Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die
einstweilige Verfügung
des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten seiner "Rechtsmittel"(Rekurs-)beantwortung und seines Revisionsrekurses vorläufig, die Beklagten haben die Kosten ihres Rekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
An der im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragenen Dr.F***** Gesellschaft mbH haben der Kläger und die Zweitbeklagte einen Geschäftsanteil von je 25 %, der Erstbeklagte einen solchen von 50 %. Der Erstbeklagte ist Geschäftsführer der Gesellschaft. Diese betrieb seit 1987 einen Restaurantbetrieb, seit 1.3.1994 ist das Unternehmen zu einem Pachtzins von 35.000 S monatlich verpachtet.
Mit der am 28.1.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Abberufung des Erstbeklagten als Geschäftsführers der Gesellschaft mbH und die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung der Zweitbeklagten zur Abberufung. Er verband die Klage mit einem auf die (vorläufige) Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Erstbeklagten gerichteten Sicherungsantrag. Die Klage und der Sicherungsantrag wurden im wesentlichen darauf gestützt, daß der Erstbeklagte keinerlei Unterlagen über die "Losungsermittlung" zur Verfügung gestellt und keine Auskünfte erteilt habe. Der Erstbeklagte habe wesentliche Umsätze nicht deklariert und dies in der Buchhaltung verschleiert. Er habe der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern dadurch Schaden zugefügt, daß er das Unternehmen zu äußerst ungünstigen Pachtbedingungen (zu niedriger Pachtzins; langjähriger Kündigungsverzicht) verpachtet habe. Dieser Sicherungsantrag wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 1.2.1993 rechtskräftig abgewiesen (ON 3).
Mit Urteil vom 10.8.1995 berief das Erstgericht den Erstbeklagten als Geschäftsführer der Gesellschaft mbH ab, verurteilte die Zweitbeklagte, der Abberufung zuzustimmen und wies das Mehrbegehren (auf Feststellung der Haftung der Beklagten für gesellschaftsschädigendes Verhalten) ab (ON 48).
Erst nach Zustellung dieses Urteils beantragte der Kläger am 4.10.1995 neuerlich eine einstweilige Verfügung. Dem Erstbeklagten möge bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits die Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung der GmbH entzogen und verboten werden. Dieser Sicherungsantrag wurde neuerlich mit dem Abschluß eines ungünstigen Pachtvertrages sowie damit begründet, der Erstbeklagte habe durch Mißbrauch seiner Geschäftsführungsbefugnisse der Gesellschaft zumindest 14 Mill S an liquiden Mitteln entzogen und für eigene Zwecke verwendet (ON 52). Der Erstbeklagte äußerte sich zum Sicherungsantrag nicht fristgerecht.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm durch Verweisung auf seine Urteilsfeststellungen (S 7 ff in ON 48) einen Sachverhalt als bescheinigt an, von dem folgende Feststellungen hervorzuheben sind:
Der Kläger und der Erstbeklagte seien übereingekommen, daß der Kläger für die Gesellschaft mbH den Restaurantbetrieb dadurch hätte führen sollen, daß er Wareneinkäufe tätigen, das Personal aufnehmen, für die Bedienung der Kunden im Restaurant sorgen und teilweise Barzahlungen aus den von ihm für die Gesellschaft entgegengenommenen Erlösen hätte leisten sollen. Der Kläger hätte aus den Erlösen ferner sein Gehalt und gegebenenfalls die Prämie für den Koch entnehmen und den Restbetrag regelmäßig dem Erstbeklagten übergeben sollen. Dieser hätte die Grundaufzeichnungen ordnen und an den Steuerberater weiterleiten, die Finanzierung besorgen, teilweise die Bezahlung von Rechnungen erledigen und den Restbetrag auf ein Konto der Gesellschaft einzahlen sollen. Der Erstbeklagte habe im Mai 1988 von der Losung von 604.088 S und im September 1988 von der Losung von 520.904 S 202.839 S und 212.208 S für sich behalten. Dem Steuerberater habe der Erstbeklagte derart veränderte Grundaufzeichnungen übergeben, daß die Buchhaltung für die genannten Monate nur eine Losung von 401.249 S bzw 308.696 S ausgewiesen hätte. Nur diese Beträge seien der Bemessung der Steuerpflicht der Gesellschaft zugrundegelegt worden. Der vom Handelsgericht Wien gemäß § 45 GmbHG bestellte Sonderprüfer sei zum Schluß gelangt, daß (gemeint: vom Erstbeklagten) erhebliche Kürzungen der in der Buchhaltung ausgewiesenen Umsätze gegenüber den sich aus den Grundaufzeichnungen ergebenden Losungen festgestellt werden könnten. Es könne nicht festgestellt werden, welcher Pachtzins für das Gastronomieunternehmen im Februar 1994 erzielbar gewesen wäre.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß gemäß § 56 Abs 2 EO eine Zustimmung der Beklagten zum Sicherungsantrag mangels Äußerung in der gestellten Frist anzunehmen sei. Das Gericht habe aber die gesetzlichen Voraussetzungen für die Stattgebung des Antrages zu überprüfen. Hinsichtlich des ersten (abgewiesenen) Sicherungsantrages liege keine Identität des geltend gemachten Sachverhalts vor. Es sei auch von einer geänderten Bescheinigungslage gegenüber dem ursprünglichen Antrag auszugehen. Behauptungen über einen drohenden unwiederbringlichen Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO lägen vor.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Es vertrat die Auffassung, daß es dahingestellt bleiben könne, ob von der Zustimmungsfiktion des § 56 Abs 2 EO ausgegangen werden dürfe. Jedenfalls seien zwingende Verfahrensgrundsätze wie hier das Erfordernis der Gefährdungsbescheinigung im Sinne des § 381 EO zu prüfen. Nach dem Vorbringen des Klägers könnte ein unwiederbringlicher Schaden im Sinne des § 381 Z 2 zweiter Fall EO darin liegen, daß neben den bereits entzogenen Geldmitteln noch ein weiterer finanzieller Schaden entstehen könnte. Ein Schaden sei aber nur dann unwiederbringlich, wenn ein Nachteil am Vermögen eingetreten und die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich sei und Geldersatz entweder nicht geleistet werden könne oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat sei. Eine schwere Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen im Falle des Weiterverbleibes des Erstbeklagten als Geschäftsführer sei nicht bescheinigt worden. Dieser sei grundsätzlich in seiner Funktion zu belassen. Eine unmögliche oder nur erschwerte Einbringlichmachung der der Gesellschaft angeblich entzogenen Geldmittel beim Erstbeklagten sei nicht einmal behauptet worden. Vermögensschäden könnten grundsätzlich in angemessener Weise durch Geldersatz abgegolten werden. Daß dies hier nicht der Fall sei, sei nicht behauptet worden.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.0000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Der Kläger beantragt mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs die Abänderung dahin, daß dem Sicherungsantrag stattgegeben werde.
Mit der ihnen freigestellten Revisionsrekursbeantwortung beantragen die Beklagten die Zurückweisung des Revisionsrekurses, hilfsweise wird beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Die Revisionsrekursbeantwortung ist als verspätet zurückzuweisen, weil sie erst nach Ablauf der vierzehntägigen Frist des § 402 Abs 3 EO eingebracht wurde.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Umfang der Behauptungslast der gefährdeten Partei über die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens im Sinne des § 381 Z 2 EO ist die höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht ganz einheitlich.
Zur Klage auf Abberufung eines Gesellschaftergeschäftsführers aus wichtigem Grund ist auch ein Minderheitsgesellschafter berechtigt. Ein der Abberufung nicht zustimmender weiterer Gesellschafter kann auf Zustimmung geklagt werden. Beide Ansprüche können mit einstweiliger Verfügung gesichert werden (SZ 64/103). Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung setzt nach § 381 Z 2 EO die Behauptung und Bescheinigung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens voraus. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn eine Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist und Schadenersatz nicht geleistet werden kann oder Geldersatz dem verursachten Schaden nicht völlig adäquat ist (stRsp: SZ 64/153 uva). Eine Unfähigkeit des Erstbeklagten zur Leistung von Schadenersatz wurde ebensowenig ausdrücklich behauptet wie eine mangelnde Adäquanz. Wegen Verletzung der Behauptungslast hat das Rekursgericht den Sicherungsantrag abgewiesen. Seine Meinung kann ua auf die in SZ 64/153 veröffentlichte Entscheidung gestützt werden. Danach stelle nicht jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens eine Anspruchsgefährdung im Sinne der zitierten Gesetzesstelle dar. Es bedürfe der Bescheinigung einer konkreten Gefahr. Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das Vorliegen konkreter Umstände liege ausschließlich bei der gefährdeten Partei. Decke sich der Inhalt der angestrebten einstweiligen Verfügung mit dem Urteilsbegehren, würde mit der einstweiligen Verfügung der endgültigen Entscheidung vorgegriffen werden, sie könne nur nach Maßgabe des § 381 Z 2 EO erlassen werden. Die Voraussetzungen seien im Hinblick darauf, daß der Prozeßerfolg aufgrund eines bloß bescheinigten Sachverhaltes vorweggenommen werden solle, streng auszulegen. Die Voraussetzungen müßten von der gefährdeten Partei konkret behauptet und bescheinigt werden. Im zu entscheidenden Fall hätten die Kläger zur drohenden Gefahr lediglich vorgebracht, der Beklagte werde, wenn er weiterhin vertretungs- und geschäftsführungsbefugter Gesellschafter bleibe, Handlungen setzen, durch die die Gesellschaft geschädigt werde. Es bestehe die Gefahr, daß durch die teilweise selbstzerstörerischen Handlungen des Beklagten auch die persönliche Haftung der Kläger vergrößert werde. Mit diesem Vorbringen sei lediglich ein drohender Vermögensschaden behauptet worden. Daß dieser nicht wieder gutgemacht werden könnte, sei nicht vorgebracht worden. Hiefür fehlte es an Anhaltspunkten.
In einer anderen jüngeren Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (veröffentlicht in SZ 64/175) wurde jedoch eine andere Ansicht zum Umfang der Behauptungslast vertreten. Der Entscheidung lag ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde, wie er hier zu beurteilen ist. Unter Zitierung der schon angeführten Grundsätze zum Bescheinigungserfordernis nach § 381 Z 2 EO hielt der Oberste Gerichtshof die Behauptung der gefährdeten Partei über eine beträchtliche Anzahl schwerer, mit gerichtlicher Strafe bedrohter und auch bereits zur Anzeige gebrachter Verstöße des Geschäftsführers gegen die mit seiner Organstellung als Geschäftsführer der gemeinsamen Gesellschaft mbH verbundene Treuepflicht (behauptet wurden Überweisungen von Gesellschaftsgeldern auf das Privatkonto des Geschäftsführers) und die daraus abgeleitete Unzumutbarkeit des Verbleibens des Antragsgegners in der Geschäftsführerstellung für ausreichend. Dieser sogar für die sicherungsweise Abberufung eines Geschäftsführers, der Mehrheitsgesellschafter war, vertretenen Ansicht ist nach Meinung des erkennenden Senates jedenfalls dann der Vorzug zu geben, wenn nach den Umständen des Einzelfalls aus der Schwere der Verstöße des Geschäftsführers die Gefahr eines für die Gesellschaft unwiederbringlichen Schadens unschwer abzuleiten ist. Dies ist hier der Fall. Zweifellos wird nicht schon jede kleinere (bescheinigte) strafrechtlich relevante Verfehlung des Geschäftsführers ausreichen, eine schwere Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen (der Vermögenslage oder des Kredits) der Gesellschaft mbH anzunehmen. Für die Frage der Behauptungslast ist hier aber entscheidend, daß der Kläger Veruntreuungen in exorbitanter Höhe (14 Mill S) behauptete und sich dabei auf entsprechende Schätzungen des im Hauptprozeß bestellten Sachverständigen stützen konnte. Daß Veruntreuungen in der genannten Höhe geeignet wären, die wirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft schwerstens zu erschüttern, liegt auf der Hand. Es wäre eine Überspannung der Behauptungslast, wenn man vom Antragsteller noch weitergehende Behauptungen zur Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens verlangte. Im vorliegenden Fall hat der Erstbeklagte nach den Feststellungen des Erstgerichtes zwar nur in zwei Fällen Veruntreuungen begangen, diese machten aber jeweils einen erheblichen Anteil am Monatsumsatz (der Monatslosung) aus. Das Erstgericht ging im Rahmen seiner Beweiswürdigung (auch hier verwies es auf seine Ausführungen im Urteil ON 48) erkennbar davon aus, daß es sich um keine Einzelfälle gehandelt und daß der Erstbeklagte die Straftaten durch mangelnde Buchführung zu verschleiern getrachtet habe. Bei diesem Sachverhalt ist aus den zu billigenden, in SZ 64/175 dargelegten Gründen die Gefahrenbescheinigung im Sinne des § 381 Z 2 EO als erbracht anzusehen. Die beantragte einstweilige Verfügung ist daher zu erlassen.
Abschließend ist noch zu bemerken, daß der Sicherungsantrag nicht etwa schon deshalb berechtigt wäre, weil sich der Erstbeklagte dazu nicht fristgerecht geäußert hat. Zutreffend hat das Rekursgericht auf den Umstand verwiesen, daß die fiktive Zustimmung des Antragsgegners gemäß § 56 Abs 2 und 3 EO das Gericht nicht enthob, die zwingend erforderliche Prüfung der Voraussetzungen nach § 381 Z 2 EO vorzunehmen. Vor allem aber stand der Zustimmungsfiktion das gesamte Bestreitungsvorbringen des Erstbeklagten entgegen (EvBl 1990/104).
Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist nicht aus dem Grund unzulässig, daß bereits ein Sicherungsantrag des Klägers rechtskräftig abgewiesen wurde. Dem ersten Sicherungsantrag lag neben der auch im zweiten Sicherungsantrag behaupteten Ungünstigkeit des vom Erstbeklagten abgeschlossenen Pachtvertrages kein weiterer identer Sachverhalt zugrunde. Im ersten Antrag wurde zunächst nur ganz allgemein ein steuerrechtlich relevanter Sachverhalt behauptet, während im zweiten Sicherungsantrag ziffernmäßig konkretisierte Veruntreuungshandlungen geltend gemacht wurden. Das Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache liegt daher nicht vor.
Der Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO, der Ausspruch über die Kosten der Beklagten auf den §§ 402 und 78 EO sowie den §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)