OGH 13Os165/96

OGH13Os165/9620.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, im Verfahren zur Unterbringung des Franz Hermann H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8.Mai 1996, GZ 1 a Vr 13200/95-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, und des Verteidigers Dr.Hüttler, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Franz Hermann H***** wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Dem Einweisungserkenntnis liegt zugrunde, daß H***** unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB) am 4. Dezember 1995 in Wien

1./ Violetta C***** mit Gewalt und durch gefährliche Bedrohung mit dem Tode, indem er sie mit der linken Hand erfaßte, für die Dauer von 20 Minuten festhielt, während er mit der rechten Hand gleichzeitig ein Jagdmesser gegen ihren Hals richtete, mehrfach äußerte, das Messer sei scharf geschliffen, und ihr damit auch oberflächliche Schnitte im Bereich der rechten Hand zufügte, zu Handlungen, nämlich zum Lesen eines von ihm verfaßten Briefes sowie zum Herbeirufen von Dr.Michaela V***** genötigt sowie

2./ durch die in Punkt 1./ beschriebene Tathandlung Violetta C***** widerrechtlich die persönliche Freiheit entzogen und somit Taten begangen hat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind und die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als (zu 1./) das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 1.Fall StGB und (zu 2./) das Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB zuzurechnen gewesen wären. Die Erwähnung im Urteil, daß der Betroffene anläßlich der zu 1. beschriebenen Tat auch eine - als Anlaßtat bei sonstiger Nichtigkeit (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 430 Nr 1 b) nicht ausreichende - (leichte) Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) begangen hat, ist nur illustrativ (ausdrücklich s. US 10).

Rechtliche Beurteilung

Der Betroffene bekämpft die Einweisung mit auf § 281 Abs 1 Z 5 a, 9 lit b und 11 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.

Entgegen der nur an einem Teil der Entscheidungstatsachen anknüpfenden Beschwerdeargumentation ist die rechtliche Annahme, daß der Betroffene die Nötigung auch durch Drohung mit dem Tode verübt hat, durch die Urteilsfeststellungen hinreichend gedeckt. Das Erstgericht sah nicht nur die Äußerung des Täters über den scharfen Schliff seines Messers als erwiesen an, sondern stellte darüber hinaus demonstrative körperliche Angriffe durch Erfassen des Halses der Violetta C*****, durch Ansetzung des Jagdmessers an ihrem Hals und durch Zufügung von Schnittverletzungen an zwei Fingern zwecks Unterstreichung der Ernsthaftigkeit des Vorganges fest. Aus objektiver Sicht vermittelte das konstatierte Täterverhalten somit den Eindruck, eine Messerattacke mit tödlicher Verletzung im Halsbereich und damit einen Angriff gegen das Leben des Opfers anzukündigen. Aus dem äußeren Erscheinungsbild des Geschehens leitete das Erstgericht hinsichtlich der subjektiven Tatseite einen Täterwillen zum Gebrauch einer Todesdrohung ab. Insoweit versagen sämtliche unter Hinweis auf Verfahrensergebnisse vorgetragene Beschwerdedarlegungen, wonach der damalige Eindruck der Bedrohten Violetta C***** nicht festgestellt sei, weil es für die Annahme einer nach § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB qualifizierten (schweren) Nötigung nicht erforderlich ist, daß beim Opfer Todesfurcht erweckt wurde. Maßgeblich ist vielmehr, ob das bedrohte Opfer den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei willens und in der Lage, die (hier durch Ansetzen eines Messers erfolgte) Todesdrohung auch zu verwirklichen. Schließlich hat es auch keinerlei Bedeutung für diese Subsumtionsfrage, inwieweit der Täter einer durch Todesdrohung verübten Nötigung seine Drohung realisieren will.

Ebensowenig zielführend ist die Anfechtung des Ausspruches, daß die Tat einem zurechnungsfähigen Täter auch als Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB zugerechnet worden wäre. Die Beurteilung als schwere Nötigung vermochte den gesamten Unrechtsgehalt des vorliegenden Tatverhaltens nicht abzugelten, weil die (hier: 20 Minuten dauernde) Freiheitsentziehung weit über die auch mit gesonderten Gewalt- und Drohhandlungen verübte schwere Nötigung hinausgereicht hat. Im Hinblick darauf hatte daher eine gesonderte Zurechnung und damit die Tatbeurteilung auch als Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB zu erfolgen (s auch Leukauf-Steininger Kommentar3 § 105 RN 41 und § 99 RN 28; Kienapfel BT I3 § 99 RN 39; EvBl 1994/147).

Mit dem Beschwerdevorbringen nach Z 5 a und 11 des § 281 Abs 1 StPO wird gegen die schöffengerichtliche Ansicht Stellung genommen, die künftige Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen durch den Betroffenen sei zu befürchten. Hiebei wirft der Beschwerdeführer keine Rechtsfrage auf, sondern wendet sich ausdrücklich gegen die Gefährlichkeitsprognose, die (15 Os 54/95) nur mit Berufung anfechtbar ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Erfolglos bleibt auch die Berufung.

Denn die (künftige) Gefährlichkeit des Betroffenen wurde, gestützt auf dessen Gesamtverhalten und das Sachverständigengutachten, zutreffend prognostiziert. Die Meinung des (bisher unbescholtenen) Berufungswerbers, daß dafür eine strafgerichtliche Vorbelastung nötig sei, geht schon angesichts der Zurechnungsunfähigkeit (und damit der fehlenden Möglichkeit einer Bestrafung) fehl. Die Forderung eines vorangehenden strafgerichtlichen Unterbringungsverfahrens wiederum würde von vornherein jeden (ersten) Antrag gemäß § 429 Abs 1 StPO unmöglich machen. Mangels Verhängung einer Strafsanktion sind auch diesbezügliche Erwägungen entbehrlich.

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