OGH 6Ob2176/96k

OGH6Ob2176/96k24.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Liselotte G*****, vertreten durch Dr.Alexander Puttinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei Wolfgang F*****, vertreten durch Dr.Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wegen 1,764.572,80 S, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8.Mai 1996, GZ 1 R 73/96b-66, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Für die vorliegende Pflichtteilsergänzungsklage ist der Verkehrswert einer dem Beklagten von der im Juli 1992 verstorbenen Erblasserin mit Übergabsvertrag vom 4.12.1984 geschenkten Liegenschaft (mit einem seit 1840 bestehenden Gasthof) und eines Drittelanteils an einer weiteren Liegenschaft entscheidungswesentlich. Das Erstgericht holte ein Schätzungsgutachten (ON 40) ein, das mehrfach ergänzt wurde (zu ON 48 und 53). Bei der zweiten Ergänzung ging der Sachverständige auch auf eine Frageliste des Beklagten (ON 51) ein. Er stellte sowohl die Bodenwerte, die Gebäudewerte (Bauwerte) und die Verkehrswerte zu den Stichtagen Juli 1992 und Dezember 1984 fest. Entsprechend dem Sachverständigengutachten wurde der Verkehrswert der Gasthofsliegenschaft mit der Summe aus dem Bodenwert und dem arithmetischen Mittel zwischen Gebäudewert und Ertragswert festgestellt (vgl Gutachten S.53 in ON 40; Feststellungen des Erstgerichtes S.8 f in ON 58).

Das Berufungsgericht hat die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für unbedenklich erachtet und das Vorliegen von (gerügten) Verfahrensmängeln verneint.

Mit der außerordentlichen Revision releviert der Beklagte im wesentlichen die mit der Berufung ON 61 geltend gemachten Berufungsgründe neuerlich; Hauptvorwurf ist, daß der Sachverständige bei seiner Verkehrswertermittlung die Regeln des Liegenschaftsbewertungsgesetzes (BGBl 1992/150) verletzt hätte (Anwendung falscher Bewertungsmethoden; Nichtanführung der Vergleichsobjekte bei der Vergleichswertmethode nach § 4 leg cit; Nichtanführung aller wertbestimmenden Umstände; unrichtiger Prozentabzug aus dem Grund des Denkmalschutzes; unzulässige Mittelung zwischen Ertrags- und Gebäudewert).

Rechtliche Beurteilung

Feststellungen über den Wert einer Sache aufgrund eines SV-Gutachtens beruhen zunächst auf einem Akt der Beweiswürdigung des Gerichtes des Beweismittels des Sachverständigenbeweises. Die Unschlüssigkeit, Widersprüchlichkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens ist mit Beweisrüge zu bekämpfen (Rechberger in Rechberger ZPO Rz 8 zu § 362). Soferne die Unvollständigkeit des Gutachtens auf Verfahrensfehlern beruht, liegt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor. Die dem Sachverständigen zwingend vorgegebene Wertermittlung nach den Grundsätzen des LBG betrifft das Beweisverfahren, Verletzungen sind also grundsätzlich Verfahrensmängel. Wenn ein Sachverständigengutachten in formeller Hinsicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, kann die Zulänglichkeit der Grundlagen des Sachverständigengutachtens im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden (stRspr schon seit GlUNF 6236; EvBl 1956/258 uva).

Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz. Er überprüft nicht die Beweisfrage und ist in ständiger Rechtsprechung an die Verneinung erstinstanzlicher Verfahrensmängel durch das Gericht zweiter Instanz gebunden (Kodek in Rechberger ZPO Rz 3 zu § 503; SZ 62/157; RZ 1992/57). Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht die Mängelrüge in der Berufung durchaus eingehend behandelt und danach eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens verneint (es nahm insbesondere die Zulässigkeit der Pauschalbeantwortung der Fragen des Beklagten durch den Sachverständigen an). Es liegt nicht der Fall vor, daß das Gericht zweiter Instanz ausschließlich und irrigerweise angenommen hätte, die Mängelrüge sei nicht gesetzmäßig ausgeführt (in diesem Fall läge eine revisible Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor: RZ 1979/8).

Die Ermittlung des Verkehrswertes gehört dem Tatsachenbereich an. Die Wahl der Ermittlungsmethode, also das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren oder das Sachwertverfahren oder schließlich eine Kombination mehrerer Verfahren hat nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Die Wahl der Methode wäre nur dann vom Obersten Gerichtshof überprüfbar, wenn das Gericht zweiter Instanz von der vom Sachverständigen gewählten Methode abgewichen und zu anderen Ergebnissen gelangt wäre als das dem Sachverständigen folgende Erstgericht. Die Verkehrswertermittlung ist nur dann einer Überprüfung im Rahmen der Rechtsrüge zugänglich, wenn sie auf Schlußfolgerungen beruhte, die mit den Gesetzen der Logik oder Erfahrung unvereinbar wären (SZ 60/269; 4 Ob 524, 525/95). Da das Berufungsgericht hier an den vom Sachverständigen angewandten Ermittlungsmethoden festhielt (eine Kombination der einzelnen Methoden aus Gründen des Einzelfalls wird in der RV zum LBG, RV 333 BlgNR 18.GP zu § 3, ausdrücklich für zulässig erklärt), ist eine Anfechtung des Ergebnisses des Gutachtens im Revisionsverfahren nur aus dem Grund des Vorliegens eines Widerspruchs mit der Logik oder den allgemeinen Denkgesetzen, ganz allgemein also mit einem Widerspruch gegen notorische Tatsachen, möglich. Einen solchen Widerspruch zeigt der Revisionswerber aber nicht auf, weil in Wahrheit nur die vom Sachverständigen aufgrund seiner Berufserfahrung angewandten Erfahrungssätze in Zweifel gezogen werden. Der Sachverständigenbeweis dient aber gerade der Vermittlung solcher dem Gericht nicht bekannter Erfahrungssätze, die das Gericht nur im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu überprüfen hat. Wenn die Vorinstanzen - wie hier - an der Richtigkeit der Erfahrungssätze des Sachverständigen keine Zweifel hatten, für die Überprüfung ein zweites Gutachten nicht für erforderlich hielten und dem gefundenen Ergebnis nicht schon die Logik und allgemeine Denkgesetze entgegenstehen, gehören die Grundlagen des Gutachtens zum nicht revisiblen Tatsachenbereich.

Nach den dargelegten Grundsätzen ist lediglich der in der Revision aufgezeigte Rechenfehler des Sachverständigen (S.30 des Gutachtens ON 40), der Einfluß auf die Feststellung des Verkehrswertes hatte, beachtlich. Der Sachverständige hatte eine Steigerung des Wertes (von Vergleichsgrundstücken) von 700 auf 1300 S als eine Steigerung von 46,15 % angesehen und diesen Prozentsatz der Ermittlung des Bodenwertes der Parzelle Nr 145/1 zugrundegelegt und diesen Wert mit 63.000 S festgestellt. Richtigerweise macht die angeführte Steigerung aber 85,7 % aus, woraus sich ein höherer Bodenwert von rund 80.000 S für den Drittelanteil des Beklagten errechnet. Durch diesen Rechenfehler (der überdies nur einen geradezu vernachlässigungswerten Bruchteil des Gesamtwertes der Liegenschaften darstellt) kann sich der Beklagte aber nicht beschwert erachten, weil sich für den Standpunkt des Revisionswerbers zur Abwehr des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nur ein niedrigerer Wert auswirken könnte, der Rechenfehler sich also in Wahrheit zu seinen Gunsten auswirkte.

Mit der zuletzt angeführten Bekämpfung der Heranziehung des arithmetischen Mittels aus Bodenwert und Ertragswert wird - wie schon ausgeführt - die Ermittlungsmethode des Sachverständigen bekämpft. Darin liegt aber ein im Revisionsverfahren nicht mehr wahrnehmbarer Mangel des Verfahrens erster Instanz.

Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes ist die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen frei von Rechtsirrtum. Die vom Revisionswerber relevierte Rechtsfrage, ob in dem zugunsten der Ehegattin des Beklagten einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbot ein der Klagestattgebung entgegenstehendes rechtliches Hindernis liegt, ist dahin zu beantworten, daß das bis 1999 befristete bücherliche Veräußerungsverbot zwar derzeit ein Exekutionshindernis darstellt, dieses Hindernis aber nur ein vorübergehendes ist, daß weiters die Möglichkeit besteht, daß die Verbotsberechtigte der Exekutionsführung zustimmt oder daß schließlich in absehbarer Zeit eine erfolgreiche Anfechtung das Verbot beseitigt. Ein bloß vorübergehendes, in kurzer Zeit auf jeden Fall wegfallendes Hindernis steht aber einer Stattgebung der Leistungsklage genausowenig entgegen, wie dies bei einem Veräußerungsverbot gegenüber einer Anfechtungsklage nach der AnfO der Fall ist (ÖBA 1990/242). Wegen der durchaus vergleichbaren Rechtslage zu diesen Fällen bedarf es hier keiner weitergehenden oberstgerichtlichen Stellungnahme. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

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