Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 20.12.1976 geborene Klägerin erlitt am 28.11.1994 bei einer Tanzprobe für die Polonaise des Maturaballs als Schülerin der achten Klasse eines Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums einen Unfall. Diesem Maturaball ging stets das Proben von Tanzeinlagen voraus. Der Schuldirektor bewilligte die Abhaltung der Proben im Turnsaal der Schule, der einen flächenelastischen Sporthallenboden aufweist. Geleitet wurden diese Proben von einem privat (von den Schülern selbst) bezahlten Tanzlehrer. Dabei stürzte die Klägerin infolge der Ungeschicklichkeit ihres Tanzpartners gegen 20,45 Uhr zu Boden; sie schlug mit dem Gesicht auf dem Turnsaalboden auf, wodurch der rechte obere Schneidezahn komplett ausgeschlagen und der linke obere Schneidezahn kronenfrakturiert wurde.
Mit Bescheid vom 13.3.1995 lehnte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt einen Anspruch der Klägerin auf Leistung aus Anlaß des Unfalls vom 28.11.1994 gemäß § 173 ASVG ab.
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage aus der gesetzlichen Unfallversicherung die Zahlung der Kosten für ein Zahnimplantat, ein Knochentransplantat mit Folie, eine Implantatsuprastruktur, eine Kronenversorgung des Zahns und Versorgung der Kronenfraktur des anderen Zahns, zusammen einschließlich Umsatzsteuer S 39.960. Weiters begehrt sie die Feststellung, daß die Beklagte für sämtliche aufgrund dieses Unfalls noch zu erbringenden medizinischen Leistungen zu haften habe. Der Unfall habe sich bei einer für den Maturaball notwendigen Schulveranstaltung und im schulischen Bereich ereignet und sei auch aus ähnlichen Gründen geschützt wie Betriebsfeiern. Der Unfallversicherungsschutz bestehe bei sämtlichen Tätigkeiten, die einen Konnex mit dem Schulbesuch aufwiesen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Unfall habe sich nicht im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Schulausbildung ereignet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sei unmaßgeblich, ob das Erlernen der Polonaise wegen der Bedeutung des Maturaballes als Höhepunkt des schulischen Daseins im schulischen Interesse liege. Der Unfall habe sich nämlich nicht beim Maturaball und daher nicht bei einer schulischen Veranstaltung oder schulbezogenen Veranstaltung ereignet. Die Rechtsprechung des OLG Wien (SSV 25/150) habe den Kausalzusammenhang mit der versicherungsbegründenden Tätigkeit verneint, wenn während einer Unterrichtspause Tanzfiguren für einen Schulball geübt würden. Dieser Kausalzusammenhang sei angesichts der Unfallszeit (20,45 Uhr) und der privaten Finanzierung des Tanzunterrichts auch hier zu verneinen. Der Unfall sei nicht dem üblichen Gefahrenbereich der Schule zuzuordnen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Bei der Abgrenzung des unfallversicherungsgeschützten Tätigkeitsbereichs eines Schülers komme es nicht ausschließlich darauf an, daß sich der Schüler in einem fremden organisatorischen Verantwortungsbereich - dem der Schule - bewegt habe, als er den Unfall erlitt ("Organisationstheorie"), sondern nach jüngerer Judikatur sei vielmehr wesentlich, ob der Schüler bei Eintritt des Unfalls in irgendeiner Weise als Schüler agiert habe ("Rollentheorie"). Nach den Grundintentionen des Gesetzes solle jede Tätigkeit geschützt sein, die sich als Ausübung der Rolle des Schülers darstelle. Geschützt werden solle der Schüler immer dann, wenn die den Versicherungsschutz begründende Tätigkeit eine solche sei, aus der nützliche Effekte für die Ausbildung zu erwarten seien, dieser also dienlich sei bzw eine solche sei, die eine typische Folge der Schülerrolle darstelle. Es solle aber beim Kausalitätsprinzip bleiben, das heißt es komme weiterhin auf die Unfallursache an. Eine Abkehr in Richtung Finalitätsprinzip sei nicht vorzunehmen.
Wann eine Verhaltensweise noch zur Rolle des Schülers gehöre und wann nicht, könne nur aus dem Zweck der schulischen Tätigkeit geschlossen werden. Nach § 2 Abs 1 SchUG habe die Schule die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend........durch einen entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Damit sei die Grenze der Kausalität abgesteckt, in deren Rahmen Gefahren für die daraus resultierenden Unfallsereignisse noch als durch die schulische Tätigkeit verursacht anerkannt werden könnten. Die Kausalität sei gegeben, solange sich die unfallverursachende Tätigkeit noch in irgendeiner Form als Unterricht qualifizieren lasse. Der Maturaball und dessen Vorbereitung seien einer Unterrichtstätigkeit aber auch bei weitherzigster Auslegung nicht zuzuordnen.
Die Judikatur sehe allerdings betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen wie Betriebsfeiern, Richtfeste, Gleichenfeiern udgl unter gewissen Voraussetzungen als unfallversicherungsgeschützt an. Schüler und Studierende sollten in bezug auf die Unfallversicherung den Erwerbstätigen zumindest gleichgestellt werden. Im vorliegenden Fall sei zwar an der motivierenden Wirkung eines Maturaballs durch Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Schülergemeinschaft und durch Präsentation von künftigen Maturanten im gesellschaftlichen Rahmen nicht zu zweifeln. Im übrigen aber fehlten fast sämtliche der von der Rechtsprechung für geschützte Gemeinschaftsveranstaltungen geforderten Kriterien. Insbesondere hätte der Maturaball nicht unter der Autorität der Schule stattfinden sollen. Die Tatsache allein, daß der Schuldirektor den Turnsaal für Tanzproben zur Verfügung gestellt habe, habe zu wenig Gewicht, um die genannten Kriterien erfüllen zu können. Schließlich sprach das Berufungsgericht aus, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Klägerin führt in ihrer Rechtsrüge im wesentlichen aus, daß auch die Durchführung eines Maturaballes und die dazu notwendigen vorbereitenden Proben für die Präsentation einer Polonaise der Ausbildung der jungen Menschen dienten. Daß die Schule für den Ball nichts zu zahlen habe, könne kein Argument dagegen sein. Der Maturaball und die Vorbereitung der Polonaise seien daher als schulbezogene Veranstaltungen im Sinne des § 13a SchUG anzusehen, dies umso mehr, als der Direktor der Schule die Probe im Turnsaal des Schulgebäudes genehmigt habe, welche Genehmigung geradezu unzulässig gewesen wäre, hätte es sich nicht um eine schulbezogene Veranstaltung gehandelt. Davon abgesehen handle es sich bei einem Maturaball geradezu um eine klassische schulische Parallele zu einer Betriebsfeier. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung stehe der gegenständliche Unfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Diesen Ausführungen ist nicht beizustimmen. Nach § 175 Abs 4 ASVG sind in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Schul(Universitäts)-Ausbildung ereignen. § 175 Abs 2 Z 1, 2, 5, 6 und 7 sowie Abs 6 sind entsprechend anzuwenden. Nach § 175 Abs 5 ASVG gelten in dieser Unfallversicherung als Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich ereignen 1. bei der Tätigkeit an Schulveranstaltungen im Sinne der §§ 1 und 2 der Schulveranstaltungsverordnung, an gleichartigen Schulveranstaltungen an anderen vom Geltungsbereich der zitierten Verordnung nicht erfaßten Schularten sowie an schulbezogenen Veranstaltungen gemäß § 13a SchUG sowie 2. bei der Ausübung einer im Rahmen des Lehrplanes bzw der Studienordnung vorgeschriebenen oder üblichen praktischen Tätigkeit. Aufgabe der Schulveranstaltungen ist nach § 13 Abs 1 SchUG die Ergänzung des lehrplanmäßigen Unterrichtes durch unmittelbaren und anschaulichen Kontakt zum wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben, durch die Förderung der musischen Anlagen der Schüler und durch die körperliche Ertüchtigung. Nach den erschöpfenden Aufzählungen des § 1 der Schulveranstaltungsverordnung (nunmehr BGBl 1990/397) sind Schulveranstaltungen 1. Lehrausgänge und Exkursionen,
- 2. Wandertage, 3. berufspraktische Tage und berufspraktische Wochen,
- 4. Sportwochen, 5. Projektwochen, 6. Schüleraustausch und 7. Abschlußlehrfahrten. Daß von einer Schulveranstaltung in diesem Sinn hier keine Rede sein kann, ist offenkundig und wird von der Klägerin auch gar nicht behauptet. Zu Unrecht meint sie aber, es liege eine schulbezogene Veranstaltung vor. Nach § 13a Abs 1 SchUG können Veranstaltungen, die nicht Schulveranstaltungen im Sinne des § 13 sind, zu schulbezogenen Veranstaltungen erklärt werden, wenn sie auf einem lehrplanmäßigen Unterricht aufbauen und der Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule gemäß § 2 SchOG dienen und eine Gefährdung der Schüler weder in sittlicher noch in körperlicher Hinsicht zu befürchten ist. Die Erklärung einer Veranstaltung zu einer schulbezogenen Veranstaltung obliegt der Schulbehörde. Sofern die Veranstaltung nur einzelne Schulen betrifft und wegen der Veranstaltung eine Teilnahme am Unterricht nicht entfällt, kann die Erklärung jeweils auch durch das Klassen- bzw Schulforum bzw den Schulgemeinschaftsausschuß erfolgen, sofern die hiefür erforderlichen Lehrer sich zur Durchführung bereit erklären, die Finanzierung sichergestellt ist und allenfalls erforderliche Zustimmungen anderer Stellen eingeholt worden sind; das Vorliegen der Voraussetzungen ist vom Schulleiter festzustellen. Schulbezogene Veranstaltungen können zB Wettbewerbe in Aufgabenbereichen einzelner Unterrichtsgegenstände oder Fahrten zu Veranstaltungen, die nicht unter § 13 fallen, sein. Damit eine Veranstaltung zu einer schulbezogenen Veranstaltung wird, bedarf es einer diesbezüglichen Erklärung durch Erlassung einer Verordnung. Durch die Erklärung einer Veranstaltung zu einer schulbezogenen erfolgt deren Durchführung in Vollziehung des Schulunterrichtsgesetzes. Dabei sind schulbezogene Veranstaltungen in gleicher Weise zu beaufsichtigen wie zB Schulveranstaltungen (Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht5 524 ff, 725 f). Mangels einer solchen Erklärung durch Erlassung einer Verordnung handelt es sich im vorliegenden Fall bei dem Maturaball und umso mehr bei den vorher abgehaltenen Tanzproben um keine schulbezogenen Veranstaltungen im Sinne des § 13a SchUG.
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, kommt es aber nicht allein darauf an, ob die Voraussetzungen des § 175 Abs 5 ASVG gegeben sind, weil diese Bestimmung lediglich demonstrativen Charakter hat und vielmehr entscheidend ist, ob sich der Unfall im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Schulausbildung ereignet hat (§ 175 Abs 4 ASVG). Die Bedeutung des Ausdrucks Schul(Universitäts)-Ausbildung ist seit der Einführung der Unfallversicherung für Schüler und Studenten durch die 32. ASVG-Novelle (BGBl 1976/704) umstritten. Im Sinne der neueren Lehre und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes soll nach der Grundintention des Gesetzes jede Tätigkeit geschützt sein, die sich als Ausübung der Rolle des Schülers oder Studenten darstellt (SZ 64/11 = SSV-NF 5/13 = JBl 1961, 606 = ZAS 1992, 55 mit zustimmendem Kommentar von Jürgen Winkler). In der Bundesrepublik Deutschland unterliegen hingegen dem Versicherungsschutz in erster Linie Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischenliegenden Pausen und solche im Rahmen sogenannter Schulveranstaltungen. Dort wird der Schutzbereich der Schülerunfallversicherung enger gesehen als der Versicherungsschutz in der gewerblichen Unfallversicherung und richtet sich nach dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs besteht in der Regel auch kein Versicherungsschutz bei Verrichtungen, die wesentlich durch den Schulbesuch bedingt sind und ihm deshalb an sich nach dem Recht der gewerblichen Unfallversicherung zuzuordnen wären (siehe BSG 5.10.1995, NZS 1996, 181 - Schulunfall auf einer Klassenfahrt).
Im vorliegenden Fall kann nun dahingestellt bleiben, ob es sich bei einem Maturaball um eine Veranstaltung handelt, die einer unfallversicherungsgeschützten Gemeinschaftsveranstaltung für Betriebsangehörige gleichzuhalten wäre. Der Unfall der Klägerin hat sich nämlich nicht auf dem Maturaball, sondern auf einer Tanzprobe ereignet, die durch einen von den Schülern privat engagierten und bezahlten Tanzlehrer abgehalten wurde. Selbst wenn man also davon ausginge, daß der Maturaball eine von der Autorität der Schule getragene Gemeinschaftsveranstaltung darstellen würde, wäre das privat von einzelnen Schülern zur Vorbereitung auf diesen Ball vorgenommene Training nicht unfallversicherungsgeschützt. So wäre etwa auch ein Arbeitnehmer, der beabsichtigt, an einem Betriebswandertag teilzunehmen, nicht geschützt, wenn er in seiner Freizeit einen Bewegungssport ausübt, um sich für die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung Kondition zu holen. Ebensowenig wäre ein Arbeitnehmer geschützt, der beabsichtigt, etwa an einem Schiwandertag teilzunehmen und vorher in seiner Freizeit zwecks Verbeserung seiner schifahrerischen Möglichkeiten trainiert. Das Erlernen von Gesellschaftstänzen in der Freizeit unter Anleitung eines privaten Tanzlehrers steht auch dann nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Schulausbildung, wenn es im Hinblick auf einen Maturaball erfolgt und im Turnsaal der Schule abgehalten wird. Die Wahl dieses Ortes ist nämlich rein zufällig:
Ebensogut hätte die Tanzprobe in den Räumlichkeiten einer privaten Tanzschule stattfinden können. Die Teilnahme der Klägerin am Tanzunterricht erfolgte daher überwiegend im eigenwirtschaftlichen Interesse und nicht in Ausübung ihrer Rolle als Schülerin. Das Erlernen von Gesellschaftstänzen ist in Anbetracht des gerichtsbekannten weiten Publikumskreises in Tanzschulen auch keine für Schüler typische Tätigkeit. Die Anerkennung des Tanzunterrichts als unfallgeschützte Tätigkeit würde aber nicht eine Gleichstellung von Schülern und Erwerbstätigen in der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern eine deutliche Besserstellung der Schüler bewirken, weil eben Erwerbstätige, die an einem privaten Tanzunterricht teilnehmen, in keinem Fall unfallversicherungsgeschützt sein können. Daraus folgt, daß die Vorinstanzen das Klagebegehren zu Recht abgewiesen haben, ohne daß über die Zulässigkeit des gestellten Leistungs- und Feststellungsbegehrens nähere Erörterungen vonnöten sind.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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