OGH 4Ob2302/96z

OGH4Ob2302/96z12.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf Dr.Gamerith als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Birgit S*****, vertreten durch Dr.Peter Schmidgruber und Dr.Filip Sternberg, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Sigrid L*****, vertreten durch Dr.Willibald Rath und Dr.Manfred Rath, Rechtsanwälte in Graz, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 26.Juni 1996, GZ 3 R 112/96d-85, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat den Wert der von der Beklagten erbrachten Eigenleistungen (Reinigung, Beheizung, Bettwäsche) und des von ihr zur Verfügung gestellten Inventars berücksichtigt. Es hat das für die Benutzung des Inventars angemessene Entgelt aufgrund des vom Sachverständigen ermittelten konkreten Wiederbeschaffungswertes im Zeitpunkt der Untervermietung und der voraussichtlichen Nutzungsdauer nach § 273 Abs 1 ZPO ermittelt. Ein Ermessensfehler liegt somit nicht vor.

Bei der Beurteilung der Frage der (Un-)verhältnismäßigkeit der Gegenleistung im Sinn des § 30 Abs 2 Z 4 MRG ist der Untermietzins den auf die untervermieteten Räume entfallenden Leistungen des Hauptmieters an den Hauseigentümer und dem Wert der übrigen vom Hauptmieter an den Untermieter erbrachten Leistungen gegenüberzustellen (Miet 42.324 mwN; RdW 1989, 99; zuletzt 4 Ob 1511/96).

Ob eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung vorliegt, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalles nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen (Würth in Rummel ABGB2 Rz 28 zu § 30 MRG). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Aufkündigung (Würth aaO Rz 28; Miet 39.438 = JBl 1987, 447; Miet 42.324).

Der Oberste Gerichtshof hat Überschreitungen des Hauptmietzinses um 65 % (Miet 25.313; Miet XLI/30) und 73 % (Miet 27.380, zuletzt 4 Ob 1511/96) als nicht überhöht, eine an 100 % heranreichende Überschreitung jedoch als überhöht beurteilt (ImmZ 1979, 119; vgl Miet 23.386 ff, 42.324).

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die für den Zeitpunkt der Aufkündigung errechnete Überschreitung von 84 % sei im Sinn des § 30 Abs 2 Z 4 MRG überhöht sei, steht auch mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach dieser Kündigungsgrund eine "an 100 % heranreichende" Überschreitung voraussetze (ImmZ 1979, 119), nicht in Widerspruch, ist doch eine Überschreitung von 84 % gravierend höher als eine solche von 60 bis 70 %. Soweit Berufungsgerichte Überschreitungen von etwa 90 % als zulässig erachtet haben (zB LG für ZRS Graz Miet 42.325 und LG für ZRS Wien Miet 27.381), handelte es sich um Fälle, in denen - anders als hier - die überlassenen Einrichtungsgegenstände nicht bereits bei der Berechnung der Überschreitung berücksichtigt wurden, und besondere Umstände des Einzelfalles dagegen sprachen, daß der Hauptmieter das Objekt im Sinn der zitierten Bestimmung durch Untervermietung "verwerten" wollte. Derartige besondere Umstände liegen im gegenständlichen Fall jedoch nicht vor, zumal die Beklagte nur zwei von insgesamt sieben Räumen selbst benutzt und die übrigen Räumlichkeiten seit Jahrzehnten untervermietet hatte. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht daher mit der bisherigen Rechtsprechung im Einklang, eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt daher nicht vor.

Es kommt auch nicht darauf an, ob die zur Vermietung zur Verfügung stehenden fünf Zimmer tatsächlich ständig vermietet waren. Für das Vorliegen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Aufkündigung abzustellen (JBl 1987, 447; Miet 42.324; Würth aaO Rz 28). Lediglich bei kurzfristiger Vermietung müßte das bezogene Entgelt auf einen längeren Zeitraum verteilt werden (Würth aaO Rz 28). Den Beweis, daß nur und gerade im Zeitpunkt der Kündigung fünf Untermieter vorhanden waren, davor bzw danach jedoch nur drei oder vier, hat die Beklagte jedoch nicht erbracht.

Der Verzicht auf einen Kündigungsgrund hat zur Voraussetzung, daß Umstände vorliegen, aus denen kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, daß der Vermieter den ihm bekannten Sachverhalt nicht als Kündigungsgrund geltend machen wolle (§ 863 ABGB, vgl WoBl 1993, 105). Ein Verzicht könnte daher nur dann angenommen werden, wenn der Vermieter trotz Kenntnis des rechtsbegründenden Sachverhalts die Kündigung während längerer Zeit unterläßt (vgl 4 Ob 520/95). Wenngleich dem früheren Hauseigentümer die Tatsache der Untervermietung bekannt war und er diese als solche nicht beanstandet hat, liegt ein Verzicht auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 4 MRG schon deshalb nicht vor, weil ihm ein wesentliches Kündigungserfordernis, nämlich die Höhe der von der Beklagten eingenommenen Untermietzinse bisher nicht bekannt war. Seine allenfalls konkludent erteilte Zustimmung zur Untervermietung deckt daher nicht auch die Zustimmung zu überhöhten Mietzinsen (vgl Würth aaO Rz 22; Miet 30.387; JBl 1987, 447; WoBl 1992, 18).

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