OGH 2Ob2404/96k

OGH2Ob2404/96k28.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Bernhard B*, vertreten durch Dr. Werner Leimer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Eveline W*, und 2. * Versicherungs * beide vertreten durch Dr. Christian Slana und Dr. Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 1,011.662,65 sA, Leistung einer Rente (Streitwert S 518.400) und Feststellung (Streitwert S 70.000) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 25. Oktober 1994, GZ 4 R 76/94‑26, womit das Teilzwischenurteil und das Teilurteil des Landesgerichtes Linz vom 24. Jänner 1994, GZ 8 Cg 184/92m‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:E44426

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

 

Am 14. 7. 1989 kam es im Ortsgebiet von T* auf der T* Bezirksstraße zu einem Verkehrsunfall zwischen dem am 26. 7. 1980 geborenen Kläger und der Erstbeklagten als Lenkerin und Halterin des bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs Marke Opel Kadett C 12. Der Kläger fuhr zu diesem Zeitpunkt mit seinem Fahrrad auf der bei Straßenkilometer 2,750 von rechts einmündenden Hauszufahrt heraus und wollte die Bezirksstraße überqueren. Er wurde dabei vom PKW erfaßt und schwer verletzt.

Der Kläger begehrt unter Einräumung eines Mitverschuldens von 20 % Schmerzengeld und eine Verunstaltungsentschädigung sowie den Ersatz der Behandlungskosten und des Pflegekostenaufwandes.

Er brachte dazu vor, die Erstbeklagte habe die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit wesentlich überschritten. Bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit hätte sie bei einer nur mittleren Bremsverzögerung unfallsverhindernd vor der Unfallstelle anhalten können. Die Ausnützung der Höchstgeschwindigkeit sei schon deshalb nicht zulässig gewesen, weil die Hauszufahrt durch Einzäunungen nicht einsehbar gewesen sei. Bei derartigen Wohnsiedlungen im Ortsgebiet müsse mit Fußgängern, insbesondere mit Kindern, gerechnet werden. Überdies sei der Anstoß in Fahrtrichtung der Erstbeklagten im Bereich des linken Fahrbahnrandes erfolgt. Wäre die Erstbeklagte ausreichend rechts gefahren, hätte sie hinter dem Kläger vorbeifahren können. Es liege somit auch ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot vor.

Die beklagten Parteien anerkannten ein Mitverschulden der Erstbeklagten von zwei Drittel, weil bei Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h der Unfall unterblieben wäre. Hingegen habe der minderjährige Kläger eine Vorrangverletzung zu vertreten, weil er ohne auf den Fließverkehr zu achten, in die Bezirksstraße eingefahren sei. Die Erstbeklagte sei zum Zeitpunkt der Reaktionseinleitung etwa 80 cm vom rechten Fahrbahnrand entfernt gewesen. Ein allfälliger Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot sei mangels Rechtswidrigkeitszusammenhanges unbeachtlich. Darüber hinaus bestehe eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern des Klägers, was sich auf die wirtschaftlich von diesen Eltern getragenen Schadenspositionen des Klägers auswirke, sodaß die beklagten Parteien diesbezüglich nur zu zwei Fünfteln hafteten.

Das Erstgericht erließ ein Teilanerkenntnisurteil, in welchem festgestellt wurde, daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand dem Kläger für alle zukünftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall haften, und zwar für unmittelbar eigene Ersatzansprüche des Klägers im Umfang von zwei Dritteln, für Drittschäden, zu deren Geltendmachung der Kläger legitimiert sei, im Umfang von zwei Fünfteln, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei auf die Deckungssumme beschränkt ist, die sich aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen den beklagten Parteien am Unfallstag betreffend den PKW der Erstbeklagten ergibt.

Das Erstgericht sprach mit Teilzwischen‑ und Teilurteil aus, daß das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger S 1,011.662,65 samt 7,5 % Zinsen seit 11. 7. 1992 zu bezahlen, ferner dem Kläger in der Zeit vom Juli 1992 bis einschließlich Juni 1995 eine monatliche Pflegekostenentschädigung von S 14.000 sA zu leisten, dem Grunde nach zu Recht bestehe und daß einschließlich des Teilanerkenntnisurteiles festgestellt werde, daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand dem Kläger zu 80 % für alle zukünftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall ersatzpflichtig sind.

Das Erstgericht ging von nachstehenden, für das Revisionsverfahren noch wesentlichen Feststellungen aus:

Die T* Bezirksstraße ist im Unfallsbereich 4,90 bis 5,20 m breit. Rechts an die Fahrbahn - in Fahrtrichtung der Erstbeklagten gesehen - angrenzend befindet sich eine Grünanlage von 2,40 bis 2,60 m Breite, die durch den Einmündungstrichter der Einfahrt zu den Häusern Tillysburg Nr. 19 und 20 unterbrochen wird. Diese Einfahrt ist zunächst etwa 2,50 m breit asphaltiert und verbreitert sich hin zur T* Bezirksstraße auf 5,8 m. Das Grundstück des Hauses Nr. 20 ist beiderseits der Einfahrt von einem Thujenzaun umgeben, der in Fahrtrichtung der Erstbeklagten eine Höhe von 1,30 m und in Gegenrichtung eine Höhe von 2,50 m aufweist. Auf der Grünanlage war vor der genannten Zufahrt ein PKW Opel Kadett abgestellt.

Die Erstbeklagte hielt eine Geschwindigkeit von 78 bis 79 km/h ein. Der Kläger fuhr mit seinem Fahrrad in seiner Fahrtrichtung gesehen am linken Rand der Einfahrt auf die Fahrbahn der Bezirksstraße. Die Erstbeklagte reagierte etwa 38,5 m vor der Kollisionsstelle bzw zwei Sekunden vor der Kollision mit einer Bremsung und kollidierte mit einer Geschwindigkeit von rund 50 km/h mit dem Kläger. Hätte sie eine Geschwiindigkeit von 50 km/h eingehalten, wäre der PKW bei gleicher Reaktion der Erstbeklagten ca. 10,5 m vor der Kollisionsstelle zum Stillstand gekommen.

Das Erstgericht hielt noch fest, daß der Kläger bei seinem Herausfahren den in seiner Fahrtrichtung von links herankommenden PKW bereits gesehen haben mußte.

Festgestellt wurde weiters, daß die Eltern des Klägers dem minderjährigen Kläger das Radfahren innerhalb des Gartengrundstückes erlaubten und ihn anwiesen, den Garten nicht zu verlassen. Das Grundstück zum Haus Nr. 20 kann durch ein Gartentor verschlossen werden; dieses Tor kann mit einem Hebel aus Profileisen abgesichert werden. Zum Zeitpunkt des Unfalles war die Mutter des Klägers nicht zu Hause, sondern bei einer Nachbarin im Haus Nr. 25. Die Nachbarinnen hatten vor dem Unfall den Kläger nie mit dem Fahrrad auf der Tillysburger Bezirksstraße fahren sehen.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß die Erstbeklagte die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse gravierend überschritten habe, in ihrer Fahrtrichtung hätten sich am rechten Straßenrand einige Häuser befunden, deren Einfahrten nicht einsehbar seien und an denen jederzeit mit ausfahrenden Fahrzeugen zu rechnen gewesen sei. Die Geschwindigkeitsübertretung habe eine erhebliche Vergrößerung der damit verbundenen Gefahren mit sich gebracht. Bei der Verschuldensaufteilung sei auch das Alter des Klägers zu berücksichtigen. Auch bei einem Kind im Alter von 9 Jahren, das bereits in Begleitung der Eltern auf öffentlichen Straßen mit dem Fahrrad gefahren sei, könne die Einsicht in die grundlegenen Verkehrsregeln erwartet werden. Bei der gesamten Verschuldensabwägung sei schließlich zu berücksichtigen, daß die Erstbeklagte keine äußerst rechte Fahrlinie infolge eines am rechten Fahrbahnrad geparkten Fahrzeuges eingehalte habe. Diese Verschuldensabwägung führe zu einer Haftung der beklagten Parteien von vier Fünfteln.

Eine Verletzung der Aufsichtspflicht liege nicht vor. Im übrigen sei ein allfälliges Mitverschulden der Eltern infolge Verletzung der Aufsichtspflicht in einem Verfahren, an dem nur die Unfallsgegner beteiligt seien, nicht zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Es traf nach Beweiswiederholung noch folgende weitere Feststellungen:

Die linke Längseite des auf dem Grünstreifen geparkten PKWs Opel Kadett befand sich in etwa über dem Fahrbahnrand der Bezirksstraße. Die in Fahrtrichtung der Erstbeklagten weisende Vorderfront des Fahrzeuges befand sich 6,4 m vor dem Beginn des 8,4 m breiten Einmündungstrichters der Hauszufahrt zu den Häusern T* Nr. 19 und 20. Die Erstbeklagte war mit ihrem PKW bei Beginn der spurenzeichnenden Bremsung etwa 1,77 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt und überschritt daher die Fahrbahnmitte der Bezirksstraße.

Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes hinsichtlich der Beaufsichtigung der Klägers durch dessen Eltern aus rechtlichen Erwägungen nicht.

Das Berufungsgericht billigte die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensaufteilung. Es warf der Erstbeklagten vor, im Ortsgebiet die Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h überschritten und auch gegen das Rechtsfahrgebot des § 7 StVO verstoßen zu haben. Es erörterte ausdrücklich, daß der Schutzzweck der zuletzt genannten Bestimmung vom Obersten Gerichtshof auch generell darin gesehen wird, den Gefahren des vom rechts kommenden Verkehrs zu begegnen. Das Rechtsfahrgebot diene auch der Erleichterung und Sicherung des von rechts einbiegenden Querverkehrs, weil durch die Einhaltung des übermäßigen Seitenabstandes nach rechts der Weg des Querverkehrs bis zur Erreichung einer ungefährlichen Zone unnötig verlängert werde. Beide Verstöße seien daher bei einer Verschuldensteilung zu berücksichtigen. Bei dieser müsse auch auf das Alter des Klägers Bedacht genommen werden. Dem Kläger falle eine Vorrangverletzung im Sinne des § 19 Abs 6 StVO zur Last. Er habe gewußt, daß er die Fahrbahn nicht unmittelbar vor einem herrannahenden Fahrzeug überqueren dürfe. Das Mitverschulden des Klägers sei milder zu beurteilen. Reduziere man die Vorrangverletzung des Klägers auf das Unterschätzen der Geschwindigkeit des PKWs, könne ihm lediglich ein 20%iges Mitverschulden angelastet werden. Das Berufungsgericht folgte auch der Rechtsprechung, wonach das Verschulden der aufsichtspflichtigen Eltern dem Kind nicht als Mitverschulden angelastet werden könne. Zwischen den einzelnen, vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen sei daher nicht zu unterscheiden.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil es im wesentlichen der einhelligen Judikatur des Obersten Gerichtshofes gefolgt sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Zwischenurteil dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren hinsichtlich des Schmerzengeldes, der Verunstaltungsentschädigung und des Sachschadens dem Grunde zu zwei Dritteln zu Recht bestehe, während die geltend gemachten Behandlungskosten, Krankenbesuchsfahrtkosten, Kosten der Lernhilfe und auch das Rentenbegehren lediglich dem Grunde nach zu zwei Fünfteln zu Recht bestehe. Begehrt wird auch die Abweisung des über das Teilanerkenntnisurteil hinausgehende Feststellungsbegehren.

Der Kläger beantragt, die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Beklagten machen in ihrem Rechtsmittel einerseits geltend, daß ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang zu einer von rechts her eindringenden Gefahr stehe und daß der Kläger nicht zur Geltendmachung aller erdenklichen Schadenersatzansprüche ohne Rücksicht auf ein etwaiges Mitverschulden seiner Eltern legitimiert sei.

Die vom Berufungsgericht zur Begründung der Mitverschuldensaufteilung vertretene Rechtsansicht, der Schutzzweck des § 7 StVO umfasse auch die Verhinderung von rechtseindringenden Gefahren, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt.

Nach § 7 Abs 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist. Nach Abs 2 dieser Bestimmung hat der Lenker eines Fahrzeuges, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, insbesondere in unübersichtlichen Kurven, vor Fahrbahnkuppen, bei ungenügender Sicht, beim Überholtwerden und bei Gegenverkehr am rechten Fahrbahnrand zu fahren; er darf hiebei aber nicht Personen gefährden oder Sachen beschädigen.

Zum Schutzzweck dieser Norm hat der Oberste Gerichtshof bereits grundsätzlich ausgesprochen, daß das Rechtsfahrgebot zwar in erster Linie den Gegenverkehr schützen soll, aber auch den Zweck hat, jedwede Gefahr vom linken Fahrbahnrand her zu verhindern und auch sonst allgemein alle möglichen Risken im Straßenverkehr durch dessen klare Regelung vorzubeugen (ZVR 1974/260; ZVR 1976/166; ZVR 1981/1). In der in ZVR 1973/171 veröffentlichten Entscheidung wurde auch ausdrücklich ausgesprochen, daß der Schutzzweck der genannten Norm auch darin bestehe, daß sich ein Fußgänger von links her ungefährdet der Fahrbahnmitte nähern kann, um die Fahrbahn zu überqueren. In ZVR 1983/323 wurde ebenfalls festgehalten, daß sich der Schutzzweck auch auf von links kommende Verkehrsteilnehmer erstreckt.

In der auch vom Berufungsgericht und in der Revisionsbeantwortung zitierten unveröffentlichten Entscheidung 2 Ob 172/81 wurde unter Hinweis auf den Grundsatz, daß der Schutzzweck der Norm des § 7 StVO darin bestehe, allen möglichen Risken im Straßenverkehr vorzubeugen, ausgesprochen, daß der Schutzzweck der Norm auch darin liegen könne, den Gefahren eines von rechts kommenden Verkehrs zu begegnen. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang sei daher zu bejahen.

Abgesehen davon, daß der zuvor erwähnte Rechtssatz bei Beurteilung des damals vorliegenden Sachverhaltes mangels Verschuldens des das Rechtsfahrgebot verletzenden Lenkers ohne Einfluß auf die Entscheidung blieb, kann der erkennende Senat diese Rechtsmeinung nicht aufrechterhalten.

Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (vgl Brunner, Die Zurechnung der Schadenersatzpflicht bei Verletzung eines "Schutzgesetzes" gemäß § 1311 ABGB, ÖJZ 1972, 116). Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung haftet jemand, der ein Schutzgesetz übertritt, nur für jene Schäden, die die Schutznorm verhüten wollte (Koziol, Haftpflichtrecht I, 151; ZVR 1990/119 ua). Der Schutzzweck der Norm ergibt sich aus ihrem Inhalt. Das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den im konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte.

Das Rechtsfahrgebot des § 7 StVO dient dem Schutz vor allen möglichen Gefahren des Straßenverkehrs, insbesondere der Sicherung des Gegenverkehrs und des Folgeverkehrs, aber auch der Verhinderung jedweder Gefahr vom linken Fahrbahnteil her (ZVR 1976/166; ZVR 1979/38; ZVR 1981/1; ZVR 1983/323).

Nach Ansicht des erkennenden Senates soll mit dieser Bestimmung nicht aber auch Gefahren vorgebeugt werden, die von von rechts in den bevorrangten Fließverkehr eindringenden Verkehrsteilnehmern ausgehen. Sollte aus der Entscheidung 2 Ob 172/81 eine andere Rechtsansicht erkennbar sein, wird diese nicht mehr aufrechterhalten.

Damit ist der der Erstbeklagten zur Last gelegte Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot bei der Verschuldensabwägung nicht zu berücksichtigen.

Der Erstbeklagten fällt daher zusammenfassend - ein gravierender - Verstoß gegen § 20 Abs 2 StVO zur Last.

Hingegen ist auch das Verhalten des Klägers zu berücksichtigen.

Kindern ist ausnahmsweise ein Mitverschulden dann anzulasten, wenn sie ihr Fehlverhalten in eigenen Angelegenheiten einsehen und danach handeln konnten. Es ist aber gemessen an dem eines in gleicher Situation stehenden Erwachsenen milder zu beurteilen (vgl ZVR 1988/39 mwN; Reischauer in Rummel 2 § 1310 ABGB Rz 4, 14, 15).

Der zum Unfallszeitpunk nahezu neun Jahre alte Kläger wußte selbst, daß er den Vorrang des Fließverkehrs beachten mußte. Zutreffend haben die Vorinstanzen daher auch ihm ein Mitverschuden angelastet. Da dieses milder zu beurteilen ist, als das eines Erwachsenen, und der Erstbeklagten ein besonders schwerwiegendes Verschulden anzulasten ist, weil sie auf der schmalen Straße die im Ortsgebiet zulässige Geschwindigkeit um mehr als 50 % überschritt, ist die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensteilung zu billigen.

Soweit sich die Revision auch gegen die Nichtberücksichtigung eines allfälligen Mitverschuldens der Eltern des Klägers wendet, ist sie nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden eines gesetzlichen Vertreters dem Minderjährigen nicht zur Last gelegt werden könne. Ein solches Verschulden des gesetzlichen Vertreters können nur bei Vertretungshandlungen dem vertretenen Minderjährigen zugerechnet werden, doch könne ein deliktisches Verschulden des gesetzlichen Vertreters die Ansprüche des Minderjährigen nicht schmälern (SZ 48/109 mwN; Ehrenzweig II/1, 63; Koziol 2 Haftpflichtrecht I, 251; Reischauer in Rummel 2 § 1310 Rz 19).

Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist der Verletzte im eigenen Namen berechtigt, Leistungen geltend zu machen, die von einem Dritten aufgrund familienrechtlicher Verpflichtungen an ihn erbracht werden, um die unfallsbedingt vermehrten Bedürfnisse des Verletzten zu befriedigen. Solche Leistungen werden nicht zu dem Zweck erbracht, den Schädiger zu entlasten (RZ 1984/12; 2 Ob 86/95). Muß sich aber der Geschädigte ein allfälliges Mitverschulden der aufsichtspflichtigen Eltern nicht anrechnen lassen, müssen alle weiteren Überlegungen über die allfällige Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Eltern dahingestellt bleiben.

Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 ZPO.

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