OGH 1Ob2341/96p

OGH1Ob2341/96p26.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei J***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Peter L.Imre, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wegen S 515.520 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgerichts vom 9.Juli 1996, GZ 6 R 105/96-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27.Februar 1996, GZ 17 Cg 459/93-30, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Mit der am 25.11.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei für die Lieferung von 12 Bordcomputern samt Zubehör die Zahlung von S 515.520.

Die beklagte Partei wendete ein, die Bordcomputer seien mit Mängeln behaftet gewesen, Verbesserungsversuche der klagenden Partei hätten keinen Erfolg gezeitigt.

Die klagende Partei behauptete daraufhin Mängelfreiheit der ausgelieferten Geräte; bloß bei einigen Bordcomputern sei eine Nachjustierung vorgenommen worden.

Die für den 17.5.1994 anberaumte Verhandlungstagsatzung blieb von beiden Parteien unbesucht. Erst am 6.6.1995 beantragte die klagende Partei die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens. In der Verhandlungstagsatzung vom 26.9.1995 wendete die beklagte Partei schließlich Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein. In der Verhandlungstagsatzung vom 19.12.1995 brachte die klagende Partei letztlich in Widerspruch zu ihrem bisherigen Vorbringen vor, bis September 1992 seien Mängelbehebungen durchgeführt worden, weshalb die Forderung erst mit Beendigung der "Behebungsversuche" fällig geworden sei. Darüber hinaus habe die beklagte Partei der klagenden Partei Zahlung zugesagt; die Kaufpreisforderung sei anerkannt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, der beklagten Partei sei die Rechnung über die Bordcomputer am 14.1.1992 zugegangen. Die Faktura habe den Vermerk "zahlbar netto bei Rechnungserhalt" enthalten. In der Folge habe die beklagte Partei laufend Mängel gerügt, letztmals am 8.9.1992. In der Zeit vom 18.1.1992 bis 11.9.1992 habe die klagende Partei versucht, die Bordcomputer "den Vorstellungen der beklagten Partei gemäß" funktionsfähig zu machen. Den Zahlungsaufforderungen der klagenden Partei sei von der beklagten Partei mit Mängelrügen begegnet worden. Der dem Verfahren beigezogene Sachverständige habe im Gutachten ausgeführt, daß Fehlfunktionen der Bordcomputer nicht festgestellt werden könnten. Der Klagevertreter habe dem Beklagtenvertreter am 16.5.1994 ein Vergleichsanbot übermittelt; durch den Nichtbesuch der Verhandlungstagsatzung vom 17.5.1994 sei Ruhen des Verfahrens eingetreten, und für den Fall der Verfahrensfortsetzung sei bis zum 31.12.1994 ein wechselseitiger Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung erklärt worden. Ende Mai/Anfang Juni 1994 hätten die Geschäftsführer der Streitteile Vergleichsgespräche geführt. Das Angebot der klagenden Partei vom 16.5.1994 sei von der beklagten Partei abgelehnt worden. Mit Schreiben vom 25.8.1994 habe der Klagevertreter den Beklagtenvertreter ersucht, ihm bis 6.9.1994 mitzuteilen, ob eine außergerichtliche Einigung möglich sei, widrigenfalls er auftragsgemäß den Fortsetzungsantrag einbringen werde. Dieses Schreiben sei unbeantwortet geblieben; es sei auch zu keinen weiteren Kontakten zwischen den Streitteilen mehr gekommen. Ein Anerkenntnis der beklagten Partei liege nicht vor.

Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, die Verjährungsfrist habe mit Zustellung der Rechnung am 14.1.1992 zu laufen begonnen. Es sei zwar am 17.5.1994 Ruhen des Verfahrens eingetreten, doch habe es die klagende Partei verabsäumt, das Verfahren gehörig fortzusetzen. Die außergerichtlichen Vergleichsgespräche müßten spätestens mit 6.9.1994 als gescheitert angesehen werden, der Fortsetzungsantrag vom 6.6.1995 sei zu spät eingebracht worden. Die Forderung sei sohin verjährt.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Grundsätzlich werde der Kaufpreis mit der Lieferung der (mängelfreien) Sache bzw mit der Rechnungslegung fällig. Die klagende Partei habe zwar ursprünglich die Mängelfreiheit der von ihr gelieferten Waren behauptet, damit stehe jedoch die später erhobene Behauptung, bis September 1992 seien Mängelbehebungen erfolgt, in Widerspruch. Die Verjährungsfrist beginne zu laufen, sobald der Geltendmachung des Anspruchs kein rechtliches Hindernis, wie insbesondere die mangelnde Fälligkeit, im Wege stehe. Den Ausführungen des Erstgerichts, der Sachverständige habe in seinem Gutachten Fehlfunktionen der Bordcomputer nicht feststellen können und die Klägerin habe versucht, diese Computer den Vorstellungen der Beklagten gemäß funktionsfähig zu machen, lasse sich nicht entnehmen, daß die der beklagten Partei gelieferten Geräte objektiv mängelfrei gewesen seien bzw welche Mängel vorgelegen und in welchem Zeitpunkt sie behoben worden seien. Es sei aber entscheidungswesentlich, ob die beklagte Partei zu unrecht Mängelrügen erhoben habe oder ob tatsächlich Mängel vorgelegen seien. Die Verjährungsfrage könne mangels ausreichender Feststellungen zur Fälligkeit nicht abschließend beantwortet werden. Es lägen aber auch zu dem vom Gericht erster Instanz verneinten Anerkenntnis keine Feststellungen vor; es werde festzustellen sein, welche Gespräche die Streitteile bzw deren Repräsentanten geführt haben, um beurteilen zu können, ob ein Anerkenntnis vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen haben die zwischen den Parteien bestehende Vertragsbeziehung zu Recht als Kaufvertrag beurteilt, geht man von deren insoweit übereinstimmendem Vorbringen aus, daß die Bordcomputer von der klagenden Partei geliefert und - zumindest zum Teil - von Mitarbeitern der beklagten Partei in deren Fahrzeuge eingebaut wurden. Ob das zugrundeliegende Rechtsverhältnis als Kauf- oder als Werkvertrag zu beurteilen ist, ist im übrigen aber auch unerheblich, weil es sowohl dem Käufer wie auch dem Werkbesteller zum Schutz seines Gewährleistungsanspruchs gestattet ist, die Gegenleistung solange hinauszuschieben, bis der andere Teil seinen Verpflichtungen voll entsprochen, d.h. die behebbaren Mängel behoben hat (RdW 1990, 77 mwN).

Die Verjährung von Kaufpreis-, aber auch von Werklohnforderungen (§ 1486 Z 1 ABGB) beginnt grundsätzlich erst zu laufen, wenn der Geltendmachung des Anspruchs kein rechtliches Hindernis mehr im Wege steht und damit die objektiv zu beurteilende Möglichkeit zur Klageführung gegeben ist. Die Fälligkeit des Kaufpreises tritt in aller Regel mit dem Zugang der Rechnung ein. Eine Kaufpreisforderung beginnt erst dann zu verjähren, wenn die deren Fälligkeit hinausschiebenden Mängel vom Verkäufer behoben wurden (RdW 1996, 357; SZ 61/233; EvBl 1982/182; SZ 54/35; 1 Ob 646/76 uva). Stellt sich der Verkäufer mit Recht auf den Standpunkt, daß sein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises wegen mängelfreier Lieferung des Kaufgegenstands mit Rechnungslegung fällig war, dann muß er grundsätzlich seinen Anspruch auch binnen drei Jahren ab Rechnungslegung geltend machen, sonst ist der Anspruch verjährt (1 Ob 646/76). Eine ungerechtfertigte Mängelrüge ändert grundsätzlich weder die Fälligkeit des Kaufpreises noch den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist. Das unberechtigte Verbesserungsbegehren des Käufers steht aber erst ab dem Zeitpunkt der Erkennbarkeit seiner mangelnden Berechtigung durch den Verkäufer der Geltendmachung des Kaufpreises und damit dem Lauf der Forderungsverjährung nicht mehr entgegen (7 Ob 2063/96z). Mit Rücksicht darauf, daß die klagende Partei bis zum 11.9.1992 versuchte, die Bordcomputer den Vorstellungen der beklagten Partei gemäß funktionsfähig zu machen (S.3 des Ersturteils) und sie somit den Verbesserungsaufforderungen nachkam, hat sie damit einem Aufschub der Fälligkeit der Kaufpreisforderung bis zur Behebung der geltend gemachten Mängel, selbst wenn diese nicht von ihr zu vertreten seien, zugestimmt. Die von der beklagten Partei erhobenen Mängelrügen waren nicht sogleich als unberechtigt erkennbar, was sich schon aus der Beschaffenheit der gelieferten Waren, hochtechnisierter Computer, ergibt. Die klagende Partei mußte die Beanstandungen zumindest ernst nehmen, auch wenn sie sich gegen deren Berechtigung wehrte. Es kann nicht von vornherein gesagt werden, daß die von der beklagten Partei behaupteten Fehler der Computer bei deren Anwendung ohne weiteres als schikanös durchschaubar gewesen wären (vgl. 7 Ob 2063/96z; RdW 1996, 357; 8 Ob 1549/90).

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei gegenüber zunächst immer wieder Mängelrügen erhoben und auf Mängelbehebung beharrt. Das gesamte erstinstanzliche Verfahren hindurch wurde die Behauptung aufrecht erhalten, die gelieferte Ware sei nicht mängelfrei gewesen. Soweit sie nun entgegen ihrem Vorbringen in erster Instanz im Rechtsmittelverfahren überraschend behauptet, die von der klagenden Partei gelieferten Computer seien "technisch in Ordnung" (S.2 der Berufungsbeantwortung), die Computer seien mängelfrei gewesen (S.5 des Rekurses), die Fälligkeit sei also schon mit Zugang der Rechnung eingetreten und der Anspruch deshalb (unter Bedachtnahme auf die nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens nach Eintritt des Ruhens) verjährt, widerspricht diese Vorgangsweise nach Treu und Glauben den gegenseitigen Verhaltenspflichten der Vertragspartner. Ein solches Verhalten ist nicht anders zu beurteilen als die von der Rechtsprechung als treuwidrig angesehene Vorgangsweise des Bestellers, der im Prozeß zunächst die Aufschiebung der Fälligkeit infolge Nichtbehebung der Mängel und danach Verjährung einwendet, weil die Fälligkeit fiktiv schon viel früher eingetreten sei (7 Ob 2063/96z; ecolex 1993, 83; SZ 61/233). Aus dem Verhalten der beklagten Partei konnte die klagende Partei vielmehr mit Recht annehmen, die Käuferin werde ihren Prozeßstandpunkt, bisher seien lediglich erfolglose Mängelbehebungsversuche unternommen worden, beibehalten, sich auf sachliche Einwendungen beschränken und die Einrede der Verjährung nicht arglistig erheben (ecolex 1993, 83; SZ 61/233). Da die Mängelbehebungsversuche der klagenden Partei bis zum 11.9.1992 währten, erweist sich der am 6.6.1995 beim Erstgericht eingelangte Fortsetzungsantrag der klagenden Partei als rechtzeitig erhoben und ist daher eine Verjährung der Kaufpreisforderung nicht eingetreten.

Wenngleich die Verjährungsfrage entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz somit bereits abschließend beantwortet werden kann, erweist sich der Aufhebungsbeschluß im Ergebnis als richtig: Die Berechtigung des Klagebegehrens wird unter Außerachtlassung des Verjährungseinwands zu prüfen und werden dazu entsprechende Feststellungen zu treffen sein. Dabei wird auch auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts Bedacht zu nehmen sein, es fehlten Feststellungen, die auf ein allfälliges Anerkenntnis der Kaufpreisforderung durch die beklagte Partei schließen ließen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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