Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Thomas S***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 23.März 1995 eine 41jährige Frau durch Zubodenwerfen, sodaß sie dort mit dem Kopf aufschlug, und wiederholtes Zuhalten des Mundes außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes nötigte.
Rechtliche Beurteilung
Die von ihm dagegen erhobene, auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Die Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt die Abweisung des auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Fakultätsgutachtens gerichteten Antrages (S 519/I), der zum Beweis dafür gestellt worden war, daß der Angeklagte zur Tatzeit an strafrechtlich relevanter Demenz litt, die es ihm nicht möglich machte, das Unrecht der vorgeworfenen Tat einzusehen oder danach zu handeln.
Gestützt auf eingeholte Gutachten wies das Erstgericht diesen Antrag mit der Begründung ab, daß keine Hinweise auf (Beweis-)ergebnisse vorliegen, "die ein Fakultätsgutachten notwendig machen würden" (S 520/I).
Die Strafprozeßordnung kennt seit dem Strafprozeßänderungsgesetz 1993 (BGBl 1993/526) das Fakultätsgutachten nicht mehr. Im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 126 Abs 1 StPO ist nach Abs 2 leg cit das Gutachten eines Sachverständigen mit Lehrbefugnis (venia docendi) an einer in- oder ausländischen Universität einzuholen, wenn es sich um eine Begutachtung psychischer Zustände und Entwicklungen handelt. Die Strafprozeßordnung regelt demnach nur mehr Befund und Gutachten durch die Person eines Sachverständigen, die Abgabe eines (einzigen) Gutachtens durch eine Gesamtheit von Fakultätsmitgliedern ist nicht mehr statthaft. Schon aus diesem Grund mußte der Beweisantrag der Ablehnung verfallen.
Es mangelt vorliegendenfalls aber auch an den Voraussetzungen des § 126 Abs 1 StPO. Der Angeklagte wurde im vorliegenden Verfahren sowohl einer psychiatrischen als auch einer psychologischen Untersuchung durch zwei bestellte Sachverständige unterzogen. Der Sachverständige aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie stellte auf Grund eigener Befundaufnahme sowie unter Berücksichtigung zahlreicher durch das psychiatrische Krankenhaus der Stadt Wien erhobener Krankengeschichten des Angeklagten sowie Befund und Gutachten des psychologischen Sachverständigen keine Tatsachen fest, die den rechtlichen Schluß auf mangelnde Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit zuließen (ON 9, 14, 33; S 156 f, 518 f/I). Auch der psychologische Sachverständige, der den Angeklagten entgegen den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen klinisch-psychologisch untersuchte (S 154/I), stellte auf Grund eigener Befunderhebungen sowie früherer Untersuchungen des Angeklagten (im Rahmen eines Anhalteverfahrens durch andere Fachärzte) keine Anzeichen für eine Geisteskrankheit oder früher durchlittene entsprechende Erkrankungen, einer Geisteskrankheit gleichen Veränderung der Bewußtseinstätigkeit sowie für strafrechtlich relevanten Schwachsinn (unter Berücksichtigung der Entwicklung des Angeklagten seit 1980 leichter bis höchstens mittelgradiger Schwachsinn) fest (S 154 ff, 506 ff/I). Mit der von der Beschwerde in den Vordergrund gerückten Frage der Festlegung eines ziffernmäßig bestimmten Intelligenzquotienten zum Problem der Festlegung der Demenzgrenze hat sich dieser Sachverständige eingehend auseinandergesetzt und erläutert, warum in diesem Zusammenhang nicht Maßzahlen sondern die Beschreibung von Leistungsdimensionen von Bedeutung sind (S 507 f/II).
Die eingeholten Gutachten weichen somit in keiner Weise voneinander ab, sind auch weder dunkel noch unbestimmt oder im Widerspruch mit sich selbst. Die darin gezogenen Schlüsse sind aus den angegebenen Vordersätzen folgerichtig gezogen (§§ 125, 126 Abs 1 StPO) und somit ausreichende Grundlage für die als Beweisfrage allein der Beurteilung der Tatsacheninstanz vorbehaltene Frage, ob die Gutachten ausreichend und schlüssig waren (Mayerhofer/Rieder, StPO3, § 126 E 1). Das Schöffengericht hat daher den Beweisantrag des Angeklagten im Ergebnis zu Recht abgelehnt, ohne gegen dessen Verteidigungsrechte zu verstoßen.
Auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) bestreitet unter dem Aspekt von aus den Akten ableitbaren erheblichen Bedenken die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit und führt dazu den Hinweis des psychiatrischen Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 1.August 1995 (ON 33) zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 21 Abs 2 StGB ins Treffen, der Angeklagte wäre (infolge einer Identitätsstörung nach Erikson, S 243/I) nicht in der Lage, seinen Sexualtrieb gesellschaftlich zu steuern. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund wird damit aber nicht dargetan. Einerseits betrifft dieses Gutachten lediglich die Frage der in § 21 Abs 2 StGB zur Anordnung dieser Maßnahme vorausgesetzten Prognose; solche Umstände sind jedoch ausschließlich mit Berufung geltend zu machen (SSt 47/32, 54/37; 13 Os 32/96). Andererseits können damit aber auch keine Bedenken im Sinne dieses Nichtigkeitsgrundes an den Feststellungen des Schöffengerichtes zur Dispositionsfähigkeit des Angeklagten geltend gemacht werden. Diese mangelt nur dann, wenn dem Täter wegen bestimmter im Gesetz bezeichneter biologischer Zustände bestimmte psychologische Eigenschaften fehlen, nämlich die nötige Vernunft und Willenskraft, der in das Unrecht der Tat gewonnenen Einsicht folgend zu handeln (Leukauf-Steininger, Komm3, § 11 RN 19), mit anderen Worten: wenn es dem Täter auf Grund der in § 11 StGB aufgezählten biologischen Zustände das Steuerungs- und Hemmungsvermögen fehlt. Gerade diese (biologischen) Zustände lagen zur Tatzeit, wie oben bereits dargelegt, aus neurologisch-psychiatrischer und psychologischer Sicht nicht vor. Das vom psychologischen Sachverständigen beschriebene soziopathische Bild des Angeklagten (S 154 f/I), das heißt sein auf asoziale (und dyssoziale) Faktoren zurückzuführendes (im Sinn des § 21 Abs 2 StGB abnormes) Verhalten, steht damit in vollständiger Übereinstimmung mit der vom psychiatrischen Sachverständigen beschriebenen Hemmung gesellschaftlicher Steuerung des Sexualtriebes, also den nicht biologisch bedingten, sondern bei erhöhten Aggressionsmechanismen und bestehender Konfliktbereitschaft (mit der Tendenz zu Kurzschlußhandlungen und histryonischen Persönlichkeitsmerkmalen) sozial nicht erworbenen oder nicht den gesellschaftlichen Notwendigkeiten entsprechend eingesetzten Brems- und Kontrollmechanismen.
Das übrige Vorbringen der Tatsachenrüge reduziert sich im Kern auf eine auch im Rahmen dieses Nichtigkeitsgrundes nicht zulässige Bekämpfung erstrichterlicher Beweiswürdigung in Art einer Schuldberufung (Mayerhofer/Rieder, aaO, § 281 Z 5 a E 4). Die vom Tatopfer infolge der Gewalteinwirkung (Werfen auf einen Steinboden) bekundeten Blutungen sind anhand der Aktenlage nicht als Verletzungsblutung, sondern als Folge des beim Opfer zur Tatzeit bestehenden status menstrualis (Untersuchungsbericht des aufnehmenden Krankenhauses, ON 23) zu erklären. Die Aussage der in der Beschwerde genannten Zeugen wurden von den Tatrichtern (die im Rahmen ihrer Überlegungen auch das Fehlen von Spermaspuren berücksichtigten, US
16) einer ausführlichen Würdigung unterzogen (US 22 ff) und dazu entsprechende Gründe angeführt, weswegen den Angeklagten entlastenden Aussagen nicht gefolgt werden konnte. Unter dem Gesichtspunkt der Tatsachenrüge werden damit keine erheblichen Bedenken gegen die entscheidungswesentlichen Tatsachengrundlagen des angefochtenen Urteiles geweckt.
Soweit in die Überlegungen der Beschwerdeausführungen Umstände einbezogen wurden, die die nach § 21 Abs 2 StGB anzustellende Prognose berühren, kann auf sie, wie bereits dargelegt, nur im Rahmen des Berufungsverfahrens eingegangen werden.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit als offenbar unbegründet in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des zuständigen Oberlandesgerichtes zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285 i StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)