Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, so daß sie zu lauten hat:
Der Übergabsauftrag des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 14.9.1994 wird aufgehoben.
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin die im Haus St.Pölten, H*****, gelegene Wohnung bestehend aus zwei Zimmern, zwei Kabinetten, Abstellraum, Küche, Vorraum, Klosett und Bad binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu räumen und der Klägerin geräumt von ihren Fahrnissen zu übergeben, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.694,72 (darin enthalten S 949,12 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 4.722,72 (darin enthalten S 677,12 USt und S 660,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.416,48 (darin enthalten S 406,08 USt und S 1.980,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist - nach der im April 1990 erfolgten Scheidung von ihrem Mann Martin F***** alleine - Wohnungseigentümerin der Wohnung top Nr ***** im Haus St.Pölten, H*****. Die Beklagte hat diese - damals noch im Ehegattenwohnungseigentum der Klägerin und ihres Mannes stehende - Wohnung mit Mietvertrag vom 27.1.1985 gemietet. Im schriftlichen Mietvertrag wurde eine Befristung des Bestandverhältnisses in der Dauer von 10 Jahren mit Beginn am 1.2.1985 und Ende am 31.1.1995 vereinbart. Die Klägerin begehrte mit Antrag vom 13.9.1994 gemäß § 567 ZPO die Übergabe der Wohnung am 31.1.1995 wegen Zeitablaufes.
Die Beklagte beantragte die Aufhebung des antragsgemäß bewilligten Übergabsauftrages und wendete ein, daß die Befristung auf 10 Jahre lediglich "der Form halber" in den Vertrag aufgenommen worden sei; übereinstimmender Parteiwille sei dem entgegen aber die Begründung eines unbefristeten Bestandverhältnisses gewesen. Nach der im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages geltenden Fassung des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG wäre eine Befristung des Mietverhältnisses nur möglich gewesen, wenn die schriftlich festgelegte Vertragsdauer 5 Jahre nicht überstiegen hätte. Gemäß § 49 a MRG in der derzeit geltenden Fassung sei eine nach den damaligen Bestimmungen (das sei zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses) rechtsunwirksame Befristung weiterhin rechtsunwirksam und daher der Endzeitpunkt des Mietverhältnisses nicht durchsetzbar.
Das Erstgericht erklärte den Übergabsauftrag vom 14.9.1994 für rechtswirksam, trug der Beklagten die Räumung des Bestandobjektes auf und folgerte rechtlich:
Die Befristung des Bestandvertrages auf eine Dauer von 10 Jahren habe dem Parteiwillen bei Vertragsabschluß entsprochen. Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung werde ein Mietvertrag nur dann durch Zeitablauf aufgelöst, wenn in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung, an der Wohnungseigentum besteht, schriftlich vereinbart worden sei, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer 5 Jahre nicht übersteigt. Die vereinbarte Befristung von 10 Jahren sei daher zu diesem Zeitpunkt für die Vermieterin nicht durchsetzbar gewesen. Durch das 2. Wohnrechtsänderungsgesetz (WÄG), das am 1.3.1991 in Kraft getreten sei, sei gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG eine Befristung von 10 Jahren durchsetzbar geworden. Mangels einer besonderen Übergangsregelung sei diese Regelung auf alle Verträge anzuwenden gewesen, die nach dem 28.2.1991 enden würden. Da es sich sohin nur um die Durchsetzbarkeit der Befristung seitens des Vermieters (und nicht um die Zulässigkeit der Vereinbarung) gehandelt habe, sei der Endzeitpunkt 31.1.1995 für die Klägerin mit dem Inkrafttreten des 2. WÄG durchsetzbar und rechtswirksam geworden. Nach dem mit dem 3. WÄG neu in das MRG eingefügten, am 1.3.1994 in Kraft getretenen § 49 a behalte eine vor dem 1.3.1994 geschlossene und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung über die Befristung eines Mietvertrages ihre Rechtswirksamkeit, während eine nach den "damaligen Bestimmungen" rechtsunwirksame Befristung rechtsunwirksam bleibe. Der Ausdruck "damalige Bestimmungen" in dieser Gesetzesstelle sei nicht auf den Vertragsabschluß zu beziehen, sondern auf die vor dem 1.3.1994 geltende Rechtslage. Die durch das
2. WÄG eingetretene Sanierung des bei Vertragsabschluß nicht durchsetzbaren Endtermines bleibe daher aufrecht. Diese Auslegung erscheine auch nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung sinnvoll. Eine Sanierung von vor dem 1.3.1994 rechtsunwirksamen Endterminen durch das Inkrafttreten des 3. WÄG sollte ausgeschlossen werden, rechtswirksame Befristungen aber sollten rechtswirksam bleiben. Eine Rückwirkung des § 49 a Abs 1 MRG in der Form, daß die bereits eingetretene und verwirklichte Sanierung des nicht durchsetzbaren Endtermines durch das 2. WÄG mit dem Inkrafttreten des 3. WÄG wegfallen sollte, sei nicht beabsichtigt gewesen. Das Inkrafttreten des § 49 a Abs 1 MRG mit 1.3.1994 könne im vorliegenden Fall nichts am allgemeinen Grundsatz ändern, daß für die Durchsetzbarkeit der Befristung nicht der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern der vereinbarte Endigungszeitpunkt maßgeblich sei; der § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG in der geltenden Fassung sehe nach wie vor einen Zeitraum von höchstens 10 Jahren für die Befristung vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Die 2. Instanz teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichts. Bei Auslegung des § 49 a Abs 1 MRG sei auf die Durchsetzbarkeit des Endtermines unter Zugrundelegung der Rechtslage nach dem 2. WÄG abzustellen. Danach sei die Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG auf alle Verträge anzuwenden gewesen, die nach dem 28.2.1991 durch Zeitablauf endeten. Maßgeblich sei nicht die Zulässigkeit der Vereinbarung im Abschlußzeitpunkt, sondern nur die Durchsetzbarkeit der Befristung seitens des Vermieters im Endigungszeitpunkt. Dauertatbestände seien nach dem neuen Gesetz zu beurteilen, soweit sie in dessen Geltungszeitraum hinüberreichten. Bei der Auslegung einzelner unklarer Gesetzesbestimmungen komme der teleologischen Interpretation besonderes Gewicht zu. Der Gesetzgeber habe bei Fassung des § 49 a MRG nicht die Absicht verfolgt, daß die durch das 2. WÄG durchsetzbar gewordenen Befristungsvereinbarungen (im Sinne des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG) undurchsetzbar werden sollten. Der Gesetzgeber habe an die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des § 49 a MRG anknüpfen wollen und die Wendung "damalige Bestimmungen" auf die Rechtslage nach dem 2. WÄG bezogen, sodaß eine Befristung des Mietverhältnisses, die am 28.2.1994 durchsetzbar gewesen sei, auch weiterhin durchsetzbar bleiben solle.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage des Anwendungsbereiches des § 49 a Abs 1 MRG im Zusammenhang mit einer aufgrund des 2. WÄG durchsetzbar gewordenen Befristungsvereinbarung im Sinne des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zwischen den Streitteilen am 27.1.1985 galt § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG in der Urfassung des MRG (BGBl 1981/520). Danach konnte ein Mietvertrag nur dann durch Zeitablauf enden, wenn in einem Hauptmietvertrag über eine Eigentumswohnung schriftlich vereinbart wurde, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer 5 Jahre nicht übersteigt. Nach Rechtsprechung und Lehre wurde durch diese Bestimmung die Durchsetzbarkeit des Endtermines eines befristeten Mietvertrages ermöglicht (MietSlg 39.406 sowie Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19 (1989), Rz 8, 10 und 12). Die zwischen den Vertragsparteien schriftlich vereinbarte Befristung des Mietvertrages für die Dauer von 10 Jahren war daher nach der bei Vertragsabschluß 1985 geltenden Rechtslage nicht durchsetzbar.
Wie vom Berufungsgericht richtig dargelegt wurde, wäre durch das Inkrafttreten des 2. WÄG am 1.3.1991 eine davor vereinbarte Befristung von 10 Jahren rechtswirksam, dh, der ursprünglich unwirksame Endtermin wäre nach dieser Rechtslage durchsetzbar geworden. Art V Abs 2 des 2. WÄG bestimmt die Geltung des MRG idF des
2. WÄG auch für Miet- und Nutzungsverträge, die vor dem 1.3.1991 geschlossen wurden (vgl. Würth/Zingher, Wohnrecht'91, 175) und folgt damit dem allgemeinen Prinzip, auf Dauerschuldverhältnisse die jeweils geltenden Normen anzuwenden, falls keine speziellen (gegenteiligen) Regelungen eingreifen (Bydlinski in Rummel ABGB2, Rz 1 zu § 5 ABGB; JBl 1985, 237 = 7 Ob 540/84). Mangels einer besonderen Übergangsregelung wäre die Neuregelung des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG idF des 2. WÄG auf früher unwirksam auf 10 Jahre befristete Verträge, die nach dem 28.2.1991 enden, anwendbar gewesen, da es dabei nicht auf die Zulässigkeit der Vereinbarung, die nach dem Zeitpunkt des Abschlusses zu beurteilen wäre, sondern nur um die Durchsetzbarkeit der Befristung seitens des Vermieters angekommen wäre (vgl MietSlg 39.406 sowie Würth/Zingher, WohnR'91, Anm 3 zu § 29 MRG).
Durch die neuerliche Änderung der Rechtslage mit dem Inkrafttreten des 3. WÄG am 1.3.1994 - als Endtermin des gegenständlichen Vertrages war ja der 31.1.1995 vereinbart worden - ergeben sich andere Auswirkungen auf die gegenständliche Befristungsvereinbarung.
Der durch Art II Absch I Z 39 des 3. WÄG eingefügte § 49 a MRG regelt die Wirksamkeit früherer Befristungen im Abs 1 wie folgt: "Eine vor dem 1.3.1994 geschlossene und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung über die Befristung eines Mietvertrages behält ihre Rechtswirksamkeit. Eine nach den damaligen Bestimmungen rechtsunwirksame Befristung bleibt rechtsunwirksam".
Rechtswirksame Vereinbarungen müssen wie bisher als durchsetzbare Endtermine verstanden werden (Würth/Zingher, WohnR'94, Anm 1 zu § 49 a MRG).
Die zitierte Bestimmung stellt aber eine spezielle Regelung auch für Altverträge dar.
Nach der Auffassung des erkennenden Senates ist § 49 a MRG entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes dahin auszulegen, daß die Durchsetzbarkeit des Endtermines des gegenständlichen Mietvertrages nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zu beurteilen ist.
Aus den Worten "vor dem 1.3.1994 geschlossene und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung" ist abzuleiten, daß die Rechtswirksamkeit auf den Zeitpunkt des Vertrags"abschlusses" bezogen wird. Satz 2 der Bestimmung "nach den damaligen Bestimmungen rechtsunwirksame Befristung" ist gleichfalls auf diesen Zeitpunkt zu beziehen, da im gleichen Absatz einer Bestimmung das Wort "damalig" nicht zwei verschiedene und daher widersprüchliche Bedeutungen haben kann. Eine die Ansicht des Berufungsgerichtes rechtfertigende Auslegung des § 49 a MRG, daß nämlich die Wendung "damalige Bestimmungen" auf die Rechtslage zur Zeit des 2. WÄG bezogen werden müsse, sodaß eine am 28.2.1994 durchsetzbare Befristung auch weiterhin durchsetzbar bleiben solle, hätte nur bei einer Wortwahl wie: vor dem 1.3.1994 "bestehende" (anstatt "geschlossene") und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame; oder allenfalls wie: nach den "vor dem 1.3.1994 geltenden" Bestimmungen anstatt "damaligen", Berechtigung gehabt.
Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung "vor dem 1.3.1994 geschlossene" weist somit deutlich auf den Vertragsabschluß hin (vgl auch Würth/Zingher, WohnR'94, Anm 1 zu § 49 a MRG).
Auch auf die Materialien zum 3. WÄG (Auschußbericht zu Art II Z 39 = 1268 BlgNR 18. GP) kann die Ansicht des Berufungsgerichtes nicht gestützt werden. Ebensowenig kann die Rechtsansicht der Vorinstanzen aus einer teleologischen Auslegung abgeleitet werden (vgl Bydlinski in Rummel, ABGB 2. Auflage, Rz 25 zu § 6, ins lit d). Nach ihrer Ansicht hätte der Gesetzgeber nämlich die Absicht verfolgt, an die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des 3. WÄG anzuknüpfen, ein Wegfall der durch das 2. WÄG eingetretenen Sanierung sei nicht beabsichtigt gewesen.
Dem ist entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 49 a MRG eine völlig andere Übergangsregelung als bisher geschaffen hat. Als Sinn und Zweck dieser Neuregelung bietet sich überzeugend an, daß damit auf einen Zeitpunkt (nämlich den des Vertragsabschlusses) bezug genommen werden soll, in welchem die Parteien in ihrer Willensbildung auf die Vertragsgestaltung noch Einfluß nehmen und die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Vertragsbestimmungen mit der Rechtslage zu diesem Zeitpunkt sehen und einkalkulieren konnten.
Überhaupt ergibt sich bei widersprüchlichen teleologischen Auslegungsmöglichkeiten ein Vorrang der Interpretation des Wortlautes (vgl Bydlinski in Rummel, aaO).
Im gegenständlichen Fall bedeutet das im Ergebnis, daß ein Endtermin nach 10 Jahren Vertragsdauer, der bei Vertragsabschluß (und im Falle des fiktiven Fortbestehens der damaligen Rechtslage) nicht durchsetzbar war, nach der nunmehr geltenden Rechtslage nach dem 3. WÄG wiederum nicht mehr durchsetzbar ist.
Der Übergabsauftrag und die Räumungsanordnung bestehen daher nicht zu Recht.
Die Rechtsansicht, daß es bei Vereinbarung eines unbedingten, von vornherein bestimmten Endtermines im Mietvertrag nicht erforderlich sei, besonders festzulegen, daß der Vertrag "ohne Kündigung erlischt", ist richtig und die Vorinstanzen folgen in diesem Punkt der Rechtsprechung dazu; auch die Vereinbarung einer vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit ist unschädlich (vgl dazu Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht, 19. Auflage (1989), Rz 10 zu § 29 und zur Rechtslage nach dem 2. WÄG, Würth/Zingher, WohnR'91, Rz 5 zu § 29 MRG).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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