OGH 15Os110/96

OGH15Os110/961.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.August 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Spieß als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Tamas S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 17.April 1996, GZ 20 qu Vr 11.147/95-91, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch vom Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG enthält, wurde Tamas S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 16.April 1992 in Wien durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe, nämlich einer Pistole unbekannten Fabrikates, anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz abgenötigt hat, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Angestellten der B*****-Filiale in Wien 10., L*****, mit der Waffe bedrohte und sinngemäß äußerte: "Überfall, alles am Boden und alles Geld her", wobei sich (die im Geschäft anwesenden Personen) Ursula L*****, Dieter M***** und Claudia R***** auf den Boden niederknien mußten, während ihm Sandor N***** die Tageslosung von 69.335 S sowie 10.000 S Wechselgeld aushändigen mußte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhob der Angeklagte eine auf § 345 Abs 1 Z 5 und 10 a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Unter dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund (Z 5) wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Zwischenerkenntnis des Schwurgerichtshofes (§§ 238, 344 StPO), mit dem ein von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellter Antrag auf "Durchführung eines Lokalaugenscheines zum Beweis dafür, daß aufgrund der Zeit-Weg-Relation und aufgrund der örtlichen Gegebenheiten die von Sandor N***** angegebene Darstellung der Tat sich so nicht ereignet haben kann, insbesondere daß aufgrund der Zeit-Weg-Relation und der sonstigen Umstände vor Ort und der Wegstrecke der Schluß, daß derjenige, der dann später mit dem Auto wegfährt unbedingt der Täter sein muß, nicht ableitbar ist" (379), mit der Begründung abgewiesen wurde, daß aufgrund der Zeugenaussage N***** nicht feststehe, über welchen exakten Zeitraum sich dieser Zeuge in Warteposition laut Beilage A (zu ON 90) aufgehalten habe, und daher eine wesentliche Voraussetzung zur Klärung des Beweisthemas fehle (379 f).

Durch dieses Zwischenerkenntnis wurden Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens im Sinne des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes weder hintangesetzt noch unrichtig angewendet. Denn der Antrag läßt jegliche (auch aus dem Sachzusammenhang nicht erkennbare) Begründung dafür vermissen, inwiefern einerseits eine "Zeit-Weg-Relation" und aufgrund "der örtlichen Gegebenheiten" im Zusammenhang mit einem Ortsaugenschein entlastende Tatsachen gegen die Schilderung des Raubopfers N***** über die Tat (also über die durch Drohung mit einer Waffe bewirkte Abnötigung des Geldes im Büroraum der B*****-Filiale) erbringen sollte, und warum andererseits bei der gegebenen Beweislage aufgrund der "Zeit-Weg-Relation" (für die im übrigen keine auch nur annähernd präzise Zeitangaben und bezüglich des Täters zudem keine genauen örtlichen Anhaltspunkte seines Fluchtweges vorhanden sind) ein Schluß auf die Nichttäterschaft des Beschwerdeführers gezogen werden könnte.

Daraus erhellt, daß das Rechtsmittelwerber seiner nach Lage der besonderen Dinge - der Zeuge N*****, der ohnedies klarstellte, daß er den flüchtenden Täter nicht ununterbrochen beobachten konnte, hatte erkannt, daß der (nunmehr) unmaskiert im Auto wegfahrende Angeklagte die Haare (ersichtlich als Folge eines hastigen Abziehens der Maske) zerrauft hatte und er einen Pullover gleich jenem trug, den der in der Filiale noch maskierte Täter anhatte (372 f, 375, 82) - gebotenen Pflicht nicht nachgekommen ist, schon bei Antragstellung außer Beweisthema und Beweismittel auch noch konkret darzutun, inwieweit nach seiner Ansicht das bei Durchführung des Antrages angestrebte Ergebnis für die Schuldfrage von Bedeutung ist und aus welchen Gründen zu erwarten war, daß die Durchführung des beantragten Beweises das von ihm behauptete Ergebnis tatsächlich erbringen werde (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 19, 21 iVm § 345 Z 5 E 29). Da auch im geschworenengerichtlichen Verfahren bei Prüfung der Berechtigung eines Antrages (allerdings aufgrund einer gewissenhaften Würdigung der gesamten Verfahrenslage sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Lösung der Beweisfrage nicht dem Schwurgerichtshof, sondern allein der Geschworenenbank zukommt) stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und den hiezu vorgebrachten Gründen auszugehen ist, müssen die erst in der Beschwerdeschrift (und damit prozessual verspätet) vorgebrachten Gründe, die der Sache nach ohnehin bloß auf eine im Nichtigkeitsverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässige Schuldberufung hinauslaufen, unberücksichtigt bleiben (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 4 E 41).

Die Ablehnung des in Rede stehenden Beweisantrages erfolgte demnach zu Recht.

Die Tatsachenrüge (Z 10 a), die zunächst ganz allgemein, jedoch prozessual verfehlt, "vollinhaltlich auf die vorstehenden Ausführungen in Pkt.I.1." (zur Verfahrensrüge Z 5) verweist, sodann isoliert betrachtend hervorhebt, "daß nur ein einziger Zeuge mit lediglich 99 %-iger Wahrscheinlichkeit vermeinte, mich als Täter identifizieren zu können, und daß zufolge der gegebenen Wahrnehmungslücke keineswegs erweisbar ist, daß ich, welcher mit dem KFZ wegfuhr, mit dem Täter ident gewesen wäre" und daraus beweiswürdigend folgert, es sei "daher nicht nachvollziehbar, warum die Geschworenen dennoch im Wahrspruch zu der sachlogisch nicht haltbaren Feststellung, ich hätte die Tat begangen, gelangen". Durch die Nichtdurchführung des beantragten Lokalaugenscheines - so argumentiert die Beschwerde weiter - seien die Tatsachen völlig unzulänglich erhoben worden, sodaß dem Akteninhalt bloß eine bruchstückhafte Tatsachengrundlage zu entnehmen sei.

Solcherart werden jedoch keine sich aus den Akten ergebende Bedenken - geschweige denn erheblicher Art - gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Täterschaft des Beschwerdeführers dargetan. Verkennt doch der Rechtsmittelwerber ersichtlich, daß die Laienrichter getreu den Regeln des § 258 Abs 2 StPO bei der ihnen gemäß Art 91 Abs 2 B-VG ausschließlich zugewiesenen Beweiswürdigung alle vorhandenen Beweismittel sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks sorgfältig und gewissenhaft auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft geprüft haben und daß mit dem zitierten formellen (daher in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichenden) Nichtigkeitsgrund die von den Geschworenen getroffene Lösung der Schuldfrage kritisiert werden darf.

Die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 iVm § 344 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß über die Berufung das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§§ 285 i, 344 StPO).

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