Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern wurde am 30.5.1985 nach § 55a EheG rechtskräftig geschieden. Auf Grund des Scheidungsvergleiches stand die Obsorge der Mutter zu.
Die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters betrug zuletzt auf Grund des Beschlusses vom 16.1.1995 (ON 153) S 3.550,- je Kind.
In seinem am 31.1.1991 (ON 72) eingelangten Schriftsatz brachte der Vater vor, der nach Abzug der Hypotheken aus dem Verkauf des Hauses resultierenden Erlös in der Höhe von S 1,150.000,- sei im Betrag von S 475.000,- an den Vater und S 675.000,- an die Mutter geflossen; bereits vor der Scheidung, also im April 1985, sei zwischen den Eltern vereinbart worden, daß von diesem Mehrbetrag je ein Betrag von S 100.000,- den Kindern zukommen sollte. Diese Widmung werde nunmehr von der Mutter bestritten, weshalb der Antragsteller ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse daran habe, daß das Eigentumsrecht der Kinder an dem ihnen vereinbarungsgemäß gewidmeten Vermögen festgestellt werde, da ein allfälliger Zinsenertrag dem unterhaltspflichtigen Vater bei der Ausmessung des Unterhaltes in Anrechnung zu bringen wäre.
Bei der Vernehmung vor dem Pflegschaftsgericht am 15.3.1991 (ON 75) gab der Vater an, es sei eine mündliche Vereinbarung getroffen worden, wonach die Mutter den Mehrbetrag von S 200.000,- zu Gunsten der Kinder als Mündelvermögen anzulegen habe (ON 76). Im Schriftsatz ON 87 urgierte er die unverzügliche Klagsführung. Mit Beschluß vom 4.4.1991 (ON 179) wurde RA Dr.Hans Wagner zum Kollisionskurator zur Vertretung der Kinder in einem allenfalls anhängigen Verfahren gegen die Mutter bestellt.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.11.1994, 5 C 66/92g und 5 C 67/92d-21, wurde das Klagebegehen der Kinder gegen die Mutter, gerichtet auf Zahlung eines Betrages von je S 100.000,- s.A., abgewiesen und die Kinder zum Ersatz der mit S 38.871,36 bestimmten Prozeßkosten zur ungeteilten Hand verpflichtet, wobei das Erstgericht in seiner Entscheidung davon ausging, die vom Vater behauptete Einigung und Widmung des Betrages von S 200.000,- zugunsten der Kinder sei nicht getroffen worden. Selbst der Vater habe in seiner Zeugenvernehmung eingeräumt, daß zu keiner Zeit eine betragsmäßige Fixierung stattgefunden habe und auch anläßlich des Vergleichsgespräches eine allfällige Zweckwidmung des von der Mutter aus dem Hausverkauf lukrierten Mehrbetrages nicht besprochen wurde (vom Rekursgericht auf Grund der Aktenlage festgestellter Sachverhalte).
Die Kinder beantragten, den Vater aus dem Titel des Sonderbedarfes zur Bezahlung des von ihnen der Mutter zu leistenden Prozeßkostenersatzes von S 38.871,36 zu verpflichten; der Vater habe den von Beginn an völlig aussichtslosen Prozeß gegen die Mutter initiiert.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab, weil es sich bei der geltend gemachten Forderung nicht um einen Sonderbedarf im unterhaltsrechtlichen Sinn handle.
Das Rekursgericht gab dem Antrag der Kinder mit der Modifikation statt, daß dem Vater die Zahlung dieses Betrages in Monatsraten von je S 2.000,-, die letzte von S 871,36, aufgetragen wurde; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens von Rechtsfragen der Qualität des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.
Das Rekursgericht, das auf Grund der Aktenlage den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt festgestellt hatte, begründete seine Entscheidung rechtlich wie folgt:
Über den sogenannten Regelbedarf hinaus, der durch die regelmäßigen Leistungen der Eltern abgedeckt werde, könne ein Kind Anspruch auf Individualbedarf haben, der sich aus den Bedürfnissen des Einzelfalles ergebe, die beim Regelbedarf bewußt außer acht gelassen worden seien. Als Abgrenzungskriterien des Individualbedarfs zum Regelbedarf würden die Momente der Außergewöhnlichkeit und Unvorhersehbarkeit gewertet. Es sei dann im Einzelfall zu prüfen, inwieweit diese außergewöhnlichen Ausgaben auf den unterhaltspflichtigen Rahmen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überwälzt werden könnten.
Im hier zu beurteilenden Fall habe sich die Vermögenslage der unterhaltsberechtigten Kinder wegen des der Mutter ihnen gegenüber zustehenden Prozeßkostenanspruches negativ verändert. Sie seien mit einem Aufwand belastet, der durch die Einleitung des Prozesses und dessen für sie negativem Ergebnis entstanden sei. Kausal dafür seien die vom Vater im Pflegschaftsverfahren erhobenen Behauptungen gewesen. Es könne daher auch die Verantwortung des Vaters für den nunmehr gegebenen Sonderbedarf nicht ausgeklammert werden. Es sei daher im vorliegenden Fall sachgerecht, den Vater zur Zahlung des entstandenen Prozeßkostenaufwandes zu verpflichten, allerdings unter Bedachtnahme auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bloß in Form der Anordnung ratenweiser Zahlung.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
a) Zur Zulässigkeit:
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht bei der Auslegung des Begriffes Sonderbedarf die Rechtslage verkannte.
b) Zur Sachentscheidung:
Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Demnach gehören zum Bedarf des Kindes vor allem Nahrung, Kleidung, ferner Unterricht und Erziehung (§ 672 ABGB), aber auch weitere Bedürfnisse zB in kultureller und sportlicher Hinsicht, für Freizeitgestaltung und Urlaub. Soweit solche Bedürfnisse ohne Rücksicht auf die Lebensverhältnisse der Eltern gegeben sind, spricht man vom sogenannten Regelbedarf; darüber hinaus kann ein Kind noch Sonder- oder Individualbedarf haben, also jenen Bedarf, der sich aus der Berücksichtigung der beim Regelbedarf bewußt außer acht gelassenen Umstände des Einzelfalles ergibt, wie das Rekursgericht insofern zutreffend ausführte (s Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 2 und 3 zu § 140).
Der eingangs wiedergegebene, in § 140 Abs 1 ABGB verankerte Grundsatz der Deckung der Bedürfnisse des Kindes unter den dort genannten Kriterien stellt generell darauf ab, daß der Unterhaltsanspruch in der Person des Kindes begründet ist. Dies gilt auch für einen bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigenden Sonderbedarf (vgl Pichler in Rummel aaO, Rz 9; EFSlg 61.873 = SZ 63/121 ua). Daraus folgt, daß die Bezahlung allfälliger Schulden des unterhaltsberechtigten Kindes zu dem vom Unterhaltspflichtigen zu leistenden Unterhalt nicht gehört, mögen diese auch auf Grund eines deliktischen Verhaltens des Unterhaltsberechtigten (Schadenersatzansprüche eines Dritten) oder auf vertraglicher Grundlage entstanden sein. Ebenso zu behandeln sind Prozeßkostenschulden des unterhaltsberechtigten Kindes, die dieses auf Grund einer in einem verlorenen Prozeß ergangenen Kostenentscheidung einem Dritten zu zahlen hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieser Dritte ein Fremder oder die eigene Mutter ist. Ebensowenig ist es von Belang, ob das Unterliegen im Prozeß möglicherweise auf ein rechtswidriges und schuldhaftes, sohin Schadenersatzansprüche rechtfertigendes Verhalten des unterhaltspflichtigen Vaters zurückzuführen ist. Die Verpflichtung eines Unterhaltsberechtigten zum Ersatz von Prozeßkosten bildet daher keine Grundlage dafür, den Unterhaltspflichtigen zur Leistung dieses Betrages aus dem Titel des Sonderbedarfes des Unterhaltsberechtigten heranzuziehen.
Weiters ist darauf hinzuweisen, daß die antragstellenden Kinder gegenüber ihrem unterhaltspflichtigen Vater einen Unterhaltsanspruch, nämlich die Abgeltung eines Sonderbedarfes neben dem laufenden Unterhalt begehrten. Da bei der Beurteilung der Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens ausschließlich vom Antrag und vom Sachvorbringen der Antragsteller auszugehen ist (MGA AußStrG2 § 1/E 3 uva), ist - entgegen der Meinung des Revisionsrekurswerbers - über den geltend gemachten Anspruch im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Stellt sich dabei - so wie hier - heraus, daß der geltend gemachte Unterhaltsanspruch deswegen nicht gegeben ist, weil der unterhaltsrechtliche Begriff des Sonderbedarfes den geltend gemachten Anspruch nicht deckt, so führt dies zur Abweisung des bloß unter unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Antrages.
In Stattgebung des Revisionsrekurses des unterhaltspflichtigen Vaters war daher der Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.
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