OGH 15Os150/96 (15Os151/96)

OGH15Os150/96 (15Os151/96)19.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Berger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erwin H***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 26.Juni 1996, GZ 29 Vr 202/96-52, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gefaßten Beschluß in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch mehrere in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde Erwin H***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (A 1.) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A 2. und 3.), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (B), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (C), des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 1 StGB (D) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (E) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck

(zu A) anderen Personen Verletzungen am Körper bzw Schäden an der Gesundheit zugefügt, und zwar

1. am 18.November 1995 der Angelika H***** durch Versetzen von Fußtritten und Faustschlägen absichtlich eine an sich schwere mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung verbundene Verletzung, nämlich einen verschobenen Bruch des Nasenbeins, einen verschobenen Bruch des rechten Unterkieferastes, eine Läsion des ersten unteren rechten Schneidezahnes sowie Prellungen des rechten Jochbeins und der linken Brustkorbseite;

2. am 18.November 1995 dem Johann K***** vorsätzlich durch einen Stoß mit dem Knie, was Schmerzen am Oberschenkel von etwa eintägiger Dauer bewirkte,

3. am 16.Jänner 1996 der Angelika H***** vorsätzlich durch Versetzen eines Schlages in das Gesicht, wodurch sie eine Schwellung und Rötung im Bereich der rechten Gesichtshälfte erlitt;

(zu B) am 18.November 1995 Johann K***** mit Gewalt, nämlich durch Zurückreißen in seine Wohnung, Versetzen eines Kniestoßes und Zurückdrängen ins Schlafzimmer, zur Unterlassung der Verständigung der Polizei bzw Herbeiholung von Hilfe genötigt;

(zu C) am 18.November 1995 Angelika H***** durch Ansetzen eines Messers am Hals und durch die Drohung, ihr den Schädel abzuschneiden, gefährlich mit dem Tode bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

(zu D) am 16.Jänner 1996 den Eintritt in die Wohnstätte des Johann K***** mit Gewalt, nämlich durch Eintreten der Eingangstüre, erzwungen und

(zu E) am 16.Jänner 1996 eine fremde Sache, nämlich die Wohnungseingangstüre des Johann K*****, durch Eintreten beschädigt.

Zugleich mit dem angefochtenen Urteil faßte das Schöffengericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO den Beschluß, demzufolge die am 2.Mai 1995 zu 21 BE 235/95 des Landesgerichtes Innsbruck gewährte bedingte Entlassung des Angeklagten aus einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen und der Vollzug des Strafrestes von zwei Monaten und elf Tagen angeordnet wurde (US 6).

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 9 lit b StPO stützt; den Strafausspruch bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Berufung; den Widerrufsbeschluß ficht der Angeklagte mit Beschwerde an.

Die Rechtsmittelanträge des Angeklagten gehen zwar dahin, "das angefochtene Urteil aufzuheben", richten sich demnach gegen den gesamten Schuldspruch. Die Rechtsmittelschrift enthält jedoch nur zu den Schuldspruchsfakten A 1., 2. und 3., D und E sachbezogene Ausführungen. Zu den Schuldspruchsfakten B und C hingegen wurden weder bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde noch in ihrer Ausführung ausdrücklich oder durch deutliche Hinweise jene Tatumstände dargelegt, welche einen der im § 281 Abs 1 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe bilden sollen, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde insoweit gemäß § 285 a Z 2 StPO zurückzuweisen war.

Keine Unvollständigkeit im Sinne der Z 5 vermag der Beschwerdeführer mit dem Einwand aufzuzeigen, das Erstgericht habe den Schuldspruch laut A 2. (Körperverletzung des Johann K***** am 18.November 1995) und A 3. (Körperverletzung der Angelika H***** am 16.Jänner 1996) ausschließlich auf die Aussage des einzigen Belastungszeugen Johann K***** gestützt, jedoch den Angaben dieses Zeugen entgegenstehende Verfahrensergebnisse unberücksichtigt gelassen und erhebliche Widersprüche zwischen dessen Aussagen im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung mit Stillschweigen übergangen.

Im Kern wird mit diesem Vorbringen lediglich nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft. Hat sich doch das Schöffengericht getreu der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO ausführlich und kritisch mit der nicht immer gleichlautenden Aussage des Zeugen K***** auseinandergesetzt und dargelegt, warum es dennoch dessen Angaben vom 16. und 17.Jänner 1996 vor der Polizei (12 und 14 = 70 und 72; 85 ff) für glaubwürdig beurteilte und die Schuld des Angeklagten für erwiesen hielt (US 8, 9 f).

Daß Erwin H***** am 16.Jänner 1996 den einschreitenden Polizeibeamten gegenüber zugegeben hat, Angelika H***** in das Gesicht geschlagen zu haben (A 3.), stützt das Erstgericht aktengetreu auf den Polizeibericht (13 oben = 71 oben), in dem auch die objektivierten Verletzungen des genannten Opfers festgehalten sind (12 unten = 70 unten).

Der behauptete formale Begründungsfehler haftet daher dem bekämpften Urteil nicht an.

Auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) ist nicht begründet.

Soweit sie zum Schuldspruchfaktum A 1. mit spekulativen und hypothetischen Überlegungen gegen den festgestellten Tathergang, ferner gegen das Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Ass.Prof. Dr.R***** sowie gegen das Verhalten des Zeugen K***** bei dieser Tat remonstriert und daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der diesem Spruchspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken trachtet, verfällt sie abermals in den prozeßordnungswidrigen Fehler, die von den Erkenntnisrichtern auf der Basis der gesamten Beweisergebnisse sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks nach den Regeln der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und der allgemeinen menschlichen Erfahrung gelöste und plausibel begründete Schuldfrage zu kritisieren (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 a E 1 ff). Inwieweit zu den Fakten A 1 und 2 Beweismittel unvollständig ausgeschöpft worden sein sollen, läßt sich der in diesem Punkt unsubstantiierten Beschwerde nicht entnehmen.

Dem hinwieder gegen das Schuldspruchsfaktum A 3. erhobenen Vorwurf, das Erstgericht hätte entsprechend der Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit die einschreitenden Beamten als Zeugen laden und einvernehmen müssen, genügt es zu erwidern, daß es dem Angeklagten oder seinem Verteidiger freigestanden wäre, in der Hauptverhandlung einen darauf abzielenden begründeten Antrag zu stellen, nach dessen Abweisung ihnen die Ergreifung einer Verfahrensrüge (Z 4) offengestanden wäre. Da ein derartiger Antrag aber dem Inhalt des (ungerügt gebliebenen) Hauptverhandlungsprotokolls nicht zu entnehmen ist, bleibt dieser erst in der Beschwerde (und damit prozessual verspätet) relevierte Umstand unbeachtlich.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, die ein Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt und den Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz verlangt. Der Nichtigkeitswerber greift - im Rahmen der Rechtsrüge prozeßordnungswidrig seine Verantwortung als unwiderlegt deklarierend - zur Stützung seiner Verteidigungsvariante, demzufolge er beim gewaltsamen Eindringen in die Wohnung des Johann K***** am 16.Jänner 1996 (D und E) durch "übergesetzlichen Notstand" gerechtfertigt gewesen sei, bloß eine Wortgruppe ("weil ich gewaltsam in die Wohnung eingedrungen bin"), isoliert aus der erstgerichtlichen Begründung (US 10) heraus. Er übergeht dabei die weitere (in ihrem Zusammenhang zu sehende) Passage, wonach das Schöffengericht dem Beschwerdeführer keinen Glauben geschenkt hat, "zumal das Verhalten des Angeklagten nach seinem gewaltsamen Eindringen in die Wohnung alles eher als fürsorglich war und der Angeklagte auch gegenüber der Polizei unmittelbar nach dem Vorfall das Einschlagen der Wohnungstüre zugegeben hat [AS 71 oben], ohne einen angeblichen Notstand auch nur zu erwähnen". Demnach ist auf die weiteren, erneut bloß die Beweiswürdigung in Zweifel ziehenden Beschwerdeausführungen zum "16.1.1996" mit Hinweisen auf eine "bolivalente Alkohol- und Drogensucht", eine "Wesensveränderung in der Folge des Alkohol- und Drogenmißbrauchs" der Angelika H***** sowie auf die als unglaubwürdig abgelehnte Verantwortung des Angeklagten keine Rücksicht zu nehmen.

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde das Oberlandesgericht Innsbruck zuständig ist (§ 285 i StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte