Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 28.1.1952 geborene, als Sekretärin tätig gewesene Klägerin erlitt am 7.1.1992 durch einen Verkehrsunfall schwere Knochenbrüche im Bereich beider Beine. Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 29.10.1992 wurde der Klägerin eine befristete Berufsunfähigkeitspension vom 1.9.1992 bis 31.3.1994 zuerkannt. Mit Bescheid vom 10.11.1992 sprach die Beklagte aus, daß der Klägerin zu ihrer Pension ein Hilflosenzuschuß ab 1.9.1992 gebührt (damals S 2.887,-- monatlich). Am 2.2.1994 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension. Die Beklagte sprach darauf mit Bescheid vom 31.3.1994 aus, daß die befristet zuerkannte Berufsunfähigkeitspension ab 1.4.1994 unbefristet weiter gebührt. Mit Bescheid vom 24.11.1995 hat die Beklagte das Pflegegeld mit Ablauf des 31.12.1995 mit der Begründung entzogen, daß der seinerzeit festgestellte Pflegebedarf nicht mehr vorliege.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Weitergewährung des Pflegegeldes über den 31.12.1995 hinaus gerichtete Klagebegehren ab.
Es stellte folgenden weiteren Sachverhalt fest:
Im Anschluß an den Unfall erfolgte eine langwierige Behandlung der Klägerin mit vielen Krankenhausaufenthalten und Operationen. Sie befand sich zweimal zu Rehabilitationszwecken und einmal zum Wiederholungstraining in einem Rehabilitationszentrum. Derzeit ist sie mit Stockhilfe zwar etwas langsam und plump, aber durchaus sicher gehfähig; sie kann ohne wesentliche Beschwerden eine Gehstrecke von etwa 200 m bewältigen. Zwar wird das Beschwerdebild durch das höhergradige Übergewicht noch weiter aggraviert, doch kann die Klägerin ihre Behinderung durch die gute intellektuelle Leistungsfähigkeit zumindest im Bereich der Zubereitung von Mahlzeiten durch eine rationelle Gestaltung der Kochvorgänge kompensieren. Die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule sowie der migräniformen Kopfschmerzen sind einer physikotherapeutischen bzw medikamentösen Behandlung zugänglich. Die Klägerin benötigt Betreuung und Hilfe bei folgenden Verrichtungen: Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten; Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände; Pflege der Leib- und Bettwäsche. Die Klägerin verfügt über einen Badewannenlift zur selbständigen Vornahme der Ganzkörperreinigung und über eine entsprechende Sitzvorrichtung (Drehsessel) für die Zubereitung von Mahlzeiten. Zum Zeitpunkt der Erstbegutachtung war die Klägerin mit Stützkrücken beidseits schwer gehfähig und es bestand eine starke Bewegungseinschränkung im Bereich beider Knie- und Sprunggelenke. Nach einer Reihe von Operationen und Rehabilitationsmaßnahmen ist die Klägerin nunmehr wieder im geschilderten Ausmaß gehfähig. Insgesamt hat die Belastbarkeit beider Beine und damit die Mobilität deutlich zugenommen. Im Vergleich zum Gewährungsgutachten hat sich eine wesentliche Verbesserung der Beweglichkeit der Kniegelenke ergeben. Das An- und Ausziehen kann selbständig erfolgen, insbesondere wenn beim Anziehen von Strümpfen ein Sockenhalter verwendet wird. Die tägliche Körperpflege kann selbständig erfolgen. Beim Zubereiten einer Hauptmahlzeit wird bereits ein Stehhocker bzw Drehstuhl verwendet. Es besteht Streßharninkontinenz, die Vorlagen werden selbständig gewechselt. Eine Verschlechterung des Zustandes in letzter Zeit ist nicht eingetreten.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Klägerin benötige Hilfsverrichtungen im Sinne des § 2 EinstV im Umfang von insgesamt 30 Stunden im Monat. Selbst dann, wenn ihr im Gegensatz zu den Feststellungen das Anziehen von Strümpfen mittels eines Sockenhalters nicht zumutbar wäre, würde sich für den Fall einer Hilfestellung dabei durch eine Pflegeperson lediglich ein durchschnittlicher Pflegeaufwand von drei bis fünf Stunden pro Monat ergeben, woraus folge, daß die Grenze von 50 Stunden pro Monat, die § 4 BPGG ziehe, in keinem Fall überschritten wäre, sodaß die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld zumindest der Stufe 1 nicht gegeben sind. Ein Vergleich zwischen der seinerzeitigen Situation bei Gewährung des Pflegegeldes und der nunmehr bestehenden zeige eine wesentliche Verbesserung, weshalb die Entziehung des Pflegegeldes gemäß § 9 BPGG zu Recht erfolgt sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Nach den Feststellungen sei erwiesen, daß eine tatsächliche Änderung in den Verhältnissen gegenüber dem Zeitpunkt der Gewährung (des Hilflosenzuschusses) eingetreten sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist nicht berechtigt.
Personen, denen - wie der Klägerin - zum 30.6.1993 ein Hilflosenzuschuß rechtskräftig zuerkannt war, war nach § 38 Abs 1 BPGG von amtswegen mit Wirkung vom 1.7.1993 nach den Vorschriften dieses Bundesgesetzes ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 zu gewähren. Dabei bedurfte es aus Gründen der Verwaltungsentlastung und Raschheit grundsätzlich keiner Prüfung des konkreten Einzelfalles (EB RV-BPGG 776 BlgNR 18. GP, 31; Gruber/Pallinger, BPGG § 38 Rz 1; Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich 206 ua). Diesen Personen galt ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 als rechtskräftig zuerkannt. Die bisherigen pflegebezogenen Geldleistungen, also im Falle der Klägerin der Hilflosenzuschuß gemäß § 105a ASVG, galten nach § 39 Abs 1 BPGG mit 30.6.1993 als rechtskräftig eingestellt. Aus den zitierten Übergangsbestimmungen ergibt sich, daß den davon betroffenen Personen - zu denen auch die Klägerin zählt - ab 1.7.1993 anstelle des als rechtskräftig eingestellt geltenden Hilflosenzuschusses ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 als rechtskräftig zuerkannt galt. Obwohl für diese gesetzliche Überleitung kein Bescheid erforderlich war, sprach die Beklagte in der Folge mit Bescheid aus, daß der Klägerin ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 gebühre.
Ob ein rechtskräftig zuerkanntes Pflegegeld zu entziehen oder neu zu bemessen ist, richtet sich ausschließlich nach § 9 Abs 2 BPGG. Die Entziehung setzt den Wegfall einer Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld voraus, die Neubemessung den Eintritt einer für die Höhe des Pflegegeldes wesentlichen Veränderung (so auch Gruber/Pallinger aaO § 38 Rz 3; Pfeil, Bundespflegegeldgesetz 280 f). Eine Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld fällt insbesondere dann weg, wenn die bisher berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hat, wenn ihr keine Grundleistung mehr gebührt (§ 3 Abs 1 BPGG) oder ihr Pflegebedarf infolge einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse durchschnittlich nicht mehr als 50 Stunden monatlich beträgt (§ 4 Abs 1 und 2 BPGG).
Im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung des § 38 Abs 1 Satz 2 BPGG, nach dem ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 als rechtskräftig zuerkannt gilt, und den Umstand, daß das Pflegegeld in dieser Höhe von amtswegen mit Wirkung vom 1.7.1993 grundsätzlich ohne Prüfung des Einzelfalles gewährt wurde, ist davon auszugehen, daß damals aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung ein ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) im Sinne des § 4 Abs 1 BPGG von durchschnittlich mehr als 75 Stunden monatlich bestand. Eine solche Person ist so zu behandeln, als wenn ihr auf dieser Entscheidungsgrundlage mit Bescheid oder mit Urteil ab 1.7.1993 Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 zuerkannt worden wäre. Liegt der ständige Pflegebedarf in der Folge durchschnittlich nicht mehr über 50 Stunden monatlich, dann ist eine der zum 1.7.1993 fingierten Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes nachträglich weggefallen und das Pflegegeld nach § 9 Abs 2 BPGG zu entziehen (10 ObS 93/95 = SSV-NF 9/52).
Diese Voraussetzung trifft im vorliegenden Fall zu. Nach den rechtlich zu beurteilenden Feststellungen hat die Klägerin nur mehr einen ständigen Hilfsbedarf für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände sowie die Pflege der Leib- und Bettwäsche. Für jede dieser Hilfsverrichtungen ist ein - auf einen Monat bezogener - fixer Zeitwert von 10 Stunden anzunehmen, sodaß der ständige Hilfsbedarf 30 Stunden monatlich beträgt. Ihr Pflegebedarf ist daher unter die Anspruchsgrenze auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 gefallen. Deshalb hat die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Weiterleistung des Pflegegeldes.
Die von der Revisionswerberin vertretene Rechtsansicht, das Pflegegeld könnte ihr wegen Rechtskraft der Zuerkennung des Hilflosenzuschusses auf unbestimmte Zeit einerseits und durch die gesetzliche Überleitung in das Pflegegeld der Stufe 2 nur entzogen werden, wenn die Voraussetzungen für den seinerzeit gewährten Anspruch auf Hilflosenzuschuß nicht mehr vorhanden wären, findet, wie der Senat bereits ausgesprochen hat (SSV-NF 9/52), im Gesetz keine Stütze. Deshalb ist auch nicht wesentlich, ob die Klägerin seinerzeit die Voraussetzungen für die Gewährung des Hilflosenzuschusses nach § 105a ASVG erfüllt hätte, wenn das Gewährungsgutachten bereits auf die Einstufungsverordnung zum BPGG gestützt worden wäre. Daß die Änderung der Verhältnisse wesentlich ist, ergibt sich bereits daraus, daß nunmehr lediglich ein Pflegebedarf von 30 Stunden monatlich besteht, während, wie oben dargestellt, zunächst davon auszugehen war, daß dieser Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 75 Stunden monatlich ausmachte. Die Revision führt gegen die zitierte Entscheidung des Senates keine neuen Argumente ins Treffen.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an die unterlegene Klägerin aus Billigkeit liegen nicht vor (vgl die einen ganz ähnlichen Sachverhalt betreffende Entscheidung SSV-NF 9/52).
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