OGH 8ObA2162/96s

OGH8ObA2162/96s24.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer und Erwin Macho als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gemeinsamer Betriebsrat *****AG, ***** vertreten durch Univ.Prof.Dr.Friedrich Harrer und Dr.Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei S***** AG, ***** vertreten durch Dr.Ingrid Stöger und Dr.Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Interesse S 300.000,-- sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.März 1996, GZ 12 Ra 28/96s und 12 Ra 29/96p-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. September 1995, GZ 19 Cga 12/95z-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.725,-- (darin S 2.287,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung des Berufungsgerichtes, den aktiven Arbeitnehmern (und bestimmten Angehörigen) der beklagten Partei stehe zufolge der seit mehr als einem Jahrzehnt ohne Widerrufsvorbehalt erfolgten Gewährung einer jährlichen außerordentlichen Weihnachtsremuneration der Anspruch auf Weitergewährung derselben auch nach dem erstmals 1993 und 1994 erklärten Widerrufsvorbehalt zu, ist zutreffend (§ 48 ASGG).

Den Ausführungen der beklagten Partei in ihrer Revision ist entgegenzuhalten:

Die Bezeichnung der wiederholt - und ohne Widerrufsvorbehalt -

gewährten Weihnachtsremuneration als außerordentliche bringt den

Widerrufsvorbehalt nicht in einer dem § 863 Abs 1 ABGB

entsprechenden, einen jeden Zweifel ausschließenden Weise zum

Ausdruck; außerordentlich bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich

einen Hinweis auf eine andere Rechtsgrundlage. Diese besteht nicht in

einer kollektiven Regelung (Kollektivvertrag oder

(Betriebsvereinbarung), sondern in einer stillschweigend erfolgten

Ergänzung des Dienstvertrages in der Form einer wiederholten

Gewährung der zusätzlichen Remuneration in Verbindung mit einer im

Bereich des Arbeitsrechtes vorhandenen Erklärungssitte, wonach sich

der Arbeitgeber durch wiederholte Leistungsgewährung verpflichte und

ein Vertrauen der Arbeitnehmer dahin begründe, daß er diese Leistung

auch weiterhin erbringen wolle ("freiwillige Weihnachtsremuneration"

= Arb 7294). Die Bezeichnung als "außerordentlich" bringt somit einen

Widerrufsvorbehalt ebensowenig zum Ausdruck, wie zB das Wort

"Erfolgsprämie" bei einer von einer betrieblichen Bedingung

allenfalls losgelösten Gewährungspraxis (vgl dazu Arb 9832 = JBl

1980, 608 = ZAS 1981/7, 53).

Ist durch eine wiederholte Leistungsgewährung ohne Widerrufsvorbehalt gegenüber den betriebsangehörigen Arbeitnehmern eine Betriebsübung begründet worden, so wirkt diese auch gegenüber neu eintretenden Arbeitnehmern (vgl das zweite Bestimmungselement der Ortsüblichkeit nach dem Vertrag in § 6 Abs 1 AngG), soferne nicht bereits bei der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses eine abweichende Entgeltvereinbarung getroffen wurde, die überdies - wegen der bereits bestehenden Betriebsübung - mit erhöhter Ausdrücklichkeit erfolgen müßte, um die im Sinne des Stichtagsprinzipes zulässige Differenzierung zweifelsfrei (§ 863 Abs 1 ABGB) auszudrücken.

Der Umstand, daß der klagende Betriebsrat jeweils um die Gewährung einer außerordentlichen Weihnachtsremuneration "ansuchte", gestattet nicht zweifelsfrei einen Schluß auf das Erklärungsbewußtsein, dem Betriebsrat sei bekannt, daß ein Anspruch noch nicht entstanden sei. Vielmehr ist es auch zulässig, dies als Ausdruck einer auch im Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gebotenen Höflichkeit zu deuten. Eine Erklärungsbedeutung, der Betriebsrat werde damit zum Nachteil der Arbeitnehmer auf einen bereits entstandenen Rechtsanspruch derselben verzichten, müßte schon daran scheitern, daß der Betriebsrat nicht zu Lasten der Arbeitnehmer auf deren einzelvertragliche Rechtsansprüche verzichten könnte. Dies gilt sinngemäß auch für den erstmals im Jahre 1993 gegenüber dem Betriebsrat erklärten "Widerrufsvorbehalt", denn der Betriebsrat ist weder gesetzlicher (SZ 54/49 = Arb 10.024 = EvBl 1981/198, 576) noch gewillkürter Vertreter oder Verhandlungsgehilfe noch Bote einer solchen Erklärung an die einzelnen Arbeitnehmer, sodaß die dem Betriebsrat gegenüber erfolgte Erklärung nicht an den richtigen Adressaten gerichtet wäre.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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