OGH 15Os47/96

OGH15Os47/9627.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Spieß als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Joseph D***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14.Dezember 1995, GZ 6 Vr 1774/95-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Schroll, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Kocher zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf 10 (zehn) Monate herabgesetzt, die (zur Gänze) gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Joseph D***** wurde der Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB (I 1 bis 3) und der Verleumdung nach § 297 höherer Strafsatz (gemeint: Abs 1 zweiter Fall) StGB (II) schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, in Graz

(zu I) nachangeführte fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert Verfügungsberechtigten des K*****-Liebenau mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1. zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt Anfang Jänner 1995 ein T-Shirt zum Preis von 78 S,

2. um den 7.Jänner 1995 zwei Unterhosen zum Gesamtpreis von 438 S,

3. am 14.Jänner 1995 einen dunkelroten Babystrampler, einen dunkelblauen Babystrampler, ein Babyhemd, ein Paar Handschuhe und mindestens ein Kinderhemdchen zum Gesamtpreis von ca 700 S, wobei er, bei diesem Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen (den Abteilungsleiter des K*****-Marktes Liebenau) Wolfgang S***** anwendete, indem er ihm mit beiden Händen einen kräftigen Stoß gegen die Brust versetzte, dessen rechte Hand zwischen Türsteher und PKW-Türe einklemmte (wodurch S***** Quetschungen und Zerrungen von vier Fingern der rechten Hand erlitt) und in der Folge mit dem PKW wegfuhr, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten;

(zu II) am 27.Jänner 1995 Wolfgang S***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt zu haben, daß er ihn bei einer niederschriftlichen Einvernahme durch den erhebenden Beamten der Bundespolizeidirektion Graz einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83, 84 Abs 1 StGB, falsch verdächtigte, indem er angab, Wolfgang S***** habe ihm (anläßlich des Vorfalles am 14. Jänner 1995 - Schuldspruchsfaktum I 3) Schläge gegen den Kopf und den Oberkörperbereich sowie Tritte versetzt, wodurch er eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsstörung erlitten habe, wobei er wußte (§ 5 Abs 3), daß die Verdächtigung falsch war.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die vom Angeklagten auf die Z 3, 4, 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Zu den Schuldspruchsfakten I 1 bis 3:

Entgegen der (nur das Urteilsfaktum I 2 betreffenden) Beschwerdebehauptung (343), die "Feststellung ... etwa um den 7.1.1995" (vgl Punkt I 2 des Urteilstenors sowie US 7 zweiter Absatz) widerspreche der Bestimmung des § 260 Abs 1 Z 1 StPO und sei daher mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO behaftet, muß ein schuldigsprechendes Strafurteil gemäß der zitierten Prozeßnorm nur aussprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig erkannt worden ist, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände. Das Gesetz verlangt jedoch nicht, daß die "Tat" (welche mit den für erwiesen angenommenen Tatsachen ident ist) im Urteilssatz erschöpfend beschrieben wird. Gefordert wird vielmehr bloß die Beschreibung "jener Umstände", die die Tat derart bestimmen (individualisieren), daß sie von jeder anderen unterschieden werden kann und hiedurch eine wiederholte Verurteilung wegen derselben Tat ausgeschlossen wird ("ne bis in idem").

Wenn daher - wie vorliegend - die exakte Tatzeit nicht näher bestimmt werden kann (US 7 unten), die Tatbildlichkeit des vorgeworfenen Verhaltens aber dessen ungeachtet klar erkennbar und dieses (durch Tatort und Diebsbeute) als individuelles, unverwechselbares Ereignis voll abgegrenzt ist, liegt kein Verstoß gegen die Vorschrift der Z 1 des § 260 Abs 1 StPO vor und folglich auch keine Nichtigkeit nach der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO (vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 260 E 18, 21 f, 32; § 262 E 31; § 281 Z 3 E 41).

Schon daraus erhellt, daß die genaue Tatzeit fallbezogen keinen entscheidenden Umstand betrifft, weil sie weder auf die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz noch auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluß hat (EvBl 1972/17). Demnach versagt der in diesem Zusammenhang auch unter dem Aspekt einer Mängelrüge (Z 5) erhobene Vorwurf, der Ausspruch über den Zeitpunkt des deliktischen Angriffs ("etwa um den 7.1.1995") sei "höchst mangelhaft bzw unvollständig" begründet, weil die widersprüchlichen Zeitangaben der Zeugin H***** mit Stillschweigen übergangen oder gar nicht erkannt worden seien (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 E 18; § 281 Z 8 E 10 a).

Der weitere Einwand hinwieder, das Erstgericht stütze sich beim Urteilsfaktum I 2 vor allem auf die Aussage der Zeugin Inge H***** (vor dem Untersuchungsrichter) in ON 5, die "niemals förmlich im Verfahren vorgetragen" oder "verlesen" worden sei, weshalb ein - Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO bewirkender Verstoß - gegen den "Grundsatz der Unmittelbarkeit" (§ 258 Abs 1 StPO) vorliege, widerspricht nicht nur dem (ungerügt gebliebenen) Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (206 unten, wonach die Seiten 85 bis 86 dieses Protokolls vom Vorsitzenden "wörtlich verlesen" wurden), sondern übergeht auch die Tatsache, daß Inge H***** ebenso wie Sonja L***** in der Hauptverhandlung als Zeugen förmlich vernommen wurden und folglich der Grundsatz der "Unmittelbarkeit" gewahrt wurde. Die im Hauptverhandlungsprotokoll bekundete Bezugnahme auf die im Vorverfahren abgelegten Aussagen dieser beiden Zeuginnen (219, 225) entspricht der Bestimmung des § 271 Abs 3 StPO; diese Aussagen wurden damit Gegenstand des Erkenntnisverfahrens.

Angesichts der dem Gebot der Individualisierung genügenden Eingrenzung des Tatzeitraumes war das Erstgericht auch nicht gehalten, sich mit der Behauptung des Angeklagten auseinanderzusetzen, er habe sich am 7.Jänner 1995 in Slowenien aufgehalten.

Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus bloße Spekulationen über (seiner Meinung nach) allenfalls in Frage kommende konkrete Tattage und über die Möglichkeit bzw Unmöglichkeit, die Diebsbeute (zwei lange Unterhosen) aus dem Geschäft zu verbringen, anstellt, ferner auf Widersprüche in der Aussage der Zeugin Inge H***** hinweist, die - der formalen Begründungspflicht genügend - in den Entscheidungsgründen ohnehin erörtert wurden (US 20 f), und sich bei seiner Argumentation nur auf die Aussagen dieser Zeugin vor dem Untersuchungsrichter (ON 5) beschränkt, bekämpft er lediglich nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehenen Schuldberufung die an sich unanfechtbaren Erwägungen sowie den kritisch-psychologischen Vorgang der Tatrichter (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 258 E 16; § 281 Z 5 E 2, 26; § 281 Z 5 a E 3), welche der Zeugin H***** in einer Gesamtwürdigung aller ihrer Depositionen - auch unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks (§ 258 Abs 2 StPO) - geglaubt und mängelfrei begründet haben, warum sie überzeugt waren, daß der Angeklagte anläßlich eines (weiteren) Besuches im K*****-Liebenau um den 7.Jänner 1995 zwei Unterhosen im Gesamtpreis von 438 S gestohlen hat.

Gleiches gilt für das gegen das Schuld- spruchsfaktum I 1 gerichtete Vorbringen (339 f), weil bei verständiger Betrachtung der als widersprüchlich kritisierten Urteilsfeststellungen in ihrem Sinnzusammenhang (US 5 ff) auch damit kein formeller Begründungsfehler in der Bedeutung des - der Sache nach - geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO dargetan wird, sondern erneut bloß durch Hervorhebung selektierter Aussagepassagen in Verbindung mit eigenen Überlegungen die vom Schöffengericht in freier Beweiswürdigung (vgl abermals § 258 Abs 2 StPO) als glaubwürdig beurteilte Aussage der Zeugin H***** in Zweifel zu ziehen getrachtet wird.

Unerheblich ist schließlich, wer von den Zeuginnen H***** und L***** der anderen gegenüber zuerst einen Diebstahlsverdacht geäußert hat, ob die eine oder die andere am 14.Jänner 1995 den Kaufhausdetektiv Wolfgang S***** auf den (des Diebstahls bereits verdächtigen) Angeklagten aufmerksam gemacht hat, ob alle drei genannten Kaufhausangestellten damals am Tatort anwesend waren und wer Joseph D***** beim Diebstahl der Babysachen (laut Punkt I 3 des Urteilssatzes) beobachtet hat (341 f, 345 f). Daher liegt die in diesem Zusammenhang relevierte Aktenwidrigkeit (347 oben) - die außerdem nur in einer unrichtigen Wiedergabe von Aussagen bestehen könnte (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 E 185 ff) - nicht vor, weil das Urteil damit keinen eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Zeugenaussage wiedergibt (Foregger/Kodek StPO6 S 398).

Ausschlaggebend ist fallbezogen vielmehr, daß nach der von den Erkenntnisrichtern für glaubwürdig und überzeugend befundenen Darstellung des Zeugen S***** (zumindest) er mit eigenen Augen gesehen hat, wie der Angeklagte in der Kinderabteilung die inkriminierten Textilien an sich genommen, unter seiner Lederjacke versteckt und damit ohne Bezahlung das Geschäft verlassen hat (US 9).

Auch aus dem Blickwinkel einer Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag der Beschwerdeführer mit dem unsub- stantiierten Hinweis auf eine "Unzahl von Widersprüchen" keine Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Art - gegen die entscheidenden, auf der Basis der für glaubwürdig beurteilten Aussage sowie des persönlich gewonnenen Eindrucks der Zeugin Inge H***** aktenkonform und plausibel begründeten Tatsachenfeststellungen betreffend die Diebstahlsfakten laut Punkt I 1 und I 2 des Urteilssatzes zu erwecken.

Ebensowenig werden mit der Behauptung: "Zu den Fakten I.1. und I.2. sind sämtliche Erhebungen in die Richtung unterblieben, wie die Zeugin H***** zur Ansicht gelangt, die Gegenstände hätten vom Angeklagten gestohlen werden müssen", schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufgezeigt.

Die nur gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls (I 3) gerichtete Rechtsrüge (Z 10) entbehrt weitgehend einer gesetzmäßigen Darstellung, weil sie nicht, wie dies für die erfolgreiche Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes unabdingbare Voraussetzung ist, am gesamten Tatsachensubstrat festhält und nicht auf dessen gesamter Basis prüft, ob das Gericht alle subjektiven und objektiven Merkmale der Urteilstat festgestellt und das Strafgesetz darauf richtig angewendet hat.

Wenn der Beschwerdeführer Feststellungen dahin vermißt, "ob sich Betretung auf frischer Tat noch im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang ereignete" und "wie lange der Angeklagte mit der Beute schon im Auto war" (355 f), ignoriert er schlichtweg alle jene (mängelfrei begründeten) Urteilsfeststellungen (US 2, 8 ff iVm 24 zweiter Absatz), aus denen sich deutlich und unmißverständlich die Antworten auf die gestellten Fragen ergeben. Demnach hat der Zeuge S***** den Angeklagten nicht nur beim Diebstahl der Babysachen und beim Verlassen des K*****-Marktes beobachtet, sondern ihn in weiterer Folge - insbesondere an der aufgesetzten blauen Mütze erkennend - niemals aus den Augen verloren, bis zu dem (auf dem Kundenparkplatz vor dem K*****-Markt abgestellten) Fiat "Tipo" verfolgt, wo er den bereits im Auto neben der am Beifahrersitz sichtbar abgelegten Diebsbeute sitzenden Angeklagten "stellte", sich als Kaufhausdetektiv zu erkennen gab, dem Angeklagten den Diebstahl auf den Kopf zusagte und ihn aufforderte, mit ihm in das Büro zu gehen, worauf der (inzwischen aus dem Auto ausgestiegene) Joseph D***** in der Absicht, sich im Besitz der weggenommenen (an sich gebrachten) Sachen zu erhalten und (unbehelligt) zu flüchten, dem Zeugen S***** mit beiden Fäusten einen kräftigen Stoß gegen die Brust versetzte, sodaß dieser einige Schritte zurücktaumelte, anschließend wiederum in den PKW einstieg und wegfahren wollte; um den Angeklagten daran zu hindern, öffnete S***** die Fahrertüre, erfaßte mit der linken Hand den Angeklagten an seiner Lederjacke und hielt sich mit der rechten Hand an der PKW-Türe fest; daraufhin versuchte D*****, dessen Hand wegzuschlagen, stieß ihn vom Fahrzeug weg, schlug die Fahrzeugtüre zu und fuhr weg.

Bei dieser Sachlage, die hinreichend zum Ausdruck bringt, daß der in Rede stehende Diebstahl zwar bereits vollendet, die Beute aber noch nicht in Sicherheit gebracht worden war (Leukauf/Steininger Komm3 § 131 RN 6 mwN) und sich somit die Betretung des Angeklagten auf frischer Tat noch im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang (auf dem Firmenparkplatz vor dem Kaufhaus) ereignet hat, bedurfte es - einem weiteren Vorbringen zuwider - keiner Feststellung, "in welchem Teil des Parkplatzes der PKW des Angeklagten abgestellt war", weil dieser Umstand für die Beurteilung des in Rede stehenden Diebstahlsverbrechens unerheblich ist (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 9 a E 18; § 281 Z 10 E 15).

Überdies bezweifelt die Beschwerde - prozeß- ordnungswidrig - die vom Erstgericht festgestellte Täterschaft des Angeklagten mit den Worten (357) "..., so ihm der Diebstahl überhaupt angelastet werden sollte".

Im Hinblick darauf, daß das Schöffengericht die leugnende Verantwortung des Angeklagten insgesamt - somit auch hinsichtlich des von ihm behaupteten Aufsuchens einer Trafik - als unglaubwürdig verworfen hat (vgl US 7 oben, 8 oben, 134 ff) und der Zeuge S***** nichts von einem Trafikbesuch des von ihm verfolgten Angeklagten zu berichten wußte, fehlt die beweismäßige Grundlage für eine derartige (vom Beschwerdeführer reklamierte) Urteilsfeststellung, sodaß dem Erstgericht weder eine Nichtigkeit nach der Z 5 noch nach der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO unterlaufen ist.

Abgesehen davon könnte das Aufsuchen einer im Firmengelände gelegenen Trafik nicht schon als Begründung eines Alleingewahrsams an den gestohlenen Sachen angesehen werden.

Indem die Subsumtionsrüge überdies bloß mit der hypothetischen Annahme argumentiert, diesfalls (bei einem Trafikbesuch) "wäre der zeitliche unmittelbare Zusam- menhang im Sinne des § 131 StGB nicht mehr gegeben", weshalb (nach ihrer Ansicht) der Angeklagte lediglich wegen Diebstahls nach § 127 StGB zu verurteilen gewesen wäre, verläßt sie außerdem vollends den Boden der Urteilskonstatierungen und verfehlt solcherart erneut die prozeßordnungsgemäße Darstellung des angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Zum Urteilsfaktum II:

Unberechtigt ist die gegen das schöffengerichtliche Zwischenerkenntnis (265 f) gerichtete Verfah- rensrüge (Z 4), mit dem ein vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellter Antrag auf "Beischaffung des von der Zeugin Olga K***** angefertigten Gedächtnisprotokolls sowie deren Aussage vor der Kripo im Juni 1995 zum Beweis dafür, daß der Angeklagte unmittelbar nach dem Vorfall [vom 14.Jänner 1995 laut Punkt I 3 des Urteilssatzes] gegenüber der Zeugin über erlittene Verletzungen geklagt und sie, wie in der heutigen Verhandlung, deklariert [ersichtlich gemeint: detailliert] geschildert hat" (263), abgewiesen wurde.

Anläßlich ihrer (der Antragstellung unmittelbar vorangegangenen) zeugenschaftlichen Vernehmung bekundete Olga K***** (hier zusammengefaßt wiedergegeben), der Angeklagte sei an jenem Samstag total verzweifelt zu ihr gekommen und habe ihr erzählt, was ihm passiert wäre; ein Mann sei auf ihn losgegangen, habe ihn erfaßt, geschlagen und getreten; der Angeklagte habe über Schmerzen geklagt;

außer einem Kratzer auf der Hand habe sie nichts gesehen; das Gedächtnisprotokoll habe sie einige Wochen später gemacht und im Juni 1995 sei sie von der Kriminalpolizei ausführlich einvernommen worden;

die wesentlichen Feststellungen von damals habe sie heute schon gesagt (262 f).

Daraus ergibt sich, daß - ohne vorgreifende Beweiswürdigung - die Beischaffung der in Rede stehenden Schriftstücke ungeeignet war, entweder den unter Beweis gestellten Umstand (nämlich die behauptete detaillierte Schilderung des Angeklagten über die ihm von S***** angeblich zugefügten konkreten Verletzungen) zu bestätigen oder überhaupt die dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern.

Bei Prüfung der Antragsberechtigung ist stets von der Verfahrenslage sowie von den vorgebrachten Gründen im Zeitpunkt der Antragstellung auszugehen ist (weshalb der Beschwerdehinweis auf eine Verletzungsanzeige und auf eine Zahnarztbestätigung in diesem Zusammenhang unerörtert bleiben kann). Unter diesem Aspekt wäre der Beschwerdeführer angesichts der gegebenen Beweissituation verpflichtet gewesen darzutun, warum die Durchführung seines Beweisantrages dennoch das von ihm behauptete Ergebnis erbringen werde (Mayerhofer/Rieder aaO E 19, 90).

Somit lehnte das Schöffengericht die beantragte Beweisaufnahme im Ergebnis zu Recht ab, ohne dadurch den Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten zu verkürzen, wobei der Vollständigkeit halber anzumerken ist, daß die mangelhafte (vom Beschwerdeführer als "grob aktenwidrig" bezeichnete - 351 oben -) Begründung eines Zwischenerkenntnisses nicht mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 5, sondern ausschließlich mit dem der Z 4 des § 281 StPO angefochten werden kann (Mayerhofer/Rieder aaO E 38).

Nicht zielführend sind die Beschwerdeausführungen (347 f), die der Sache nach als Mängelrüge (Z 5) aufzufassen sind:

Die isolierte - demnach prozeßordnungswidrige - Betrachtung bloß des ersten Teiles eines Satzgefüges (US 11 oben: "S***** bestand jedoch darauf, daß der Angeklagte ins Büro kommen müsse, worauf er letzterem mit den Fäusten einen heftigen Stoß gegen die Brust versetzte, ...") mag zwar den Eindruck erwecken, S***** habe dem Angeklagten mit beiden Fäusten einen heftigen Stoß gegen die Brust versetzt; liest man aber den gesamten Satz und berücksichtigt man auch die weiteren Feststellungen (so etwa US 12 unten, 23 mitte, 25) iVm den erstgerichtlichen Erwägungen (zB US 22 mitte), so ist zweifelsfrei erkennbar, daß die gerügte Urteilspassage nur grammatikalisch unrichtig bzw ungeschickt formuliert wurde, jedoch tatsächlich keinen Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 des § 281 StPO zu dem (noch weitere Gewaltakte des Angeklagten inkriminierenden) Urteilssachverhalt laut Punkt I 3 des Urteilssatzes enthält.

Der Beschwerdevorwurf, das Erstgericht lasse die Verletzungsanzeige

(53) sowie das zahnärztliche Attest (55) über die beim Angeklagten am 14. Jänner 1996 diagnostizierten "Beschwerden" unberücksichtigt und übergehe mit Stillschweigen die "einzige maßgebliche Entscheidungsquelle", nämlich "die Feststellungen durch Ärzte", vernachlässigt gerade jenen Teil der Entscheidungsgründe, der diese Aktenstücke ausdrücklich erwähnt (US 18 unten), ihnen aber nicht jenen vom Nichtigkeitswerber erwünschten Beweiswert zuerkennt.

Ein anderer Einwand der Mängelrüge (349 letzter Absatz) beschränkt sich allein auf eine Kritik der Anklage und ist deshalb einer Erörterung im Nichtigkeitsverfahren unzugänglich, das allein die Überprüfung eines Urteils zum Gegenstand haben kann (vgl § 280 StPO).

Die Beweisrüge (Z 5 a) führt wiederum nur - wie dargelegt - urteilsfremd ins Treffen, das Erstgericht habe die ärztlichen Befunde (53 f) mit Stillschweigen übergangen, weist auf die von den Zeugen Olga K***** und Mag.Anna D***** beim Angeklagten wahrgenommene Verletzung an dessen linkem Ringfinger hin, was in den Entscheidungsgründen ohnehin mehrfach erörtert und auch verwertet wird (vgl US 14, 17 unten, 21 zweiter Absatz, 23 oben), sowie auf die einander widersprechenden Schilderungen des Tatherganges durch den Zeugen S***** und den Angeklagten, konstruiert aus einer eigenwilligen, urteilsfernen Interpretation der schöffengerichtlichen Erwägungen (US 22), der zufolge der gesamte Vorfall von an der Rangelei unbeteiligten Zeugen beobachtet worden sei, eine (dem Urteil in Wahrheit nicht anhaftende - vgl in bezug auf den Zeugen L***** US 13 oben -) Aktenwidrigkeit und hebt abermals eine Reihe von (dem Erstgericht vermeintlich unterlaufenen, indes keine entscheidenden Umstände berührenden) "Widersprüchlichkeiten", "Unvollständigkeiten" sowie "unterlassene Erörterungen" im Zusammenhang mit der Wegnahme von Babysachen (Faktum I 3) hervor.

Solcherart werden erneut weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufgezeigt, noch aktenkundige Beweisergebnisse dargetan, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemein menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Urteilsfeststellungen zum Verbrechen der Verleumdung und/oder zum Verbrechens des räuberischen Diebstahls aufkommen lassen. Vielmehr trachtet der Beschwerdeführer nach Inhalt und Zielrichtung dieses Vorbringens abermals bloß unzulässig die Beweiswürdigung der Erkenntnisrichter anzuzweifeln, die in einer kritischen Gesamtschau aller erhobenen Sach- und Zeugenbeweise sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks (§ 258 Abs 2 StPO) zur aktenkonform, zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und plausibel begründeten Ansicht über die Schuld des Angeklagten gelangt sind.

Es wäre dem Beschwerdeführer allerdings freigestanden, in der Hauptverhandlung einen begründeten Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung "der behandelnden Ärzte" zu stellen (vgl 353 oben), nach dessen Abweisung durch den Gerichtshof er zur Ergreifung der Verfahrensrüge (Z 4) legitimiert gewesen wäre. Dieses Versäumnis kann hinterher in der Beschwerdeschrift - somit prozessual verspätet - jedoch nicht mehr nachgeholt werden.

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die eine Ver- urteilung des Angeklagten wegen des Verbrechens der Verleumdung (nur) nach dem ersten Deliktsfall des § 297 Abs 1 StGB anstrebt (357 f), entbehrt einer gesetzmäßigen Darstellung.

Zum einen bestreitet sie nämlich - prozeßordnungswidrig - überhaupt das Vorliegen des (im Urteil mehrfach konstatierten, gerade auch die Qualifikation der angeschuldigten Tat als "schwere" Körperverletzung miteinschließenden) "Vorsatzes" (US 3, 19, 21 ff); zum anderen argumentiert sie stets mit einer "Berufsunfähigkeit", übergeht dabei aber, daß dem Beschwerdeführer eine bewußt wahrheitswidrige Verdächtigung angelastet wird, der Zeuge S***** habe ihm eine "schwere" Körperverletzung (abermals US 19, 24) nach §§ 83, 84 Abs 1 StGB mit einer länger als 24 Tage dauernden "Gesundheitsstörung" (US 3) bzw mit einer "Gesundheitsschädigung" von über 24 Tagen (US 22, 25) zugefügt.

Diese - den Erfordernissen zur subjektiven Tatseite Rechnung tragende - Feststellung, wonach nämlich der Vorsatz in bezug auf die angedichtete Straftat (nur) den konkreten Unrechtssachverhalt, welcher einem dem Verleumdeten zur Last gelegten Deliktstypus und seinen Modalitäten entspricht, in allen seinen strafrechtlich relevanten Einzelheiten umfassen muß (Leukauf/Steininger aaO § 297 RN 13,16), konnte das Erstgericht aber aus der vom Angeklagten am 27. Jänner 1995 erhobenen Beschuldigung mängelfrei treffen, derzufolge die von ihm behaupteten Verletzungen laut Aussage eines Arztes "von länger als 24-tägiger Dauer" seien (US 18) und er, obgleich er an sich ruhiggestellt sein müßte (also bei andauernder Gesundheitsschädigung), trotzdem 13 Tage nach dem Vorfall wiederum Vorlesungen besuche (37), womit er allein eine Berufsunfähigkeit auf diese Zeitdauer einschränkte.

Dem Erstgericht ist daher weder ein Subsumtionsirrtum noch ein Feststellungsmangel (Z 10) noch ein - der Sache nach behaupteter - Begründungsfehler (Z 5) unterlaufen.

Sonach war die teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Die angemeldete "Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld" (ON 23) wurde vom Verteidiger im Gerichtstag zurückgezogen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem gelinderen Strafsatz des § 131 StGB unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 43 a Abs 3 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, wovon es neun Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Dabei wertete es das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, die Tatwiederholung und die Verletzung des Wolfgang S***** als erschwerend, hingegen die "bisherige Unbescholtenheit" (gemeint: den bisher ordentlichen Lebenwandel) des Angeklagten als mildernd.

Die sowohl gegen die Strafhöhe als auch gegen die verweigerte gänzliche bedingte Strafnachsicht erhobene Berufung des Angeklagten ist im Recht:

Die an sich zutreffend und vollständig erfaßten erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe bedürfen jedoch insoweit einer Ergänzung, als dem Angeklagten im Sinne der Urteilsfeststellungen (US 23 mitte) zusätzlich als mildernd zugute kommt, daß er "unter Beeinflussung seiner Adoptivmutter und auf Drängen dieser" den Zeugen S***** verleumdet hat (§ 34 Z 4 StGB). Unter Abwägung der Zahl und des Gewichtes der solcherart zum Vorteil des Berufungswerbers komplettierten Strafzumessungstatsachen sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) erachtet der Oberste Gerichtshof eine auf zehn Monate reduzierte Freiheitsstrafe für tatschuldangemessen.

Die beiden gewichtigen Milderungsumstände in Verbindung mit den im Strafverfahren gemachten Erfahrungen und dessen bei einem bisher straffreien Menschen anzunehmende erzieherischer Wirkung auf den Angeklagten lassen - ungeachtet des fehlenden Geständnisses und mangelnder Schuldeinsicht - mit Grund erwarten, daß der drei Jahre lang in Schwebe bleibende drohende Vollzug einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe ausreicht, nicht nur Joseph D***** künftighin von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, wobei auch eine entsprechend präventive Wirkung auf Dritte erhalten bleibt (§ 43 Abs 1 StGB).

Sohin war insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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