OGH 7Ob2303/96v

OGH7Ob2303/96v4.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Irmgard R*****, und 2. Mag.Wilfried G*****, beide vertreten durch Dr.Eckart Fussenegger ua, Rechtanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Gitta G*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Zarl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 20. Mai 1996, GZ 54 R 47/96t-19, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 27.November 1995, GZ 13 C 987/95-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 8.365,50 (darin S 1.394,25 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 13.9.1994 verstorbene Franz G***** war der Vater der Kläger und Ehegatte der Beklagten. Er bewohnte bis zu seinem Ableben mit der Beklagten das Haus F*****straße 4 in S***** mit umliegendem Garten. Diese Liegenschaft stand ursprünglich im Alleineigentum der ersten Ehegattin Franz G*****. Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung nach dieser kamen die Erben letztlich überein, daß bezüglich dieser Liegenschaft die Erstklägerin zu 20 %, der Zweitkläger zu 55 % und Franz G***** zu 25 % das Eigentum erhalten. Zugleich mit diesem Erbübereinkommen wurden über die Miteigentumsanteile Franz G***** Schenkungsverträge auf den Todesfall errichtet, mit welchen er 15 Anteilsprozente der Liegenschaft an die Erstklägerin und 10 % an den Zweitkläger übertrug. Damit sollte mit dem Ableben Franz G***** das Eigentum, aber auch die Nutzung an dem Objekt F*****straße 4 jedenfalls an die klagenden Parteien fallen. Die ursprüngliche Konstruktion, Franz G***** ein lebenslängliches Wohnrecht an den bisher bewohnten Räumen einzuräumen, wurde nur aus steuerlichen Gründen nicht verwirklicht und an deren Stelle die letzterwähnte rechtliche Konstruktion gewählt. Noch vor Eheschließung mit der Beklagten schloß Franz G***** mit dieser am 16.3.1987 einen Erbvertrag samt wechselseitigem Testament sowie gleichzeitig einen Erb- und Pflichtteilverzichtsvertrag ab. Der Erbvertrag enthält wechselseitige Erbseinsetzungen und auch beiderseitige Legatsverfügungen betreffend Teile des beiden Brautleuten gehörigen Vermögens. Bezüglich der Liegenschaft in der F*****straße 4 wurde keine Verfügung getroffen, sondern nur ausdrücklich festgehalten, daß die diesbezüglichen Anteile Franz G***** bereits mit Schenkungsverträgen auf den Todesfall den klagenden Parteien zugewendet worden seien. Im Erb- und Pflichteilverzichtsvertrag verzichteten die Brautleute wechselseitig auf das ihnen im Falle der Eheschließung zustehende Erb- und Pflichteilsrecht. Nach dem Tod ihres Vaters haben sich die Kläger die zu ihren Gunsten errichteten Schenkungsverträge verbüchern lassen und sind nunmehr alleinige Miteigentümer der Liegenschaft F*****straße 4. Bei Abschluß des Erb- und Erbverzichtsübereinkommens sind die Beteiligten davon ausgegangen, daß die Beklagte nach dem Tod Franz G***** die Ehewohnung zu räumen hat. Franz G***** hat aus Anlaß der Novellierung des § 758 ABGB wegen des seiner Ansicht nach von der Beklagten abgegebenen Verzichtes auf die Weiterbenützung der Ehewohnung nach seinem Tod dieser 1994 eine Eigentumswohnung in S***** zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses gekauft. Die Beklagte hat diese Eigentumswohung derzeit auf Zeit vermietet.

Die Kläger begehren die Räumung der Liegenschaft von der Beklagten, weil diese zur Benützung der ehemaligen Ehewohnung keinen Rechtstitel habe.

Die Beklagte bestritt und beantragte die Klagsabweisung. Sie habe im Erbverzichtsvertrag vom 16.3.1987 lediglich auf das ihr zustehende Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet, nicht jedoch auf irgendwelche Vermächtnisse. Ihr Recht, die bisherige Ehewohnung nunmehr allein für sich weiterzuverwenden, gründe sie auf das gesetzliche Vorausvermächtnis gemäß § 758 ABGB, auf das sie im Jahre 1987 noch gar nicht verzichten habe können. Der gesetzliche Voraus gebühre auch unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte testamentarischer, vertraglicher oder gesetzlicher Erbe ist, oder er überhaupt nicht zum Erbe berufen wird.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seiner Rechtsmeinung habe die Änderung des § 758 ABGB durch das Erbrechtsänderungsgesetz 1989 überhaupt erst das Recht zur Benützung der Ehewohnung nach dem Tod des Erblassers dem überlebenden Ehegatten eingeräumt. Auf dieses gesetzliche Vermächtnis habe die Beklagte bei Abschluß des Erbverzichtsvertrages gar nicht verzichten können, da diese Gesetzesbestimmung erst mit 1.1.1991 in Kraft getreten sei. Diese Änderung der Gesetzeslage habe daher sämtliche Vereinbarungen und Verzichte, die zuvor geschlossen worden seien und dafür sprechen, daß die Beklagte die Ehewohnung zu verlassen habe, obsolet gemacht.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung in eine Klagsstattgebung ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Die Beklagte habe im Erbvertrag samt wechselseitigem Testament sowohl auf ihr Erbe als auch auf ihren Pflichtteil verzichtet. Dieser Verzicht habe die Ansprüche auf den zum damaligen Zeitpunkt in diesem Ausmaß vom Gesetz noch nicht so vorgesehenen großen Voraus, sohin auf das Wohnrecht an der Ehewohnung bei Vorversterben ihres Gatten, mitumfaßt. Sie sei daher zur Räumung der gegenständlichen Wohnung verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 758 ABGB idF ErbRÄG BGBl 1989/656 gebühren dem überlebenden Ehegatten, sofern er nicht rechtmäßig enterbt worden ist, als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen sowie die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. Die Erweiterung des gesetzlichen Vorausvermächtnisses um das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, ist am 1.1.1991 in Kraft getreten. Durch dieses Vorausvermächtnis sollen nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers dem überlebenden Ehegatten seine bisherigen Lebensverhältnisse erhalten und gesichert werden. Das Recht, in der Wohnung weiter zu wohnen, ist ein gesetzliches Vorausvermächtnis mit Pflichtteilscharakter und unterliegt grundsätzlich den Regeln des Vermächtnisrechtes. Als Vermächtnis muß die vermachte Sache oder das Recht bis zum sachenrechtlichen Erwerb zunächst zum Nachlaß gehören. Gegenstand des Vermächtnisses muß daher grundsätzlich ein vererbliches Recht sein. Ist das Recht nicht im Nachlaß enthalten, ist das gesetzliche Vorausvermächtnis aber wie das Vermächtnis einer fremden Sache, die nicht in den Nachlaß fällt, nach § 662 ABGB wirkungslos (vgl. SZ 67/206 mwN). Richtig ist, daß nach der Rechtsprechung (NZ 1994, 83) das Recht auf Einräumung des gesetzlichen Vorausvermächtnisses auch gegenüber dem Geschenknehmer einer Schenkung auf den Todesfall durchgesetzt werden kann, weil eine derartige Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tod des Schenkenden erfolgen soll, nur mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten des Vermächtnisses gültig ist. Die von den Erben nach der ersten Gattin Franz G***** mit diesem getroffene Vereinbarung, daß dieser einen Miteigentumsanteil bei gleichzeitiger Weiterbenützung der Ehewohnung erhalten solle, er aber seinen Miteigentumsanteil den Klägern zu schenken hat, erfolgte aber nur, um die mit der ursprünglich geplanten Einräumung eines Wohnungs- und Gebrauchsrechtes an Franz G***** verbundenen steuerlichen Nachteile abzuwehren. Geht man vom wahren Vertragswillen der Erben nach der ersten Ehegattin Franz G***** aus, sollte ihm nur ein Wohnungs- und Gebrauchsrecht eingeräumt werden, das gemäß § 529 ABGB mit seinem Tod erlosch und daher nicht mehr in die Verlassenschaft fiel. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß die Beklagte auf ihr gesetzliches Vorausvermächtnis rechtswirksam verzichtet hat. Wie bereits dargelegt, kommt dem Vorausvermächtnis Pflichtteilscharakter zu. Im Gegensatz zu den sonstigen Legaten ist sein Bestehen und sein Umfang vom Gesetz her umschrieben, sodaß eine Bestimmbarkeit des Verzichtes gleich wie bei einem Pflichtteilsverzicht gegeben ist. Wenn es auch zutrifft, daß ein Verzicht auf das Erbe oder den Pflichtteil im Zweifel nicht auch ein zugedachtes Vermächtnis erfaßt (vgl. RZ 1967, 14), kommt diese Zweifelsregel im vorliegenden Fall wegen des gesetzlichen Charakters des Vorausvermächtnisses nicht zum Tragen. Der Erb- und Pflichtteilsverzicht zwischen der Beklagten und ihrem späteren Ehegatten kann nicht losgelöst vom gleichzeitig unterzeichneten Erbvertrag samt wechselseitigem Testament betrachtet werden. Dies ergibt sich insbesondere aus den das Inventar der Ehewohnung betreffenden ganz detailliert geregelten Legatsverfügungen, die eine Zuweisung des jeweiligen eigenen Inventars an die eigenen Kinder vorsieht, sodaß damit über so gut wie jeden Inventarteil verfügt wurde. Gerade diese Gegenstände umfaßten aber den zur Zeit des Erb- und Erbverzichtsvertrages damals von Gesetzes wegen bestehenden "kleinen" Voraus. Durch das Erbrechtsänderungsgesetz wurde aber mit § 758 ABGB kein grundsätzlich neuer Anspruch geschaffen, sondern ein bestehender Anspruch in seinem Umfang erweitert (vgl 1158 BlgNR 17.GP 3 f, SZ 67/206 mwN). Auf diesen Anspruch hat die Beklagte verzichtet.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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