OGH 11Os161/96 (11Os162/96)

OGH11Os161/96 (11Os162/96)5.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Riedler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Driton A***** und einen anderen wegen des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs 1 SGG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Milaim O***** und die Berufung des Angeklagten Driton A***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 25. Juli 1996, GZ 33 Vr 710/96-51, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Milaim O***** gegen den (Widerrufs-)Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 StPO vom selben Tag in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Driton A***** und Milaim O***** und die Beschwerde des Angeklagten O***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Dem Angeklagten O***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Driton A***** und Milaim O***** des versuchten Verbrechens nach § 15 StGB, § 12 Abs 1 SGG (1), Milaim O***** überdies des Vergehens nach § 16 Abs 1 vierter und fünfter Fall SGG (2) schuldig erkannt.

Nach dem von der Anfechtung betroffenen Teil des Schuldspruchs haben (zu 1) Driton A***** und Milaim O***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 9. und 11.März 1996 in Salzburg und Golling Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr zu setzen versucht, indem sie an einen verdeckten Fahnder des Bundesministeriums für Inneres, Generaldirektion für öffentliche Sicherheit, ein halbes Gramm und 288 Gramm Cocain (113 Gramm Cocainbase - 225) übergaben.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten O*****, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 25.Juli 1996 gestellten Beweisanträge auf Beischaffung des Cocainsäckchens und Ladung eines informierten Vertreters der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Salzburg, Gruppe für Beweissicherung, zum Beweis dafür, "daß am sichergestellten Cocainsäckchen verwertbare Fingerabdrücke vorgelegen sind, und daß Fingerabdrücke des Beschuldigten O***** nicht vorhanden waren, zum Beweis dafür, daß der Beschuldigte O***** das Säckchen nie in Händen hatte und auch nie an A***** übergeben hat" (217), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

Zutreffend hat das Erstgericht in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis (217) dargelegt, daß sowohl nach dem Bericht der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Salzburg vom 19. April 1996 (ON 36) als auch nach den - diesen ergänzenden und erläuternden - Angaben des (mit der Sicherstellung und Übermittlung des Cocain enthaltenden Beutels an die Gerichtsmedizin befaßten) Zeugen Bezirksinspektor W***** in der Hauptverhandlung vom 25.Juli 1996 (211 ff) bei Besichtigung des Säckchens unter Licht und Zuhilfenahme einer Lupe keinerlei verwertbaren Spuren feststellbar waren, sodaß eine zusätzliche weitere Untersuchung auf Fingerprints entbehrlich war. Dahingestellt bleiben kann bei dieser Sachlage, auf welche Umstände tatsächlicher Natur (zerknittertes Material, Angreifen des Säckchens durch mehrere Personen) das Nichtvorhandensein verwertbarer Spuren zurückzuführen ist. Berücksichtigt man weiters, daß dieses Beweismittel nach der Inaugenscheinnahme durch die Sicherheitsbehörde zuerst an das Institut für gerichtliche Medizin und dann an die Verwahrungsstelle weitergeleitet worden ist, somit noch durch die Hände mehrerer Personen ging, so hätte es der Angabe konkreter Gründe bedurft, aus denen erwartet werden kann, daß die Durchführung des beantragten Beweises tatsächlich das behauptete Ergebnis haben werde.

Fehl geht auch die Mängelrüge (Z 5), soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, daß der "Zweitangeklagte sich beim Erstangeklagten erkundigt hatte, ob er mögliche Suchtgiftkäufer kenne und diesem als Probe ein halbes Gramm Cocain überlassen hätte" (US 3), weil die gerügte Urteilsannahme keine für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes relevante Tatsache betrifft.

Gleiches gilt für die (auch) unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels - unter teilweiser Wiederholung der Argumentation zur Verfahrensrüge - angestellten Erwägungen über die Ursache des Nichtvorhandenseins von Fingerabdrücken auf dem sichergestellten Plastiksäckchen.

Mit dem weiteren Vorbringen, das Erstgericht habe sich nicht mit den Ergebnissen der Auswertung der (zwischen A***** und O*****) über die "Handys" geführten Telefonate auseinandergesetzt, übergeht die Beschwerde einerseits die diesbezüglichen umfänglichen Ausführungen im Urteil (US 5, 6 und 8), zum andern verkennt sie, daß es im Sinn des Gebotes einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht erforderlich ist, im Urteil zu allen Vorbringen und Aussagen Stellung zu nehmen und alle Umstände einer Erörterung zu unterziehen, die durch das Beweisverfahren hervorgekommen sind. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof in den Entscheidungsgründen in gedrängter Form die entscheidenden (also für die Schuld und den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden) Tatsachen bezeichnet, die er als erwiesen annimmt und die - mit den Denkgesetzen im Einklang stehenden - Gründe anführt, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme geführt haben (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 5 f, 142).

Diesen Erfordernissen hat das Schöffengericht entsprochen, wobei es ohnedies sowohl auf die Ergebnisse des Berichtes über die Ermittlungstätigkeit des verdeckten Fahnders Bedacht genommen hat als auch auf den Zeitpunkt der ersten Kontaktnahme zwischen dem Erst- und dem Zweitangeklagten (US 7). Daß aber aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen - wie vom Beschwerdeführer behauptet - auch andere als die von den Tatrichtern abgeleiteten, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen möglich gewesen wären und das Gericht sich dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, ist ein Akt richterlicher Beweiswürdigung, der einen Begründungsmangel nicht zu bewirken vermag (Mayerhofer/Rieder aaO § 258 E 21, 22, 24).

Mit dem Einwand schließlich, daß sich schon aus der Schilderung des Mittäters A***** über lediglich ein Zusammentreffen mit dem Erstangeklagten vor dem 22.Februar 1996 (dem Zeitpunkt des Beginns der telefonischen Kommunikation der beiden Angeklagten mittels der jeweils von ihnen verwendeten "Handys") ergebe, daß die "Vorbereitungen zum hier abgewickelten Suchtgiftgeschäft keinesfalls den Zweitangeklagten" betreffen konnten, bekämpft die Beschwerde bloß unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz nach Art einer Schuldberufung.

Soweit ein Verstoß des verdeckten Vermittlers gegen § 25 StPO behauptet und daraus resultierend ein "Verwertungsverbot" abgeleitet wird, wird der Nichtigkeitsgrund mangels näherer Substantiierung des bezüglichen Vorbringens, daß sich das Urteil in seiner Begründung auf die Verwertung "dieses Beweismaterials, welches selbst erst durch einen massiven kriminellen Akt entstehen konnte", stütze und daher unzureichend begründet sei, indem auf "dieses absolut unzulässige Beweismittel bzw Beweisergebnis überhaupt Bedacht genommen wurde", nicht in einer sachbezogenen Erörterung zugänglichen Weise geltend gemacht.

Letztlich erweist sich auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zur Gänze als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Die Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes hat von dem im Urteil festgestellten Sachverhalt auszugehen, diesen mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen und den Nachweis zu erbringen, daß das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhaltes einem Rechtsirrtum unterlegen ist.

Die einen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund geltend machende Nichtigkeitsbeschwerde ist daher nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn sie in einem Urteil festgestellte Tatsachen bestreitet, wenn sie sich auf eine Tatsache stützt, die im Urteil nicht festgestellt ist oder wenn sie einen Umstand übergeht, der im angefochtenen Urteil festgestellt ist (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 E 30).

Dies unternimmt die Beschwerde, indem sie unter dem Prätext, "sekundäre" Feststellungsmängel zu relevieren, versucht, anstelle der Konstatierungen im angefochtenen Urteils, andere, dem Angeklagten genehmere zu setzen.

Abgesehen davon, daß sich die gewünschten Prämissen (Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme zwischen dem verdeckten Ermittler und dem Erstangeklagten, Zeitdauer zwischen dem Kontakt und dem hier abgehandelten Suchtgiftgeschäft, Anzahl der zwischen dem Erst- und Zweitangeklagten geführten Telefongespräche) ohnedies aus den Urteilsfeststellungen (US 3 und 4) ergeben, stellt die Beschwerde unter Hinweis auf einzelne, durch Herausreißen aus dem Zusammenhang in ihrem Aussageinhalt veränderte Beweisergebnisse auf verfahrensfremder Grundlage Spekulationen über den Tathergang an. Damit orientiert sie sich aber - in Wahrheit unter neuerlichem Aufrollen der Tatfrage - nicht am gesamten Urteilssachverhalt und gelangt somit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Nur der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß nach ständiger Judikatur auch eine dem Verbot des § 25 StPO zuwiderlaufende (fallbezogen nicht vorliegende) Verleitung des Angeklagten durch den verdeckten Fahnder zur Unternehmung der Straftat an der Beurteilung der Tathandlung als tauglicher (strafbarer) Versuch des Delikts nach § 12 Abs 1 SGG nichts ändern würde, weil ein Verstoß gegen die erwähnte Verfahrensbestimmung weder mangelnde Versuchstauglichkeit noch andere materiellrechtliche Folgen - etwa die Verneinung der Ausführungsnähe - nach sich gezogen hätte (11 Os 9/89).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen und die Beschwerde wird demgemäß der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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