OGH 5Ob2272/96w

OGH5Ob2272/96w8.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Schwarz, Dr.Floßmann und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine G*****, vertreten durch Dr.Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Otto R*****,

2.) Andreas K*****, 3.) Walter R*****, 4.) Peter K*****, 5.) Elfriede S*****, 6.) Marianne R*****, 7.) Stefanie Z*****, 8.) Antonia K*****,

9.) Thusnelda D*****, 10.) Ing.Leopold H*****, erst-, zweit-, dritt-, fünft-, neunt- und zehntbeklagte Partei vertreten durch Dr.Stefan Kovacsevich, Rechtsanwalt in Wien, viertbeklagte Partei vertreten durch Dr.Roland Hubinger, Rechtsanwalt in Wien, sechstbeklagte Partei vertreten durch Dr.Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, siebent- und achtbeklagte Partei vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft, Streitwert S 924.000,-, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 10.Mai 1996, GZ 15

R 51/96x-20, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 12.September 1995, GZ 15 Cg 4/94g-14, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der viertbeklagten Partei die mit S 22.536,- (darin enthalten S 3.756,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Die zu 1), 2), 3), 5), 6), 9) und 10) angeführten beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus *****. Im gegenständlichen Rechtsstreit geht es um die Aufhebung dieser Miteigentumsgemeinschaft. Die Klägerin hat Zivilteilungsklage erhoben; alle Beklagten mit Ausnahme der zu 7) und 8) angeführten Miteigentümer sind dem Teilungsbegehren entgegengetreten und haben primär dessen Abweisung, daneben aber auch gemäß § 2 Abs 2 Z 2 WEG die Begründung von Wohnungseigentum nach Maßgabe einer bestehenden Benützungsregelung bzw einer bereits in die Wege geleiteten Nutzwertfestsetzung begehrt.

Die Klägerin ist in beiden Instanzen mit ihrer Teilungsklage unterlegen, weil sie es verabsäumte, ihr Begehren - wenigstens eventualiter - auf die Begründung von Wohnungseigentum umzustellen. Sie machte diesbezüglich in ihrer Berufung gegen das abweisliche Urteil der ersten Instanz eine Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht geltend, doch verneinte das Berufungsgericht den gerügten Verfahrensmangel. Aus den Akten ergibt sich dazu folgendes:

Konfrontiert mit dem Begehren der zu 1) bis 6) sowie 9) und 10) angeführten Beklagten, Wohnungseigentum zu begründen, erklärte der Klagsvertreter in der mündlichen Streitverhandlung am 9.6.1994, sich nicht grundsätzlich gegen die Begründung von Wohnungseigentum auszusprechen, wohl aber (so ist offensichtlich sein Vorbringen zu verstehen) gegen die von den Beklagten gewünschte Aufteilung der einzelnen Wohnungen. Das Klagebegehren änderte der Klagsvertreter in der Folge nicht, und zwar auch dann nicht, als der Viertbeklagte (bzw dessen Vertreter) geltend machte, daß die Rechtssache wegen der (gemeint: unzulänglichen) Erklärung des Klagsvertreters zum Antrag auf Begründung von Wohnungseigentum nunmehr im Sinne einer Abweisung der Teilungsklage spruchreif sei. Andere beklagte Parteien schlossen sich diesem Vorbringen an (AS 49 f). Die Tagsatzung endete damit, daß der Klägerin "im Sinne der Anträge auf Begründung von Wohnungseigentum" aufgetragen wurde, bekanntzugeben, welchen Aufteilungsschlüssel hinsichtlich der einzelnen Wohnungen sie wünsche (AS 55 f). Nachgekommen ist sie diesem Auftrag nicht. Als dann - nach zwei weiteren mündlichen Verhandlungen - in der mündlichen Verhandlung am 11.5.1995 nochmals konkrete Zuteilungswünsche der Beklagten erörtert wurden, gab der Klagsvertreter dazu "keine Erklärung" ab; er wies allerdings darauf hin, "daß die Klägerin im Falle der gerichtlichen Begründung von Wohnungseigentum die Wohnungen top Nr.12 und 16 beanspruche" (AS 89).

Das Berufungsgericht hielt dem von der Klägerin erhobenen Vorwurf der Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht entgegen, daß sie der Aufforderung zur Bekanntgabe eines Aufteilungsschlüssels für die einzelnen Wohnungen bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz nicht nachgekommen sei. Eine Anleitung zur Stellung eines Eventualbegehrens auf Begründung von Wohnungseigentum habe sie nicht erwarten können, weil sich die sogenannte Manuduktionspflicht des Gerichtes auf die in §§ 180 f ZPO normierten Pflichten beschränke. Rechtsfreundlich vertretene Parteien habe das Gericht nicht über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen zu belehren, und es sei auch nicht Sache des Gerichtes, solche Parteien zur Stellung prozessualer Anträge anzuleiten, weil davon auszugehen sei, daß Rechtsanwälten die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften bekannt sind (SZ 23/332). Das Gericht treffe dann, wenn die Parteien durch Anwälte vertreten sind, lediglich die Verpflichtung, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen klarzustellen (SZ 41/58; JBl 1990, 802). Die materielle Prozeßleitungspflicht umfasse daher auch im Anwaltsprozeß jedenfalls die Sammlung des Prozeßstoffes und die Pflicht, Tatsachen und Beweisstoff im Rahmen des gestellten Klagebegehrens zu erörtern (SZ 41/58; JBl 1957, 419); soweit eine Klagsänderung nötig wäre, bedürfe es aber keiner Erörterung mit den Parteien, weil die Manuduktionspflicht des Gerichtes nicht so weit gehe, den - hier anwaltlich vertretenen - Kläger anzuleiten, ein deutliches und bestimmtes Begehren in eine andere Richtung abzuändern (SZ 41/58). Die richterliche Anleitungspflicht erstrecke sich nicht so weit, daß eine anwaltliche Partei zu einer Klagsänderung angeleitet werden müsse, um der Klage auf anderer Grundlage zum Erfolg zu verhelfen (SZ 55/72). Eine Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht scheide damit aus.

In der Sache selbst teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht der ersten Instanz, daß die Erklärung der Klägerin, für den Fall der Begründung von Wohnungseigentum die Wohnungen top 12 und 16 zu beanspruchen, nicht als Urteils- bzw Eventualbegehren auf Begründung von Wohnungseigentum gedeutet werden könne. Andererseits hätten die Beklagten nicht nur die Begründung von Wohnungseigentum verlangt, sondern auch einen konkreten Teilungsvorschlag erstattet und die Möglichkeit einer Wohnungseigentumsbegründung dargetan.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß

der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und die

ordentliche Revision zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet,

daß eine gesicherte Rechtsprechung zur Frage der Formulierung des

Klagebegehrens durch den Kläger bei einem Einwand des

Teilungsbeklagten nach § 2 Abs 2 Z 2 WEG fehle; es liege - soweit

ersichtlich - dazu nur die in RdW 1995, 384 veröffentlichte

Entscheidung (gemeint ist: 5 Ob 98/94 = EWr II/2/5 = WoBl 1996, 64/15

= MietSlg 46/33) vor.

Die Klägerin hat diese Entscheidung fristgerecht mit Revision angefochten. Sie macht darin den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend, wendet sich inhaltlich aber nur gegen die Verneinung des bereits mit der Berufung gegen das Ersturteil geltend gemachten Verfahrensmangels einer Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht und macht hilfsweise geltend, daß ihr grundsätzliches Einverständnis mit der Begründung von Wohnungseigentum (unter Bekanntgabe der beanspruchten Wohnungen) als Eventualbegehren, Wohnungseigentum zu begründen, zu deuten gewesen wäre. Die Anleitungspflicht, um diesbezügliche Unklarheiten auszuräumen, bestehe jedenfalls auch gegenüber anwaltlich vertretenen Parteien. Im konkreten Fall hätte das Erstgericht dieser Anleitungspflicht schon wegen der neuen, noch unsicheren Rechtslage nachkommen müssen. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, das angefochtene Urteil entweder im klagsstattgebenden Sinn abzuändern, oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die (gemeint ist: an eine der) Unterinstanzen zurückzuverweisen.

Von der Sechstbeklagten, dem Viertbeklagten sowie den zu 1), 2), 3), 5), 9) und 10) angeführten Beklagten liegen dazu fristgerecht erstattete (nach ihrem Einlangen gereihte) Revisionsbeantwortungen vor. Alle haben beantragt, der Revision nicht Folge zu geben; der Viertbeklagte hat überdies die Unzulässigkeit der Revision geltend gemacht, weil ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht auch noch in dritter Instanz geltend gemacht werden könne.

Die Revision erweist sich als unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage, wie der Teilungskläger seine Teilungsbegehren zu formulieren (bzw abzuändern) habe, um einer vom Teilungsbeklagten verlangten (und nach der Sachlage auch möglichen) Begründung von Wohnungseigentum Rechnung zu tragen, greift die Revisionswerberin gar nicht auf. Offensichtlich fügt sie sich der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsansicht, daß die Begründung von Wohnungseigentum durch gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren zur Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft nur möglich ist, wenn sie der Teilungsbeklagte begehrt und daraufhin der Kläger selbst - wenigstens in Form eines Eventualbegehrens - die Begründung von Wohnungseigentum verlangt. Daß es demnach einer Änderung des Klagebegehrens bedarf, will der Kläger angesichts einer vom Beklagten begehrten und auch rechtlich möglichen Wohnungseigentumsbegründung nicht die Abweisung seines Natural- oder Zivilteilungsbegehrens riskieren, entspricht der Judikatur. Hiefür lassen sich neben der schon vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung (5 Ob 98/94) auch noch die Entscheidungen 5 Ob 110, 111/95 (EvBl 1996/77) sowie 5 Ob 2059/96x (tw veröffentlicht in ecolex 1996, 594) ins Treffen führen, sodaß es in der für die Zulassung der Revision angeführten Rechtsfrage keiner zusätzlichen Klarstellung bedarf.

Daß die Klägerin ihr Teilungsbegehren geändert und wenigstens eventualiter die Begründung von Wohnungseigentum verlangt hätte, haben die Vorinstanzen mit nicht revisibler Begründung verneint. Die Auslegung einer konkreten Prozeßerklärung wirft nämlich idR keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RZ 1994, 138/45). Das Ergebnis einer solchen Auslegung könnte, sofern nicht andere Rechtsprobleme die Zulässigkeit der Revision begründen, vom Obersten Gerichtshof nur dann korrigiert werden, wenn wesentliche Interpretationsgrundsätze verletzt wurden, etwa in der Form, daß die Auslegung mit dem Wortlaut des Vorbringens unvereinbar ist (vgl EFSlg 73.536 ua). Das ist hier nicht der Fall.

Was schließlich die vermeintliche Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht betrifft, hat der Viertbeklagte in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hingewiesen, daß ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (hier eine Verletzung der Vorschrift des § 182 Abs 1 ZPO) nach ständiger Rsp nicht mehr in der Revision gerügt werden kann (Kodek in Rechberger, Rz 3 zu § 503 ZPO mwN; EFSlg 76.106; SSV-NF 7/74 uva). Dieser Grundsatz ist nur dann nicht anwendbar, wenn das Berufungsgericht den geltend gemachten Verfahrensmangel mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat (Kodek aaO mwN; EFSlg 76.107 ua). Letzteres trifft im gegenständlichen Fall nicht zu.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich hinsichtlich des Viertbeklagten auf §§ 41, 50 ZPO, hinsichtlich der übrigen Beklagten, die eine Revisionsbeantwortung erstattet, darin aber nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben, auf §§ 40, 50 ZPO (vgl MietSlg 45.621 ua).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte