OGH 12Os84/96

OGH12Os84/9618.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Juli 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Scholz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Friedrich S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 13.März 1996, GZ 12 Vr 21/96-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchkomplex A sowie demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Friedrich S***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (A I.), und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A II.), des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (A III.) und des Vergehens der pornographischen Darstellung mit Unmündigen nach § 207 a Abs 2 StGB (B) schuldig erkannt.

Darnach hat er (soweit tatbestandsessentiell) in Enns

A) seine am 30.Jänner 1975 geborene Stieftochter Birgit H*****

I. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahre 1989, jedenfalls nach dem 30.Jänner 1989, dadurch, daß er sie entkleidete, rücklings auf eine Couch drückte, sie dort festhielt und mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchführte, außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt;

II. in der Zeit von Anfang 1987 bis 30.Jänner 1989, somit eine unmündige Person, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er sie wiederholt an den Brüsten und im Genitalbereich betastete, Finger in ihre Scheide einführte und an sich einen Oralverkehr durchführen ließ;

III. in der Zeit von Anfang 1987 bis 30.Jänner 1994 durch die unter Punkt I. und II. geschilderten Tathandlungen sowie dadurch, daß er mit ihr (ersichtlich wohl nach dem 30.1.1989) wiederholt einen Geschlechtsverkehr vollzog, wiederholt Oralverkehr an sich durchführen ließ, auf den Oberkörper des Mädchens und in dessen Mund urinierte und mit ihm Videoaufnahmen, die es bei der Durchführung des Oralverkehrs und Beischlafs sowie nackt mit gespreizten Beinen zeigten, anfertigte, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Aufsicht unterstellten minderjährigen Person, diese zur Unzucht mißbraucht;

B) in der Zeit vom 1.Oktober 1994 bis Jänner 1996 sich eine

pornographische Darstellung mit Unmündigen (§ 207 a Abs 1 StGB) verschafft und eine solche besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 3, 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen, nach Inhalt ihres Anfechtungsbegehrens gegen sämtliche Schuldsprüche, der Sache aber nur gegen jene unter A) zusammengefaßten gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu:

Im Sinne der Beschwerdeargumentation (Z 5) trifft es nämlich zu, daß das Erstgericht die die Schuldsprüche zu A) des Urteilssatzes tragenden Feststellungen ausschließlich auf die als überaus glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin H***** stützt und in diesem Zusammenhang insbesondere den vor dem Untersuchungsrichter (ON 9) erstmals bekundeten vergewaltigungsspezifischen Gewalteinsatz hervorhebt, obwohl der Inhalt dieser Einvernahme laut Hauptverhandlungsprotokoll - der Beschwerde zuwider im Gegensatz zu den Angaben der Zeugin vor dem Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich, wo sie jegliche Gegenwehr noch in Abrede gestellt hatte (S 25) - mangels Verlesung nicht Gegenstand der Hauptverhandlung wurde, woran - mangels jedweder Konkretisierung - auch der Umstand nichts zu ändern vermag, daß Birgit H***** eingangs ihrer Zeugenvernehmung erklärte, ihre (im entscheidenden, die Gewaltanwendung durch den Angeklagten betreffenden Punkt divergierenden) Angaben vor der Gendarmerie und vor dem Untersuchungsrichter entsprächen der Wahrheit. Da der aufgezeigte Begründungsmangel entscheidende Tatsachen betrifft und nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Schöffengericht ohne Berücksichtigung der Angaben in ON 9 in Verbindung mit den davon abweichenden Angaben der Zeugin in der Hauptverhandlung zu anderen, für den Angeklagten günstigeren Feststellungen gelangt wäre, sind die in Rede stehenden Schuldsprüche zu A) infolge Verstoßes gegen das gesetzliche Gebot des § 258 Abs 1 StPO mit einer notwendigerweise zur Kassation dieses Schuldspruchkomplexes führenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO behaftet (Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 281 Z 5 EGr 118), weshalb bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung (§ 285 e StPO) spruchgemäß zu erkennen war.

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