerlichen Vorhalt der Rechtsmittelmöglichkeiten durch den Vorsitzenden erklärte er, nunmehr das ganze Urteil bekämpfen zu wollen, weil er unschuldig sei (ON 4, S 57 a).

Am selben Tag (3.Oktober 1996) hielt der Vorsitzende in einem Aktenvermerk fest, er nehme zugunsten des Angeklagten im Zweifel an, daß dieser "auf Grund der sprachlichen Barrieren auf ein Rechtsmittel nicht verzichtet hat und daß die Rechtsmittelanmeldung durch den Verurteilten rechtzeitig erfolgt ist" (S 3 d).

Zu dem in der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 39) enthaltenen Vorbringen, Dolmetsch und Angeklagter hätten verschiedene arabische Dialekte gesprochen und das Gericht es unterlassen, einen der Sprache des Angeklagten kundigen Dolmetsch beizuziehen, holte der Vorsitzende Stellungnahmen der beisitzenden Richterin, des Dolmetsch und des in der Hauptverhandlung tätig gewesenen Verteidigers ein.

Die beisitzende Richterin erklärte, der Angeklagte (der nach der Aktenlage gebrochen deutsch spricht) habe mit keiner Äußerung oder Geste zu verstehen gegeben, daß er den Dolmetsch nicht verstehe. Es habe dafür auch keine anderen Anzeichen gegeben (ON 42). Der in der Hauptverhandlung beigezogene Dolmetsch führte aus, der Angeklagte habe ihn genau und sehr gut verstanden, es seien seine Einwände auch übersetzt worden (ON 43). Nach der Stellungnahme des Verteidigers gab es keinerlei Hinweise auf Mißverständnisse und Kommunikationsprobleme (ON 44).

Dem über den Gang der Hauptverhandlung aufgenommenen Protokoll (ON 26) können keine Anzeichen mangelhafter Übersetzung durch den Dolmetsch entnommen werden. Die Verantwortung des Angeklagten, seine Antworten auf Fragen und Vorhalte sowie sein übriges Vorbringen steht unter Bedachtnahme auf den Inhalt seiner Verantwortung im Vorverfahren und der sonstigen Beweisergebnisse in vollem Einklang mit dem gesamten Akteninhalt.

Die vom Angeklagten am 3.Oktober 1996 (nach neuerlichem Vorhalt der Rechtsmittelmöglichkeiten durch den Vorsitzenden mit dem Hinweis, das ganze Urteil bekämpfen zu wollen, weil er unschuldig sei, S 57 a) - wenn überhaupt als solche zu verstehende - Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde ist verspätet.

Nach dem den Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles diesbezüglich berichtigenden Aktenvermerk des Vorsitzenden vom 3.Oktober 1996 (S 3 d) ist ein Rechtsmittelverzicht in der Hauptverhandlung nicht abgegeben worden. Der Angeklagte hat hernach ausdrücklich "Berufung" angemeldet und in dieser Anmeldung vorgebracht, er habe nicht gewußt, daß er drei Tage Bedenkzeit zur Verfügung habe (ON 30). Die Behauptung, er habe den Inhalt der Rechtsmittelbelehrung selbst sprachlich nicht verstanden, wurde zwar im weiteren Verlauf aufgestellt und dahin ausgeführt, wegen verschiedenen von Dolmetsch und Angeklagten gesprochenen arabischen Dialekten sei eine ordentliche Kommunikation zwischen diesen praktisch ausgeschlossen gewesen. Diese Behauptungen sind jedoch durch die Aktenlage widerlegt.

Der Angeklagte hat demnach eine vollständige, für ihn sprachlich verständliche Rechtsmittelbelehrung erhalten, er hat zwar nicht ausdrücklich auf Rechtsmittel verzichtet, sondern das Rechtsmittel der Berufung angemeldet.

Die keinesfalls rechtzeitig angemeldete sondern verspätet ausgeführte (s Mayerhofer/Rieder StPO3 § 284 ENr 1) Nichtigkeitsbeschwerde war somit in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285 i StPO).

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