OGH 10ObS2303/96s

OGH10ObS2303/96s12.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag Wilhelm Patzold (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) und Hofrat Mag Kurt Resch (aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing.Chris Elisabeth P*****, vertreten durch Dr.Georg Backhausen, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Kostenerstattung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.April 1996, GZ 10 Rs 167/95-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13.September 1995, GZ 5 Cgs 146/93h-38, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes, die in der rechtskräftigen Aufhebung des Ersturteils von S 4.680,-- unberührt bleibt, wird auch im übrigen (Abweisung eines Teilbetrages von S 86.650,-- sA) und insoweit auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben.

Die Sozialrechtssache wird auch in diesem Umfang zur Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die Klägerin leidet an Transsexualität und wurde zwischenzeitlich einer operativen Geschlechtsumwandlung (mit genitalveränderndem Eingriff) zur Frau unterzogen. In der Zeit vom 9.5.1989 bis 21.7.1993 wendete sie für psychotherapeutische Behandlungen insgesamt S 92.950 an Behandlungskosten auf (zur Aufschlüsselung verwies das Erstgericht zwar auf die Aufstellung Beilage D und erhob diese "ausdrücklich zur gerichtlichen Feststellung", schloß diese Urkunde allerdings zumindest der im Akt befindlichen Urschrift nicht als integrierenden Bestandteil an: siehe Danzl, Geo Anm 1 zu § 169). Davon wurden S

1.620 (Therapiestunden am 9. und 30.5.1989 bei Dozent Dr.B***** über S 960 und S 660) vom Erstgericht bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgewiesen. Ein weiterer Teilbetrag von S 4.680 wurde vom Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang zum Gegenstand eines (nicht weiter bekämpfbaren) Aufhebungsbeschlusses gemacht, sodaß im Revisionsverfahren lediglich ein restlicher Betrag von S 86.650 strittig ist.

Die beklagte Partei erließ hiezu drei - durch die Klägerin bekämpfte - Bescheide, und zwar:

Mit der am 2.8.1993 eingebrachten Klage bekämpfte die Klägerin zunächst die beiden erstgenannten Bescheide. Sie stellte das Begehren, die beklagte Partei zu verpflichten, den Betrag von S

92.950 samt 4 % Zinsen aus S 76.990 seit 31.12.1992, aus S 14.360 seit 4.6.1993 und aus S 1.600 seit 26.7.1993 binnen 14 Tagen zu ersetzen; darüber hinaus stellte sie das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, "aus dem Therapieverlauf heraus den bisherigen gestaltpädagogischen Berater der klagenden Partei, Prof.Dr.G***** S*****, Vorstandsmitglied des Institutes f.integrative Gestaltpädagogik und Seelsorge aufgrund dessen Erfahrung im Umgang mit Transsexualität einer Person, die gemäß § 11 Psychotherapiegesetz zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt ist, unpräjudiziell in dieser speziellen Situation gleichzustellen und weitere Therapie bis zum Operationstermin bei voller Kostenrückerstattung, danach zum in der Satzung festgesetzten Kostenzuschuß für Therapie bis zur endgültigen Stabilisierung der klagenden Partei zu genehmigen." Mit "Klageergänzung", beim Erstgericht eingelangt am 3.9.1993, wurde auch der oa nachträglich erlassene dritte Bescheid bei im übrigen unverändert gelassenem Klagebegehren bekämpft.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, wobei sie auf ihre Standpunkte laut obigen Bescheidbegründungen verwies.

Das Erstgericht wies - im zweiten Rechtsgang - das restliche Klagebegehren von S 91.330 (wie erwähnt war ein Teilbetrag von S 1.620 sA im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgewiesen worden) samt Staffelzinsen ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Klägerin ist bei der Beklagten vom 1.12.1981 bis 28.2.1991 aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses, vom 25.2. bis 14.7.1991, vom 2.9. bis 12.10.1991 und vom 19.10.1991 bis 21.6.1992 aufgrund von Maßnahmen nach dem Arbeitsmarktförderungsgesetz sowie vom 15.7. bis 1.9.1991 und ab 23.6.1992 "bis laufend" (gemeint: bis Schluß der Verhandlung erster Instanz) aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe zur Krankenversicherung gemeldet.

Dozent Dr.B***** ist eingetragener Facharzt für Psychiatrie und Neurologie. Sämtliche Behandlungen bei ihm lagen vor dem 28.6.1989. Hinsichtlich der Behandlungen bei Dr.B***** und Dr.Pa***** kann die Klägerin keine - zumindest rechnungsähnliche - Belege vorlegen. Diese Behandlungen fanden allesamt vor dem 1.1.1992 statt.

Weder Prof.S***** noch Mag.W***** waren in der Zeit vom 1.1.1992 bis 21.6.1993 in die Psychotherapeutenliste eingetragen. Betreffend Mag.Dr.R***** scheint keine Eintragung in der Ärzteliste auf, was bedeutet, daß sie weder niedergelassene Ärztin war noch ist; auch die Behandlungen der Klägerin bei ihr waren allesamt vor dem 1.1.1992. Im Bildungshaus der Salesianer in F***** wurden im Zeitraum 11.7.1991 bis 1.6.1993 weder niedergelassene Ärzte noch anerkannte Psychotherapeuten im Sinne des § 135 Abs 1 Z 3 ASVG beschäftigt; die Klägerin hat dort zwischen Juli 1991 und Jänner 1993 an mehreren gestaltungspädagogischen Kursen teilgenommen.

Die beklagte Partei hat für die von der Klägerin aufgewendeten Behandlungshonorare nur einen Kostenersatz von S 1.177,50 geleistet. Die erstmalige Antragstellung der Klägerin auf Rückerstattung der Therapiekosten gegenüber der Beklagten erfolgte am 28.12.1992. Zur in der bereits einleitend zitierten und vom Erstgericht "zur gerichtlichen Feststellung erhobenen" Kostenübersicht Beilage D hat die beklagte Partei satzungsgemäß lediglich die Behandlungen am 30.1.1991 bei Dr.S***** (S 480) sowie bei Dr.K***** am 20.5. und 24.6.1992 (S 660 und S 540) sowie - die nicht in dieser Aufstellung enthaltenen - Kosten der Behandlungen bei Dr.M***** am 22.4. und 18.5.1992 ersetzt.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, daß die Klägerin die Kostenerstattung hinsichtlich Behandlungen begehre, über die in den angefochtenen Bescheiden gar nicht abgesprochen sei; diesbezüglich sei das Klagebegehren als Säumnisklage im Sinne des § 67 Abs 1 Z 2 lit a ASGG zu werten. Für Leistungen nach den Sozialversicherungsgesetzen gebührten keine Verzugszinsen. Da nach § 102 Abs 2 ASVG Ansprüche auf Kostenersatz vom Anspruchsberechtigten bei sonstigem Verlust binnen 42 Monaten nach Inanspruchnahme der Leistung geltend zu machen seien, seien sämtliche Erstattungsansprüche für Leistungen vor dem 28.6.1989 verfallen. Psychotherapeutische Behandlungen vor Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes am 1.1.1992 seien nicht als ärztliche Hilfe im Sinne des § 135 ASVG anzusehen und daher mangels gesetzlicher Grundlage nicht zu ersetzen. Dasselbe habe für die Behandlungen der nicht niedergelassenen Ärztin Dr.R***** zu gelten. Behandlungen nach dem 1.1.1992 seien von der Beklagten gemäß § 131 Abs 1 iVm § 135 Abs 1 Z 3 ASVG zu ersetzen, wenn sie durch eine ausübungsberechtigte Person durchgeführt worden seien. Dabei richte sich der Umfang danach, welcher Betrag von der beklagten Partei als Versicherungsträger bei der Inanspruchnahme eines entsprechenden Vertragspartners aufzuwenden gewesen wäre. Die Kosten für die Behandlungen bei den Ärzten Dr.M*****, Dr.S***** und Dr.K***** seien satzungsgemäß ersetzt worden, sodaß diesbezüglich kein Anspruch mehr bestehe. Weder Prof.S***** noch Mag.W***** noch die im Bildungshaus der Salesianer tätigen Personen bzw Einrichtungen verfügten über eine Ausübungsberechtigung nach § 11 Psychotherapiegesetz, sodaß hiefür eine gesetzliche Grundlage nach § 131 Abs 1 iVm § 135 ASVG nicht bestehe. Zwar wären eingetragene Psychotherapeuten im Hinblick auf die Kostenerstattungsbestimmungen Wahlärzten gleichgestellt; daraus lasse sich aber nicht schließen, daß dem Versicherten im Hinblick auf den Kostenersatz eine Auswahl zwischen eingetragenen und nichteingetragenen Psychotherapeuten (ähnlich den Bestimmungen über Wahlärzte) zustehe, zumal die maßgeblichen §§ 131, 135 Abs 2 ASVG zwischen Ausübungsberechtigten mit und ohne vertragliches Übereinkommen mit dem Versicherungsträger unterschieden, nicht jedoch zwischen Behandlungen durch berechtigte und nichtberechtigte Personen. Das Vorliegen der in § 135 Abs 3 Z 1 ASVG genannten weiteren Voraussetzung der vorangegangenen ärztlichen Untersuchung müsse daher nicht weiter geprüft werden.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil das erstinstanzliche Urteil insoweit, als ein Teilbetrag von S 86.650 samt Staffelzinsen abgewiesen wurde und erklärte die (ordentliche) Revision für zulässig. Im übrigen, soweit ein Teilbetrag von S 4.680 abgewiesen wurde, wurde das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Ein Rekurszulassungsausspruch wurde nicht gefaßt. Das Berufungsgericht vertrat zum bestätigenden Teil seiner Entscheidung folgende Rechtsansicht:

Die beklagte Partei habe das Vorliegen einer Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nie bestritten; das Klagebegehren sei vom Erstgericht auch nicht deshalb abgewiesen worden, weil die psychotherapeutische Behandlung nicht zweckmäßig im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG gewesen wäre; daher gingen alle Rechtsmittelausführungen zur Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit derselben ins Leere. Da die Gleichstellung einer nichtärztlichen Behandlung mit einer ärztlichen einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung bedürfe, eine solche für psychotherapeutische Behandlungen jedoch im § 135 Abs 1 Z 3 ASVG erst durch die 50.ASVG-Novelle geschaffen wurde, folge, daß vor dem Inkrafttreten derselben (am 1.1.1992) erbrachte Leistungen von Psychotherapeuten nicht ersatzfähig seien. Alle vor diesem maßgeblichen Datum erbrachten Leistungen seien daher "mangels Gleichstellungsvorschrift" schon deshalb nicht ersatzfähig. Gegen § 133 ASVG bestünden dabei auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Vor Inkrafttreten des Psychologen- und Psychotherapiegesetzes am 1.1.1991 sei es der versicherten Gemeinschaft nicht zumutbar gewesen, für Kosten von Behandlungen durch Personen, die bezüglich ihrer Ausbildung und Qualifikation keinerlei Regelung unterlagen, aufzukommen. Nach Inkrafttreten dieser beiden Gesetze habe der Gesetzgeber aber ohnedies ohne unnötigen Aufschub mit der erwähnten 50.Novelle zum ASVG reagiert.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Teilurteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dieses im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsstattgebung (gemeint wohl: im vom Teilurteil umfaßten Betrag von S 86.650) abzuändern. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters enthält das Rechtsmittel die Anregung, das "OLG Wien als Berufungsgericht" (gemeint wohl: der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht) möge beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung des § 131 Abs 1 iVm Abs 2 ASVG auf seine Verfassungsmäßigkeit beantragen.

Eine Revisionsbeantwortung wurde durch die beklagte Partei nicht erstattet.

Die Revisionsausführungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß Psychotherapeuten vor dem 1.1.1992 nicht dem Personenkreis des "§ 153 Abs 1" (gemeint wohl: § 135 Abs 1) ASVG angehörten, vielmehr dieser Personenkreis erst durch die 50.ASVG-Novelle erweitert worden sei, unrichtig sei. Da es der Gesetzgeber "augenscheinlich vergessen" habe, eine Regelung für jene Fälle vorzusehen, in denen einem Versicherten - wenn auch nicht vom Gesetzgeber, so doch von einer dem Versicherten als öffentliche Autorität auftretenden Person (nämlich dem Oberten Sanitätsrat) - zwingend vorgeschrieben worden sei, eine bestimmte Behandlung über sich ergehen zu lassen, liege eine "planwidrige Lücke vor, die durch Analogie zu schließen" sei. Nur durch eine vorangehende psychotherapeutische Behandlung habe die Klägerin ein psychiatrisches Operations-Freigabe-Gutachten erhalten können, sodaß ihr für diese "aufgedrängte" Behandlung nicht nunmehr der Kostenersatz verweigert werden könne. Die vorangehende Behandlung durch Psychotherapeuten sei immer von der beklagten Partei als Voraussetzung für den Kostenersatz einer späteren Operation zwingend vorgeschrieben worden, sodaß nicht einzusehen sei, weshalb ihr ein Ersatz der Kosten für die abverlangten Sitzungen nunmehr nicht gewährt werden solle. Eine geschlechtsumwandelnde Operation - deren Kosten zwischenzeitlich von der beklagten Partei zurückerstattet worden seien - ohne begleitende psychotherapeutische Behandlung sei schon wegen des komplexen Krankheitsbildes und ihrer besonderen psychischen und sozialen Situation "mehr als fraglich". Diese psychotherapeutische Krankenbehandlung sei zudem keine eigenständige Behandlung gewesen, sondern habe allein der Vorbereitung auf die Operation sowie deren Nachbetreuung gedient, und stelle damit mit dieser zusammen eine einheitliche Behandlung dar. Schon vor dem Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes habe es entsprechend erfahrene Psychotherapeuten gegeben, die den im Gesetz geforderten Anforderungen bereits damals entsprochen hätten. Es hätte daher Feststellungen dazu bedurft, ob die sie behandelnden Personen solche entsprechend erfahrene Psychotherapeuten gewesen seien.

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig, weil der Oberste Gerichtshof mit der Frage, inwieweit durch Transsexualität aufgelaufene und im Zusammenhang mit einer genitalverändernden Umwandlungsoperation stehende psychotherapeutische Behandlungskosten vor Inkrafttreten der 50.ASVG-Novelle erstattungsfähige Kosten der Krankenbehandlung sind, noch nicht befaßt war. Sie ist auch im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrages berechtigt:

1. Zunächst ist vorauszuschicken, daß die in Punkt A 7. der Revision (Seite 6 = AS 216) erfolgte Verweisung "auf die gesamten Darstellungen in der Berufung, um unnötige Wiederholungen hintanzuhalten", wirkungslos bleiben muß. Es ist nämlich unzulässig, den Inhalt eines anderen (Rechtsmittel- oder sonstigen) Schriftsatzes zum Inhalt eines Rechtsmittels zu machen. Vielmehr können nur solche Ausführungen berücksichtigt werden, die im Rechtsmittel selbst oder zumindest ausdrücklich gegenüber dem Rechtsmittelgericht geltend gemacht werden (SZ 23/89, 35/66, RZ 1966, 185, EFSlg 39.585); ein solcher Mangel der Rechtsmittelschrift ist auch nicht verbesserungsfähig (EvBl 1985/153, 10 ObS 2129/96b).

2. Trotz des Hinweises, das Teilurteil aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung "zur Gänze" anzufechten, enthält diese nur Ausführungen zur Bekämpfung des Hauptsachen-, nicht jedoch auch des Nebengebührenanspruches von Verzugszinsen. Auf diesen Teil des Anspruches der Klägerin braucht daher mangels Relevierung nicht (mehr) näher eingegangen zu werden (10 Ob 1619/95, 6 Ob 2063/96t). Auch in der Berufung beider Rechtsgänge war die Rechtsrüge insoweit jeweils inhaltsleer geblieben. Im übrigen steht dieser Teil der Klagsabweisung mit der Rechtsprechung des Senates in Einklang (ausführlich SSV-NF 4/131 und 8/51).

  1. 3. Nach dem Gutachten des Obersten Sanitätsrates in seiner 160. und
  2. 161. Vollversammlung vom 11.6. bzw 12.10.1983 (Mitteilungen der österreichischen Sanitätsverwaltung, Jg 85, 24 = Beilage F) ist Transsexualismus "das Symptomenbild kontrasexuell identifizierter Personen, das sind Personen, die sich ihrem somatischen Geschlecht entfremdet und seelisch sowie sozial dem konträren Geschlecht zugehörig fühlen. Sie haben ihrer eigenen Genitalausstattung gegenüber eine derartige Abscheu, daß sie den unverrückbaren Wunsch nach einer operativen Geschlechtsumwandlung haben. Die Geschlechtsumwandlung erfordert sowohl ein operatives Vorgehen als auch eine lebenslange medikamentöse Verabreichung von Hormonen. Die Indikation für derartige Maßnahmen soll nicht vor einem Mindestalter von 19 Jahren gestellt werden und an eine vorherige Beiziehung eines Genetikers, Endokrinologen, Andrologen oder Gynäkologen sowie eines Psychiaters, die gemeinsam die Diagnose der Transsexualität und eventuelle Ausschließungsgründe für eine Operation festzustellen haben, gebunden sein."

Die beklagte Partei hat bereits in ihrem Äußerungsschriftsatz vom 7.2.1995 klar- und außer Streit gestellt, daß die bei der Klägerin bestandene und durch Operation zur Geschlechtsumwandlung führende Transsexualität als Krankheit zu werten ist (in diesem Sinne auch ausdrücklich das im Akt als Beilage E erliegende Schreiben des damaligen Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 21.11.1990, Zl 125.512/3-5/1990, wonach "der Hauptverband immer die Ansicht vertreten hat, daß es sich bei Transsexualismus grundsätzlich um eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne handelt; es wird sich dabei um einen regelwidrigen Körper- und Geisteszustand handeln, der eine Krankenbehandlung erforderlich macht... und die Krankenversicherungsträger grundsätzlich die Kosten für eine entsprechende Krankenbehandlung zu tragen haben").

Aus der Entscheidung des (deutschen) Bundessozialgerichts vom 6.8.1987 BSGE 62,83/15 ergibt sich, daß eine als Transsexualität zu wertende Krankheit (im Sinne der § 182 Abs 2, § 184 Abs 1 dRVO) dann vorliegt, wenn die innere Spannung zwischen dem körperlichen Geschlecht und der seelischen Identifizierung mit dem anderen Geschlecht eine derartige Ausprägung erfahren hat, daß nur durch die Beseitigung dieser Spannungsschwere Symptome psychischer Krankheiten behoben oder gelindert werden. Diese Auffassung wurde auch im Schrifttum der BRD geteilt (Figge, Sozialversicherungs-Handbuch, Leistungsrecht 4.1.1.2.7). Auch das vom Deutschen Bundestag am 10.9.1980 beschlossene Transsexuellengesetz (TSG), dBGBl I 1654, geht in seinem § 1 Abs 1 (wohl) davon aus, indem es eine davon betroffene Person dahingehend definiert, daß sich diese "aufgrund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben". Schneider, Zur Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem Transsexuellengesetz, NJW 1992, 2940 vertritt (offenkundig) gleichfalls den Gedanken der Transsexualität als Krankheit, bezeichnet er doch (aaO 2941, 2. Absatz) - unter Hinweis auf die Materialien - das dTSG hierin ausdrücklich als "das [bisher] einzige Gesetz, das speziell für eine [nämlich diese] Patientengruppe [vom Deutschen Bundestag] verabschiedet wurde". In diesem Sinne lesen sich auch die umfangreichen - auch rechtshistorischen und rechtsvergleichenden - Materialien des Deutschen Bundestages zum erwähnten TSG (BT-Dr 8/2947 vom 6.6.1979, Deutscher Bundestag 8.Wahlperiode; siehe zur Problematik insgesamt auch ausführlich sowie die tatsächliche und rechtliche Lage in anderen europäischen und außereuropäischen Staaten rechtsvergleichende Untersuchung von Edlbacher, Die Transsexualität im Zivil- und im Personenstandsrecht, ÖJZ 1981, 173 ff sowie RV 467 BlgNR 17.GP, 9 [zu § 2 Abs 2 Z 3 NÄG BGBl 1988, 195]).

Auch der Oberste Gerichtshof hat zwischenzeitlich in seiner (ebenfalls die hier klagende Partei, dort allerdings als Unterhaltsschuldner betreffenden) Entscheidung 3 Ob 570/95 vom 21.12.1995 - wenngleich zur Frage der Anrechenbarkeit der durch Transsexualität des Unterhaltspflichtigen entstandenen Kosten und Aufwendungen bei der Unterhaltsbemessung - diese Auffassung der Transsexualität als Krankheit ausdrücklich bejaht.

Daß es sich bei der geschlechtskorrigierenden Operation der Klägerin um einen (auch therapeutisch!) medizinisch nicht indizierten und damit nicht gebotenen Eingriff gehandelt hätte, wurde von der beklagten Partei nie behauptet. Im Hinblick auf den vielmehr von ihr selbst zugestandenen Krankheitscharakter der bei der Klägerin gegebenen Transsexualität (als einem gegenüber Gesunden akuten und regelwidrigen, somit behandlungsbedürftigen Körperzustand) und die (unstrittige) Anerkennung ihrer Leistungspflicht im Zusammenhang mit der bereits durchgeführten genitalverändernden Operation können sich weitergehende Ausführungen hiezu (vorerst) erübrigen.

4. Bereits in seiner in NJW 1992, 760 veröffentlichten Entscheidung betreffend die gerichtliche Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit einer transsexuellen Person hat das OLG Zweibrücken - unter Hinweis auf das Erkentnis des deutschen Bundesverfassungsgerichtes NJW 1979, 595, auf welches der deutsche Gesetzgeber in den bereits erwähnten Materialien zum TSG seinerseits ausdrücklich Bezug genommen hat (BT-Dr 8/2947, 8 f) - erkannt, daß "die Menschenwürde und das Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung es gebieten, den Personenstand des Menschen dem Geschlecht zuzuordnen, dem er nach seiner psychischen und physischen Konstitution zugehört. Dabei geht unsere [nämlich die deutsche] Rechtsordnung und unser soziales Leben von dem Prinzip aus, daß jeder Mensch entweder 'männlichen' oder 'weiblichen' Geschlechts ist". Solche verfassungsrechtliche Wertungen sind durchaus auch auf die österreichische Rechtslage übertragbar:

Nach Art 8 Abs 1 der von Österreich ratifizierten und seither im Verfassungsrang in Geltung stehenden EMRK (BGBl 1958/210 idgF) hat "jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens". Der nicht näher definierte Begriff des "Privatlebens" wird hiebei als die "intime Sphäre eines Menschen verstanden, in der er seinen spezifischen Interessen und Neigungen nachgeht, die Ausdruck seiner Persönlichkeit sind; dazu gehören auch Beziehungen zu anderen Menschen, insbesondere auch solche sexueller Natur" (Mayer, MKK B-VG 443). Das Recht auf Achtung des Privatlebens umfaßt danach also ua die Freiheit des einzelnen, seiner sexuellen Orientierung entsprechend zu leben (Lukasser, Europäische Menschenrechtskonvention und individueller Lebensstil, ÖJZ 1994, 569), manifestiert sich doch die Einzigartigkeit jedes Menschen (so treffend Ermacora, Grundriß der Menschenrechte in Österreich, Rz 555) nicht nur in seiner weltanschaulichen und politischen Auffassung, sondern auch seiner Einstellung zur Transzendenz, seiner Geschlechtlichkeit, seiner Körperlichkeit, seiner Psyche und seinem Tod. Beeinträchtigungen dieser zentralen Bereiche menschlicher Existenz sind somit Eingriffe in das Menschenrecht auf Achtung des Privatlebens, die nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art 8 Abs 2 leg cit zulässig sind (Lukasser, aaO 570). Insoweit darf also der Staat "die Sexualität nicht tangieren" (Ermacora, aaO Rz 556; siehe auch Klecatsky/Morscher, B-VG3 E 7 zu Art 8 MRK). Bereits in seinem Erkenntnis vom 25.3.1992 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen, daß das Recht auf Achtung des Privatlebens zu schützen hat vor besonderen Unannehmlichkeiten im Alltag zufolge Transsexualität (ÖJZ 1992, 625 MRK 30); in diesem Sinne ist auch die vom Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten bereits am 15.11.1989 dem Bundesministerium für Inneres übermittelte Empfehlung 1117 (1989) des Europarates vom 29.9.1989 betreffend die Lage der Transsexuellen zu lesen (Beilage H; einschränkend allerdings OLG Wien in MR 1991/17).

5. Nach Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch257, 1559 bedeutet Transsexualität die "Entwicklung einer Geschlechtsidentität, die zum somatischen Geschlecht im Widerspruch steht. Transsexuelle sind somatisch eindeutig männlichen bzw weiblichen Geschlechts, fühlen sich jedoch psychisch in jeder Hinsicht dem anderen Geschlecht zugehörig. Transsexualität kommt bei beiden Geschlechtern vor und ist streng zu trennen von Homsexualität und Transvestismus; Transsexuelle empfinden sich in der Regel als heterosexuell, häufig besteht ein erheblicher Leidensdruck". Der operative Eingriff der Geschlechtsumwandlung ist dabei bloß die zweite, plastisch-chirurgisch vollzogene Phase des Eingriffs; erste Phase ist die hormonelle Vorbehandlung mit Sexualhormonen des angestrebten Geschlechts (Pschyrembel, aaO 535), welche nach dem bereits erwähnten Gutachten des Obersten Sanitätsrates sogar einer lebenslänglichen medikamentösen Verabreichung bedarf (Beilage F). "Weitere Voraussetzung" für die Durchführung einer derartigen Maßnahme ist hiebei (nach eben diesem Gutachten) aber auch "die erfolgte Durchführung einer zwei Jahre laufenden Psychotherapie bei einem entsprechend erfahrenen Psychotherapeuten. Nach deren Abschluß ist eine neuerliche Begutachtung durch einen Psychiater notwendig. Dieser hat hierauf endgültig das Freisein von Kontraindikationen festzustellen. Sämtliche befaßten Ärzte dürfen in keiner Weise an der Operation beteiligt sein." Plastisch sprach in diesem Zusammenhang schon das Deutsche Bundesverfassungsgericht in seinem weiter oben bereits zitierten Erkenntnis vom 11.10.1978 (NJW 1979, 595) vom "in medizinischen Abhandlungen geschilderten Leidensdruck Transsexueller", dem eben gerade durch die vom Obersten Sanitätsrat bereits frühzeitig und langfristig empfohlene psychotherapeutische Vor- und Begleitbehandlung entgegengewirkt werden soll. Konsequenterweise hat auch der Oberste Gerichtshof in der ebenfalls bereits zitierten (unterhaltsrechtlichen) Vorentscheidung 3 Ob 570/95 den "Mehraufwand, der durch eine erfolgversprechende, zur Linderung der Symptome geeigneten psychotherapeutischen Behandlung entsteht", bei der Ermittlung der maßgeblichen Unterhaltsbemessungsgrundlage der Klägerin berücksichtigt, und hiezu noch ergänzend ausgeführt, daß es "bei der Lösung der Frage, ob auf einen solchen Aufwand Bedacht zu nehmen ist, nicht auf die (strengen) Kriterien ankommt, die Voraussetzung für den Ersatz der Kosten durch den Krankenversicherungsträger sind (vgl § 133 Abs 2 ASVG)". Diese Frage hat daher der nunmehr befaßte sozialrechtliche Fachsenat zu lösen. Hiebei war - anknüpfend an das bereits Vorangestellte - von folgenden weiteren Erwägungen auszugehen:

6. Aus all dem bisher Gesagten folgt zunächst, daß die für das Kostenersatzbegehren relevante Krankenbehandlung der Klägerin nicht erst mit der erfolgten (datummäßig jedoch nicht exakt feststehenden) genitalverändernden Operation einsetzt, sondern bereits tatsächlich wesentlich früher. Der Versicherungsfall der Krankheit gilt nach § 120 Abs 1 Z 1 ASVG "mit dem Beginn der Krankheit, das ist des regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes, der die Krankenbehandlung notwendig macht", als eingetreten (gleichermaßen auch § 80 Abs 1 Z 1 GSVG, § 76 Abs 1 Z 1 BSVG, § 53 Abs 1 Z B-KUVG). Durch die Krankenbehandlungen sollen nach dem § 133 Abs 2 zweiter Satz ASVG "die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden" (ebenso wiederum § 90 Abs 2 GSVG, § 83 Abs 2 BSVG und § 62 Abs 2 B-KUVG). Eine notwendige Krankenbehandlung und damit eine Krankheit in diesem Sinne ist auch dann anzunehmen, wenn die Behandlung geeignet erscheint, eine Verschlechterung des Zustandsbildes hintanzuhalten (SSV-NF 2/115 = SZ 61/226, 10 ObS 51/96, jeweils mwN). Daß nach den Feststellungen bei der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand und damit eine Krankheit im Sinne des § 120 Abs 1 ASVG vorlag, die einen Anspruch auf Krankenbehandlung gemäß § 133 ASVG auslöste, wurde bereits oben zu Punkt 3. ausführlich begründet und wird im übrigen auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

7. Nach § 133 Abs 2 erster Satz ASVG muß die Krankenbehandlung "ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten". Die verba legalia "ausreichend, zweckmäßig, notwendig" sind dabei als "Instrument gegen extrem zweckwidrige Leistungsgewährung, also eine Art Mißbrauchskontrolle" zu verstehen, also als "Leistungsschranke" (Mazal, Der Anspruch auf Krankenbehandlung, VersRdSch 1991, 297 [303]; siehe hiezu auch ausführlich sowie unter Hinweis auf die deutsche Rechtslage SSV-NF 7/112). Die beklagte Partei bestreitet allerdings ohnedies nicht die Notwendigkeit der allein revisionsgegenständlichen psychotherapeutischen Behandlungen, sondern bloß deren (soweit noch relevant) Durchführung durch nicht niedergelassene, vor Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes nicht berechtigte Therapeuten sowie schließlich fehlenden Leistungsauftrag im Sinne des zweiten Teiles des ASVG. Soweit das Erstgericht einzelne Leistungen aus der Aufstellung Beilage D, nämlich jene vor dem 28.6.1989, für gemäß § 102 Abs 2 ASVG - so wie bereits im ersten Rechtsgang - im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung erneut für verfallen erklärte, braucht hierauf schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil dies nach der maßgeblichen Aufstellung Beilage D (welche zum integrierenden Bestandteil der Feststellungen gemacht wurde) ohnedies nur die einleitend derselben angeführten beiden Positionen "Doz Dr.B*****" am 9. und 30.5.1989 betrifft, deren Abweisung schon im ersten Rechtsgang mangels Bekämpfung in Rechtskraft erwachsen ist. Die nochmalige Relevierung dieser Passage des Ersturteils aus dem ersten Rechtsgang im Urteil des zweiten Rechtsganges ist daher nicht recht verständlich. Prüfungs- und damit entscheidungsrelevant sind vielmehr die in dieser Aufstellung enthaltenen Leistungen ab dem 8.8.1989, soweit und sofern diese nicht zum Gegenstand des (vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfenden) berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses gemacht worden sind.

8. Erstmalig durch das am 1.1.1991 in Kraft getretene Psychotherapiegesetz BGBl 1990/361 wurde der Gesundheitsberuf des Psychotherapeuten als freier Beruf geschaffen. Zur selbständigen Ausübung ist gemäß § 11 leg cit berechtigt, wer die im Gesetz vorgeschriebene Ausbildung absolviert hat und in die vom Bundeskanzler "zur Wahrung des öffentlichen Interesses" zu führende Psychotherapeutenliste eingetragen worden ist. Gemäß § 24 Abs 2 des Gesetzes ist die Ausübung der Psychotherapie keine nach den Bestimmungen der Ärztegesetzes ausschließlich Ärzten vorbehaltene Tätigkeit. Diese Bestimmung enthält die notwendige legistische Klarstellung des Verhältnisses zum Ärztegesetz (RV 1256 BlgNR 17.GP, 19), weil Psychotherapie nach der Legaldefinition des § 1 Abs 1 PsychotherapieG ("umfassende, bewußte und geplante Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen... mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundheit des Behandelten zu fördern") auch Krankenbehandlung sein kann. Dies ist nunmehr aber nicht mehr allein den Ärzten vorbehalten (Kierein/Pritz/Sonneck, PsychologenG und PsychotherapieG, 165 und 167; 10 ObS 241/95).

Erst durch die am 1.1.1992 in Kraft getretene 50.Novelle zum ASVG wurde dessen § 135 Abs 1 zweiter Satz (durch Art II Z 16) neu gefaßt. Nunmehr sind "im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 133 Abs 2) der ärztlichen Hilfe gleichgestellt" auch "eine aufgrund ärztlicher Verschreibung oder psychotherapeutischer Zuweisung erforderliche diagnostische Leistung eines klinischen Psychologen... gemäß § 12 Abs 1 Z 2 des Psychologengesetzes BGBl 1990/360..." (Z 2) oder "eine psychotherapeutische Behandlung durch Personen, die gemäß § 11 des Psychotherapiegesetzes BGBl 1990/361 zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt sind; dies allerdings nur, wenn nachweislich vor oder nach der ersten, jedenfalls vor der zweiten psychotherapeutischen Behandlung innerhalb desselben Abrechnungszeitraumes eine ärztliche Untersuchung (§ 1 Abs 1 Z 1 des Ärztegesetzes BGBl 1984/373) stattgefunden hat". In den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung heißt es, daß "durch diese Erweiterung... auch klargestellt werden soll, daß die soziale Krankenversicherung nur die Kosten für die psychologische Diagnostik bzw die psychotherapeutische Krankenbehandlung übernimmt, also nur für die Behandlung bzw Diagnostik von Störungen mit Krankheitswert im Sinne des § 120 Abs 1 Z 1 iVm § 133 Abs 2 ASVG. Andere Behandlungen im Sinne des § 1 Abs 1 des Psychotherapiegesetzes (zB Behandlungen mit dem Ziel, die Reifung und Entwicklung des Behandelten zu fördern, oder eine psychosoziale Betreuung) werden somit von der Leistungszuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfaßt."

Nach § 131b (idF Art II Z 15 der 50.ASVG-Nov) ASVG betreffend "Kostenzuschüsse bei Fehlen vertraglicher Regelungen" gilt dann, wenn andere Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung stehen, "§ 131a ASVG mit der Maßgabe, daß in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Der Versicherungsträger hat das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen." Damit trifft der neue § 131b ASVG "Vorsorge für die Fälle, in denen für den Bereich einer Berufsgruppe (zB Psychotherapeuten, klinische Psychologen) noch keine Verträge bestehen und auch keine derartigen Verträge zustande kommen. Die Neuregelung eröffnet der Satzung die Möglichkeit, Kostenzuschüsse für den Versicherten unter Bedachtnahme auf dessen wirtschaftliches Bedürfnis bzw auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers festzusetzen" (RV aaO 30). Hinsichtlich der Höhe des Kostenzuschusses hat der Gesetzgeber damit keine Festlegung getroffen, sondern es der Verantwortung der Versicherungsträger überlassen, die entsprechende Höhe des Kostenzuschusses satzungsmäßig festzulegen. Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei den Kostenzuschuß für die Behandlung durch einen nicht-ärztlichen Psychotherapeuten ab 1.1.1992 mit S 300 für eine Einzelsitzung zu 60 Minuten und S 175 für eine solche zu 30 Minuten festgelegt (Anhang VI, Amtliche Verlautbarung, 28/1992, abgedruckt in SozSi 1992, 175). Das Erstgericht hat unbekämpft (Seite 3 der Entscheidung = AS 153) festgestellt, daß die von der beklagten Partei refundierten Kosten der Behandlungen bei Dr.M*****, Dr.S***** und Dr.K***** satzungsgemäß erstattet wurden.

Durch diese 50.Novelle erfolgte damit eine weitere punktuelle Erweiterung des an sich in der Stammfassung des ASVG (BGBl 1955/189) noch ausschließlich den Ärzten (§ 135) vorbehalten gewesenen Krankenbehandlungsmonopols (SSV-NF 8/39 = SZ 67/74 = RdM 1994/29). In dieser Entscheidung hat der Senat - betreffend die Gleichstellung von klinischen Psychologen und Psychotherapeuten - die auch für den hier zu beurteilenden Sachverhalt maßgebliche Aussage getroffen, daß die 50. Novelle "deutlich zeigt, daß die Konzeption des Gesetzgebers grundsätzlich davon ausgeht, daß die Gleichstellung einer nicht-ärztlichen Behandlung mit einer ärztlichen einer ausdrücklichen gesetzlichen Verankerung bedarf... Da § 135 Abs 1 Satz 2 ASVG letztlich auch eine Begrenzung der für Krankenbehandlung aufzuwendenden Kosten bezweckt, ist es nicht gerechtfertigt, durch Analogie den Kreis der auf Krankenkassenkosten durchzuführenden Behandlungen zu erweitern." Daraus folgt, daß im vorliegenden Fall schon aufgrund der weiter oben zur Darstellung gebrachten Grundsätze eine Krankenbehandlung vor dem 1.1.1992 - den in Rede stehenden Bereich der Krankheit abdeckend - grundsätzlich medizinisch geboten und damit auch zulässig war. Aus sozialversicherungsrechtlich-kostenmäßiger Sicht ist aber vorauszusetzen, daß diese

Dadurch wird jeweils der Charakter der ärztlichen Hilfe zufolge Überwachung, Einflußnahme und Anweisungsberechtigung erhalten. Daraus folgt, daß nur so die der Klägerin durch eine solche (nicht-ärztliche) Person zugekommene Hilfe dennoch als eine ärztliche im Sinne des § 135 Abs 1 ASVG zu qualifizieren wäre. Eine darüber hinausgehende Gleichstellung freiberuflich ausgeübter psychotherapeutischer Dienste zur ärztlichen Hilfe auf Kosten eines Krankenversicherungsträgers verbietet sich jedoch aufgrund dieser klaren Rechtslage, zumal sich - wie bereits ausgeführt - aus der Funktion und Entstehungsgeschichte des § 135 ASVG ergibt, daß die Aufzählung derjenigen medizinischen Dienste, die der ärztlichen Hilfe gleichgestellt sind (bzw vor der Erweiterung durch die 50.Novelle bereits waren), stets als eine abschließende gemeint war (SSV-NF 8/39 = SZ 67/74).

9. Um die Sache in diesem Sinne spruchreif zu machen, bedarf es weiterer Feststellungen:

a) Bezüglich der Behandler Dr.B*****, Dr.Pa*****, Prof.S***** und Mag.W***** sind zunächst Feststellungen im Sinne des vorstehenden Absatzes (Qualifikation als selbständiger Arzt, verneinendenfalls Therapeutentätigkeit im verantwortlichen Zusammenwirken mit einem solchen) erforderlich.

b) Allerdings hat das Erstgericht die (von der Klägerin unbekämpft gebliebene) Feststellung getroffen, daß diese für einzelne derartiger Leistungen keine "zumindest rechnungsähnlichen Belege" habe vorlegen können. Dies ist insofern von Bedeutung, als nach Abschnitt VI Z 39 der Krankenordnung der beklagten Partei (§ 456 Abs 1 ASVG), die für alle Versicherten, welche Leistungen von ihr in Anspruch nehmen, verbindlich ist (Z 1 Abs 4), ein Versicherter, der nicht Vertragsärzte oder eigene Einrichtungen oder Vertragseinrichtungen der Kasse in Anspruch nimmt, die solcherart entstandenen Kosten zunächst selbst zu tragen hat, und der Kostenersatz nach Maßgabe der Satzung gemäß Z 40 der Krankenordnung hernach durch Einreichen einer mit den hierin (sowie in § 25 Abs 2 der Satzung) aufgezählten Angaben versehenen saldierten Honorarrechnung zu erfolgen hat (siehe hiezu jüngst auch ausführlich 10 ObS 2078/96b). Diese Regelungen in der Krankenverordnung und in der Satzung sind nach Auffassung des Senates auch sachgerecht. Daß nur bereits bezahlte, also ausgelegte Kosten refundiert werden (können), beruht auf dem im Krankenversicherungsrecht geltenden Kostenerstattungsprinzip (Tomandl, Grundriß4 Rz 71). Daß hierüber saldierte Rechnungen verlangt werden, entspricht einerseits einem Gebot der Verwaltungsökonomie, weil bei der Vielzahl der Fälle eine anderweitige Beweisführung - etwa durch Zeugen, Sachverständige oder Parteienvernehmung - für den Versicherer mit einem unvertretbaren (unzumutbaren) Aufwand verbunden und damit praktisch nicht durchführbar wäre; darüber hinaus können hiedurch aber auch sich zu Lasten der die Finanzierung überwiegend tragenden Versichertengemeinschaft auswirkende Manipulationen einfach, aber wirkungsvoll hintangehalten werden.

Ausgehend von dieser Rechtslage wären somit alle jenen Positionen aus der Leistungsaufstellung Beilage D, für welche die Klägerin dem beklagten Versicherungsträger gegenüber keine den vorstehenden Bestimmungen entsprechenden Rechnungen vorzulegen vermochte, aus denen sich die Höhe des Kostenersatzes ableiten ließ, von vornherein für einen Zuspruch ungeeignet; das darauf gerichtete Klagebegehren müßte dann in jedem Falle abgewiesen werden (10 ObS 52/96, 10 ObS 2078/96b).

c) Bezüglich Mag.Dr.R***** wurde festgestellt, daß diese mangels Eintragung in die Ärzteliste weder niedergelassene Ärztin war noch ist. Diese Eintragung in die von der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 11a ÄrzteG geführte Liste ist nach § 3 Abs 1 leg cit ua ein Erfordernis zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt. Dies allein würde jedoch nach dem Vorgesagten ebenfalls kein Hindernis sein, daß die Genannte allenfalls im Rahmen eines ärztlichen Behandlungsplanes unter ärztlicher Anleitung und Überwachung tätig geworden wäre. Diesbezüglich ist der Sachverhalt auch ihre Person betreffend aufklärungsbedürftig.

d) Einzig bezüglich der gestaltungspädagogischen Kurse im Bildungshaus D***** zwischen dem 11.7.1991 und 1.6.1993 liegen Feststellungen dahingehend vor, daß dort weder "niedergelassene" (also zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigte) Ärzte noch "anerkannte" Psychotherapeuten beschäftigt gewesen sind. Insoweit würde es abermals schon dem Grunde nach an den aufgezeigten Voraussetzungen für einen Kostenersatzanspruch für diese Behandlungen mangeln. Da jedoch aus dem vom Erstgericht zum Bestandteil seiner Feststellungen erhobenen Übersichtsblatt Beilage D nicht hervorgeht, welche hierin aufgeführten Leistungen auf die Therapien in F***** entfallen, wird das Erstgericht auch diesbezüglich präzise und unmißverständliche Feststellungen zu treffen haben.

Daß hiebei allfällige Beträge ohne Verzugszinsen zuzusprechen sein werden, wurde bereits einleitend (Punkt 2.) ausgeführt, sodaß zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf verwiesen werden kann.

Die bisherigen Verfahrensergebnisse reichen somit zu einer abschließenden Beurteilung noch nicht aus. Insoweit bedarf es jedenfalls einer Verhandlung in erster Instanz, weshalb das angefochtene Teilurteil und das Urteil des Erstgerichtes insgesamt aufzuheben und die Sozialrechtssache zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an dieses zurückzuverweisen waren.

10. Abschließend ist noch auf die in Abschnitt B der Revision behandelte Anregung, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof bezüglich des § 133 Abs 1 iVm Abs 2 ASVG zu beantragen, einzugehen. Die Klägerin erblickt in dieser Bestimmung eine Ungleichbehandlung von Kranken, für welche keine ärztliche Hilfe bereitgestellt ist bzw für deren zweckmäßige Behandlung im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG die Behandlung nur durch einen Arzt nicht ausreicht. Diese Ungleichbehandlung sei auch durch § 11 PsychotherapieG nicht beseitigt worden. Trotz Erweiterung des § 135 Abs 1 ASVG würden psychosoziale Betreuungen im Falle transsexueller Patienten nicht erfaßt. Auch sei es "menschenrechtlich sowie verfassungsrechtlich auch im Hinblick auf das Legalitätsprinzip höchst bedenklich", Menschen wie die Klägerin zu einer solchen Therapie (als Voraussetzung einer Operation) "zu zwingen".

Diese Ausführungen decken sich wörtlich mit jenen der Berufung. Das Berufungsgericht hat sich ausführlich damit auseinandergesetzt. In der Revision werden keine neuen, zusätzlichen Argumente vorgebracht. Die Revisionswerberin erachtet sich nur durch die Einschränkung der einem Sozialversicherungsträger obliegenden Krankenbehandlung auf "ärztliche Hilfe" (im Sinne des § 133 Abs 1 Z 1 ASVG) beschwert. Daß aber im Rahmen der Leistungspflicht (hier der beklagten Partei) vom Versicherungsträger unter Umständen auch Krankenbehandlungen zu ersetzen sind, welche zwar grundsätzlich "ausreichend und zweckmäßig" sein müssen und "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen" (§ 133 Abs 2 ASVG; ebenso auch § 90 Abs 2 GSVG, § 83 Abs 1 BSVG und § 62 Abs 2 B-KUVG), aber Therapiemethoden sind, die allenfalls auch (vor Inkrafttreten der 50.ASVG-Novelle) von Nichtärzten (psychotherapeutisch geschulten Personen) erbracht werden und im Einzelfall (hier etwa wegen Transsexualismus) erforderlich, zweckmäßig und notwendig sind, hat der Senat schon oben in bejahendem Sinne klargelegt; daß allerdings dann das Moment der ärztlichen Anweisung und Kontrolle bzw des ärztlichen Behandlungsplanes beachtet werden muß, um so dem Begriff der "ärztlichen Hilfe" gerecht zu werden, verstößt nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes gegen keine weitergehenden verfassungsrechtlich verankerten Grundsätze. "Ärztliche Hilfe" muß als Maßnahme der Krankenbehandlung zur Wiederherstellung der Gesundheit, Arbeitsfähigkeit oder Selbsthilfefähigkeit (im Sinne des § 133 Abs 2 ASVG) grundsätzlich eine Leistung bleiben, "die wesentlich durch Anwendung medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse bestimmt wird" (Tomandl, System 208). Insofern würde allenfalls ein Gleichbehandlungsverstoß dann vorliegen, wenn für selbst unter ärztlicher Anleitung, Beobachtung und Kontrolle erbrachte Krankenbehandlungsleistungen generell keine Kostenersatzpflicht statuiert wurde; da dies jedoch nicht der Fall ist, sind die bezogenen Regelungen des Gesetzgebers - die sich, wie ausgeführt, inhalts- und wortgleich auch in den Parallelgesetzen so finden - durchaus sachadäquat und nach Auffassung des Senates mit keiner Verfassungswidrigkeit behaftet. Ein Verstoß gegen das (in Art 18 Abs 1 B-VG verankerte) Legalitätsprinzip bezüglich des weiter oben mehrfach zitierten und auch inhaltlich wiedergegebenen Gutachtens des Obersten Sanitätsrates kann schon deshalb nicht erblickt werden, weil es sich nach dessen klarem Wortlaut (siehe letzter Absatz, Beilage F) ausdrücklich nur um eine "Empfehlung", also keine verbindliche Anordnung mit Normcharakter, handelte.

11. Es war daher aus allen diesen Erwägungen wie im Spruch zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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