OGH 2Ob54/95

OGH2Ob54/9527.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** AG, ***** vertreten durch Dr. Eduard Saxinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Franz A*****, Mechaniker, ***** und 2.) *****versicherungs-AG, ***** beide vertreten durch Dr. Manfred Traxlmayr, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 66.168 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16. März 1995, GZ 6 R 222/94-29, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 18. August 1994, GZ 8 Cg 1/93-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.358,14 (darin enthalten S 893,02 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 6.11.1987 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei welchem ein zehnachsiger Gelenktriebwagen der klagenden Partei beschädigt wurde. Die Schadenersatzverpflichtung der beklagten Parteien ist nicht strittig.

Die klagende Partei begehrt von den beklagten Parteien den Ersatz von Vorsorgekosten (Kosten für die Haltung eines Reservefahrzeugs) in der Höhe von S 66.168 mit der Begründung, daß sie während der unfallsbedingten Stehzeit von acht Tagen ein gleichartiges Reservefahrzeug zu einem Tagessatz von S 8.271 habe einsetzen müssen.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil sowohl eine achttägige Reparaturdauer nicht notwendig gewesen sei und der Tagessatz an Reservehaltungskosten überhöht sei. Zum Unterschied von Autobussen seien Straßenbahnen nicht kurzfristig anmietbar. Die Reservehaltung von Fahrzeugen liege primär im eigenen Interesse des Geschädigten, dem mangels eines Verdienstausfalles ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zur Last falle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:

Zum Unfallszeitpunkt hatte die klagende Partei 43 Schienenfahrzeuge, davon 27 Zehnachser. Von diesem Fahrzeugbestand werden rechnerisch für Störfälle und Unfälle etwa 2,6 Straßenbahnen in Reserve gehalten, davon etwa 1,3 Straßenbahnen für fremdverschuldete Unfälle. Sämtliche Garnituren werden nacheinander im Rotationsverfahren eingesetzt. Die 27 Zehnachser verursachten im Jahre 1986 Fixkosten von S 61,212.817 pro Fahrzeug und Einsatztag (301 Einsatztage pro Jahr gerechnet), daher S 7.532,-- zuzüglich Verwaltungskosten von S 739 täglich. Die Anmietung eines vergleichbaren zehnachsigen Gelenktriebwagens hätte monatlich S 332.416 zuzüglich Mehrwertsteuer gekostet. Die unfallsbedingten Stehzeigen des Gelenktriebwagens betrug 8 Tage.

In seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Erstgericht den Anspruch der klagenden Partei auf Ersatz der geltend gemachten Vorsorgekosten, da sie zur Anmietung eines Ersatzfahrzeuges während der Reparaturdauer auf Kosten der beklagten Partei berechtigt gewesen wäre. Die im Vergleich zu einem Mietfahrzeug billigere Reservehaltung diene dem klaren und überwiegenden Vorteil des Schädigers.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in seiner rechtlichen Begründung aus, die Pflicht des Schädigers zum Ersatz von Mietwagenkosten sei nicht davon abhängig, daß dem Geschädigten durch den reparaturbedingten Ausfall seines beschädigten Fahrzeuges ein Verdienstentgang oder sonst ein finanzieller Nachteil entstehe; die Rechtsprechung erfordere mitunter als Anspruchsvoraussetzung ein nach der Verkehrsauffassung berechtigtes Interesse an einem Ersatzfahrzeug. Ein solches Interesse müsse bei einem öffentlichen Verkehrsbetrieb im Hinblick auf den Zweck eines solchen Unternehmens selbst dann bejaht werden, wenn man von einer gewissen Unrentabilität eines öffentlichen Verkehrsbetriebes ausgehen sollte. Da bei einem Verkehrsunternehmen eine gewisse Unterauslastung unvermeidlich sei, stehe es dem Schädiger nicht zu, die betriebswirtschaftlicher Zweckmäßigkeit der Haltung von Reservefahrzeugen zu bestreiten, zumal die Höhe der Reservehaltungskosten bis zur Grenze der Kosten eines Mietfahrzeuges limitiert werde. Halte jemand vorbeugend zur Schadensbehebung Mittel bereit, gewähre die Rechtsprechung Ersatz nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Kosten der Vorsorgehaltung seien bis zur Höhe des sonst eintretenden Schadens vom Schädiger zu ersetzen. In der Entscheidung SZ 60/65 sei der sonst eintretende Schaden im Verdienstentgang der klagenden Partei, der ihr durch den Entfall der Möglichkeit des Einsatzes des beschädigten Fahrzeuges entstanden wäre, erblickt worden. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes seien jedoch anstelle des Verdienstentganges die Kosten eines Mietfahrzeuges als brauchbarer Richtwert zur Anspruchsbegründung heranzuziehen.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der beklagten Parteien zurück- oder abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die beklagten Parteien machen geltend, daß ein Anbot für die Anmietung eines Ersatzstraßenbahnzuges im Verfahren nicht vorgelegt worden sei. Es handle sich vielmehr um eine Finanzierungsvariante für die Anschaffung eines zehnachsigen Gelenktriebwagens, nicht aber um das Anbot eines Mietfahrzeuges. Die klagende Partei sei nicht imstande gewesen nachzuweisen, welcher Schade ihr ansonsten bei Verzicht auf Reservegarnituren durch den vorübergehenden Ausfall einer Triebwagengarnitur entstanden wäre, sodaß die Anspruchsvoraussetzungen nach dem Grundsatz der Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 1323 ABGB nicht gegeben seien.

Diese Argumentation ist nicht überzeugend.

Zum Ersatz von Aufwendungen für ein Reservefahrzeug hat der Oberste

Gerichtshof schon mehrmals Stellung genommen (SZ 45/137 = ZVR

1974/114 = JBl 1973, 476; SZ 59/95 = ZVR 1987/100 = JBl 1986, 581; SZ

60/65; ZVR 1988/125, 2 Ob 10/95). Danach hat der Schädiger bei Beschädigung eines Fahrzeuges nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag für die auf die Zeit des unfallsbedingten Ausfalles des beschädigten Fahrzeuges entfallenden Kosten eines vom Geschädigten bereits gehaltenen und nun zum Einsatz gebrachten Reservefahrzeuges einzustehen. Auf diese Rechtsprechung, die in der Lehre weitgehend Zustimmung gefunden hat, ist daher zu verweisen (Reischauer in Rummel2 Rz 11 a zu § 1323, Koziol Haftpflichtrecht I2, 63; Rummel in Rummel2 Rz 5 zu § 1035; Apathy,

Der Ersatz von Kosten eines Reservefahrzeuges, ZVR 1989, 257).

Zu der vom Berufungsgericht erheblich bezeichneten Rechtsfrage, die Grenzen der Ersatzpflicht seien nicht im Verdienstentgang der klagenden Parteien sondern in den Kosten eines Mietfahrzeuges zu ziehen, hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß die Grenze der Ersatzpflicht hinsichtlich der sogenannten Vorsorgekosten der klare und überwiegende Vorteil des Schädigers ist (JBl 1986, 581). Der Entscheidung SZ 60/65 könnte entnommen werden, daß die Grenze der Ersatzpflicht bei Straßenbahnen im Verdienst gesehen werden kann, der wegen des Ausfalles bei Nichteinsatz eines Reservefahrzeuges entgangen wäre. Bei neuerlicher Prüfung der Sachlage sind aber die Ausführungen Hubers (Christian Huber Fragen der Schadensberechnung 420 f) zu berücksichtigen. Huber legt dar, daß der in SZ 60/65 verwendete Begriff "Verdienstentgang" jedenfalls in betriebswirtschaftlicher Terminologie als Saldo zwischen Aufwendungen und Erträgen bezeichnet wird, verweist aber darauf, daß es für die Ersatzfähigkeit von Betriebsreservekosten nicht darauf ankommen kann, weil auch viele Verkehrsbetriebe die Gewinnschwelle niemals erreichen, was unter anderem auch auf die Tarifgestaltung unter sozialen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zurückzuführen sei (aaO 421). Jedenfalls seien bis zur Grenze der Anmietung fremder Fahrzeuge auf dem Markt Betriebsreservekosten ersatzfähig, sofern es um das auch im Schadenersatzrecht berücksichtigungswürdige Interesse an der Aufrechterhaltung eines geregelten Fahrbetriebes öffentlicher Verkehrsmittel geht.

Auch der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsmeinung an. Soweit aus der Entscheidung SZ 60/65 etwas anderes hervorgehen sollte, kann dies nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Nach den Feststellungen haben die B*****werke tatsächlich die Anmietung einer Ersatzgarnitur - zwar durch einen längeren Zeitraum - angeboten. Bei der Abwägung, ob die aufgewendeten Betriebsreservekosten untunlich im Sinn des § 1323 ABGB sind, ist es daher zulässig, den Betriebsreservekosten das Bereitstellungsentgelt vergleichbarer Fahrzeuge gegenüberzustellen (Huber aaO 422). Damit liegt nach den Feststellungen eine ausreichende Vergleichsbasis vor, die als Obergrenze der Reservehaltungskosten herangezogen werden kann.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist daher zuzustimmen. Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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