OGH 10Ob2319/96v

OGH10Ob2319/96v8.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Ehmayr, Dr.Schalich und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Johann A*****, vertreten durch Dr.Erich Proksch und Dr.Diethard Schimmer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei Brigitta St*****, vertreten durch Dr.Hellmut Prankl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Herausgabe bzw Duldung der Aufsandung (Geamtstreitinteresse S 489.233,--) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 9.Juli 1996, GZ 1 R 144/96v-18, womit der Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 28.März 1996, GZ 3 Cg 98/96p-11, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird in seinem den Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei zurückweisenden Teil sowie der darauf bezughabenden Kostenentscheidung aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die sachliche Entscheidung über den Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei unter Abstandnahme vom angezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens - ausgenommen jene der Rekursbeantwortung der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei - sowie des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung

Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden kurz: Kläger) als behaupteter Vermächtnisnehmer nach der am 2.4.1992 verstorbenen Auguste D***** begehrt von der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden kurz: Beklagte) als deren behaupteter Alleinerbin aufgrund eines mündlichen Testaments die Herausgabe der Zweidrittelanteile an der EZ 22 und 23, je Grundbuch 50320 St*****, mit deren Grundstücken 1419/1, 1420, .91/3, .91/4, ./92, 1422, 1427/2, 1525 und .93, sowie deren Verurteilung zur Zustimmung der Einverleibung des Eigentumsrechtes hinsichtlich dieser Anteile zugunsten des Klägers. Mit gleichzeitig eingebrachtem, jedoch gesondertem Schriftsatz begehrte er überdies die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, und zwar eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes hinsichtlich sämtlicher vorgenannten Liegenschaftsanteile einerseits und Verfügungsverbot über zwei Rangordnungsbeschlüsse des Bezirksgerichtes V***** (TZ 5640/1995 und 5641/1995) andererseits. Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß und veranlaßte deren Anmerkung im Grundbuch.

Aufgrund eines fristgerechten Widerspruches der Beklagten, über den das Erstgericht gleichzeitig mit der Hauptsache verhandelte, beantragte diese, dem Kläger eine Sicherheit von zumindest S 1,000.000,-- aufzutragen, worauf protokolliert wurde, daß sich "der KV nicht gegen eine Sicherheit im Betrag von S 500.000,-- ausspricht". Mit Beschluß vom 28.5.1996 wurde dem Widerspruch teilweise Folge gegeben. Hinsichtlich des Veräußerungs- und Belastungsverbotes wurde die einstweilige Verfügung vollinhaltlich bestätigt, hinsichtlich der Ausnützung der Rangordnungsbeschlüsse für beide EZ bezüglich jener zu TZ 5640/1995 ebenfalls bestätigt, bezüglich jener zu TZ 5641/1995 hingegen abgewiesen; des weiteren wurde dem Kläger eine Sicherheitsleistung von S 500.000,-- in Form eines Barerlages oder Beibringung einer abstrakten Bankgarantie bis 5.7.1996 bei sonstigem Außerkraftttreten der einstweiligen Verfügung aufgetragen.

Während die Bestätigung der einstweiligen Verfügung und das (geringfügige) abgewiesene Mehrbegehren unbekämpft in Rechtskraft erwuchsen, erhob der Kläger gegen die ihm aufgetragene Sicherheitsleistung Rekurs mit dem Antrag, den Beschluß in seinem angefochtenen Teil ersatzlos aufzuheben.

Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel - ebenso wie eine beklagtenseits erstattete Rekursbeantwortung - zurück, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 500.000,-- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei. Da der Rekurswerber mit der auferlegten Sicherheitsleistung laut Protokoll ohnehin einverstanden gewesen sei, mangle es ihm an der Beschwer für ein wirksames Rechtsmittel gegen diese Entscheidung.

In seinem auf die Rekursgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gestützten sowie von der beklagten Partei beantworteten außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Kläger die ersatzlose Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses des Rekursgerichtes. Weiters beantragt er die Stattgebung seines Rekurses dahingehend, daß auch der Beschluß des Erstgerichtes abgeändert werde und der Ausspruch über die Sicherheitsleistung entfalle; hilfsweise wird schließlich ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht das Rechtsmittelerfordernis der Beschwer unrichtig ausgelegt und damit in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu einer von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweichenden Lösung gelangt ist, welche zur Herstellung der Rechtssicherheit zu beheben ist; das Rechtsmittel ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Im einzelnen hat der Oberste Gerichtshof hiezu folgendes erwogen:

1. Im Verfahren über einen Revisionsrekurs ist der Rekursgrund der "unrichtigen Sachverhaltsfeststellung" im Gesetz nicht vorgesehen; eine Überprüfung der Beweiswürdigung als unrichtige Tatsachenfeststellung ist nur - wenngleich mit Einschränkungen (SZ 66/164) - im Rekursverfahren zweiter Instanz zulässig.

2. Soweit nicht ein ausdrücklicher Widerspruch einer Partei (§ 212 ZPO) vorliegt, liefert das in Gemäßheit der Bestimmungen der ZPO errichtete Protokoll über den Verlauf und den Inhalt einer Verhandlung gemäß § 215 Abs 1 ZPO vollen Beweis. Danach steht aber fest (und begründet das hierüber angelegte Protokol demnach auch vollen Beweis), daß sich der Klagevertreter in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 7.5.1996 aus Anlaß der Erörterung der einstweiligen Verfügung, gegen welche die beklagte Partei fristgerecht Widerspruch erhoben und für den Fall der Aufrechterhaltung derselben eine Sicherheit von mindestens S 1,000.000,-- beantragt hatte, "nicht gegen eine Sicherheit im Betrag von S 500.000,-- aussprach". Daß dies nur "angeblich" so geschehen und damit vom Rekursgericht fälschlicherweise als Faktum unterstellt worden sei (so seine Behauptung im Revisionsrekurs), ist durch das wiedergegebene Protokoll selbst widerlegt. Auch die nunmehr gewünschte engere Interpretation dieser seiner Prozeßerklärung, die sich gemäß § 39 ZPO auch die Partei zurechnen lassen muß, schlägt nicht durch, zumal die Erklärung, sich nicht gegen eine Sicherheitsleistung in einer bestimmten Höhe auszusprechen, geradezu zwingend auch die Zustimmung zum Erlag einer solchen (wenngleich der Höhe nach limitierten) dem Grunde nach impliziert.

3. Auch wenn das Erstgericht - nach der einleitend zusammengefaßt wiedergegebenen bisherigen Verfahrenschronologie - im Rahmen der nach dieser Tagsatzung erlassenen neuen einstweiligen Verfügung weitestgehend die durch den Widerspruch angefochtene Vorentscheidung bestätigt und bloß in einem geringfügigen Teilbereich abgewiesen hat, so ist doch aufgrund des wie vor wiedergegebenen Protokollinhalts davon auszugehen, daß diese Erklärung des Klagevertreters bloß für den Fall der gänzlichen, nicht aber auch der bloß teilweisen Bestätigung der einstweiligen Verfügung laut Beschluß vom 22.3.1996 Geltung haben sollte. Bei der Auslegung von Prozeßhandlungen sind - im Sinne der objektivierten Erklärungstheorie - rein objektive Maßstäbe anzuwenden und nicht die Auslegungsregeln für Privatrechtsgeschäfte (§§ 914 ff ABGB) heranzuziehen; es kommt ausschließlich darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozeßzweckes und der dem Gericht und Gegner bekannten Prozeß- und Aktenlage objektiv verstanden werden muß (Fasching, Lehrbuch2 Rz 757). Hiebei darf dieser Auslegungsmaßstab nach Auffassung des Senates auch nicht retrospektiv, nämlich aus der nachträglichen Sicht der vom Kläger selbst unbekämpft gebliebenen Abweisung seines EV-Mehrbegehrens angelegt werden, sondern ist ausschließlich von der Aktenlage zum Zeitpunkt seiner Prozeßerklärung auszugehen, bei welcher das EV-Begehren laut Schriftsatz vom 18.3.1996 jedoch noch insgesamt Verfahrensgegenstand und damit auch Gegenstand der Tagsatzung vom 7.5.1996 gewesen ist.

4. Unter Bedachtnahme auf diese Rechtslage hat aber das Rekursgericht dem Kläger die (formelle) Beschwer, nämlich ein Anfechtungsinteresse zufolge Abweichung der Entscheidung zu seinem Nachteil von den dieser zugrundeliegenden eigenen vorangegangenen Prozeßerklärungen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 9 vor § 461), zu Unrecht abgesprochen. Der Kläger wurde nach Auffassung des Senates in seinem Rechtsschutzbegehren (nämlich der Auferlegung einer Sicherheitsleistung von S 500.000,-- im Falle der gänzlichen Stattgebung seiner beantragten einstweiligen Verfügung) durch die angefochtene Entscheidung (in welcher dieses sein EV-Begehren hinsichtlich beider betroffenen Liegenschaften [EZ] teilweise abgewiesen wurde) beeinträchtigt, sodaß sein Bedürfnis auf Rechtsschutz und damit seine Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung für sein Rechtsmittel zu bejahen ist. Da durch die Entscheidung des Erstgerichtes auch seine materielle Rechtsstellung beeinträchtigt wurde, lag für den - wenngleich nicht alle möglichen Beschwerdepunkte aufgreifenden - Rekurs jedenfalls auch materielle Beschwer vor (Kodek aaO Rz 10; 4 Ob 2070/96g).

5. Das Rekursgericht wird daher über das Rechtsmittel des Klägers und den hierin (erkennbar) ausgeführten Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sachlich zu entscheiden und dieses meritorisch zu behandeln haben.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO, §§ 78, 402 Abs 4 EO. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes handelt es sich hier um ein zweiseitiges Rekursverfahren, da es sich einerseits um einen Rekurs (und Revisionsrekurs) im Widerspruchsverfahren nach § 397 EO handelt und andererseits auch der erste Fall des § 402 Abs 1 EO ("Erlassung einer einstweiligen Verfügung") vorliegt, da nach § 390 Abs 3 EO mit dem Vollzug derselben ja nicht vor Nachweis des gerichtlichen Erlages der zu leistenden Sicherheit begonnen werden darf, diese also vor dem Erlag gar nicht wirksam wird (König, EV Rz 164). Die vom Rekursgericht (im Zusammenhang mit der Zurückweisung der Rekursbeantwortung der beklagten Partei) zitierte und auch in der MGA EO13 unter E Nr 2 zu § 402 abgedruckte Entscheidung JBl 1985, 303 betraf einen anderen Sachverhalt, nämlich die Herabsetzung einer Sicherheit über Antrag der gefährdeten Partei wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse. Hier geht es jedoch - abgesehen von der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens schon aufgrund des vorangegangenen kontradiktorischen Widerspruchsverfahrens (Feil, EO4 Rz 4 zu § 402) - nicht um die Höhe der Sicherheitsleistung allein, sondern überhaupt um die Frage, ob eine solche zu verhängen ist oder nicht. Da die Rechtsmittelbeantwortung zurückgewiesen wurde, konnte ein Kostenvorbehalt spruchmäßig nur (mehr) bezüglich jener des Rekurses der klagenden Partei an die zweite Instanz und der Rechtsmittelkosten beider Parteien im Verfahren dritter Instanz erfolgen.

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