OGH 7Ob2152/96p

OGH7Ob2152/96p26.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Manfred R*****, vertreten durch Dr.Herbert Blum, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Pizzeria ***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Axel Zaglits, Rechtsanwalt in Linz, wegen Räumung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 16.Februar 1996, GZ 12 R 11/96-18, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Leonfelden vom 24.Oktober 1995, GZ C 303/95 k-12, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung

Unstrittig ist, daß der Kläger Räume im ersten Stock und im Dachgeschoß des Hauses Bad L*****, H*****platz ***** bis *****, der beklagten Partei 1993 vermietet hat. Zufolge Nichtzahlung des Mietzinses brachte der Kläger zu C ***** des Erstgerichtes eine Räumungsklage ein, die am 11.7.1995 mit folgendem auszugsweise wiedergegebenen Vergleich beendet wurde:

"1.) Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger den Betrag von S 159.711,-- zuzüglich der Kosten des Rechtsvertreters des Klägers von

S 27.600,40 (... UST, Barauslagen), zuhanden des Klagevertreters in fünf gleichen Raten, beginnend mit 1.8.1995, zu bezahlen. Die monatliche Rate beziffert sich demgemäß mit S 37.462,28.

2.) Die Beklagte verpflichtet sich, das mit Mietvertrag vom 26.1.1993 gemietete Geschäftslokal im ersten Stock und im Dachgeschoß des Hauses ***** Bad L*****, H*****platz***** (...Grundstücksnummer, EZ) vollständig und ordnungsgemäß mit ihren Fahrnissen zum 1.1.1996 zu räumen und ordnungsgemäß geräumt an den Kläger zum 1.1.1996 zu übergeben.

Diese Räumungsverpflichtung der Beklagten wird hinfällig, wenn die Beklagte zum 1.1.1996 den gegenständlichen Vergleichsbetrag von S 159.711,-- zuzüglich S 27.600,40 sowie sämtliche bis zu diesem Termin fällig gewordenen weiteren Mietzinse erfüllt hat, und erklärt der Kläger, für diesen Fall auf Räumungsexekution aufgrund dieses Titels zu verzichten.

3.) Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien bis zum heutigen Tage bereinigt und verglichen.

Festgehalten wird, daß im Vergleichsbetrag die Miete für Juli 1995 enthalten ist.

4.) Die Parteien kommen überein, daß bei Zahlungsverzug der Beklagten auch nur mit einer Rate Terminsverlust eintritt und der Vergleichsbetrag von S 159.711,-- zuzüglich S 27.600,40 auf einmal fällig wird. Ungeachtet des Eintrittes eines allfälligen Terminsverlustes tritt aber die Räumungsverpflichtung der Beklagten nicht vor dem 1.1.1996 ein".

Am 12.9.1995 brachte der Kläger wiederum eine Räumungsklage unter Hinweis darauf ein, daß die beklagte Partei weder die Verpflichtungen aus dem gerichtlichen Vergleich eingehalten, noch die laufenden Mietzins- und Betriebskostenzahlungen geleistet habe. Hinsichtlich der laufenden, vom Vergleich nicht erfaßten Bestandzinsforderungen liege ein qualifizierter Zahlungsverzug vor, der ihn gemäß § 1118 ABGB zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtige. Der Vergleich vom 11.7.1995 beziehe sich lediglich auf den Mietzinsrückstand per 30.6.1995, die gegenständliche Räumungsklage werde hingegen auf einen nach diesem Zeitpunkt entstandenen Mietzinsrückstand gestützt, konkret hafte der Mietzins für die Monate August, September und Oktober 1995 unberichtigt aus, sodaß der Einwand der res judicata unbegründet sei.

Die beklagte Partei beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung. Die im Vergleich eingegangene Räumungsverpflichtung stehe unter der Bedingung, daß sie bis 1.1.1996 neben dem Vergleichsbetrag auch die bis dahin laufenden Mietzinse nicht bezahle. Das nunmehrige Räumungsbegehren könne nicht auf einen von dieser Vereinbarung umfaßten Mietzinsrückstand gestützt werden und werde daher ausdrücklich res judicata angewendet. Eine neuerliche Räumungsklage vor Eintritt des Ablauftermines sei aufgrund der in den Vergleich aufgenommenen Zahlungsbedingungen sittenwidrig.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 24.10.1995 das Klagebegehren kostenpflichtig ab. Es folgerte rechtlich, daß mit dem Vergleich vom 11.7.1995 der Räumungsanspruch der klagenden Partei bis zum 1.1.1996 verglichen worden sei und bis zu diesem Zeitpunkt nicht neu eingeklagt werden könne.

Das Berufungsgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung die Berufung der klagenden Partei mangels Beschwer zurück. Von der beklagten Partei sei eine Zahlung nicht einmal behauptet worden. Der Versuch einer Streitbereinigung in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 16.2.1996, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits über einen Räumungstitel verfügte, sei erfolglos geblieben. Der Kläger begehre sohin neben dem bereits rechtswirksamen und exekutionsfähigen Räumungstitel die Schaffung eines zweiten dieser Art. Im vorliegenden Fall sei die Beschwer des Klägers aber mit 1.1.1996 weggefallen. Das zwar ursprünglich zulässige Rechtsmittel sei mit diesem Zeitpunkt zufolge nachträglichen Beschwerwegfalles unzulässig geworden. Bei Beurteilung der Richtigkeit der Kostenentscheidung sei der Erfolg des Rechtsmittels nachzuvollziehen, sodaß der Rechtsmittelwerber, der ohne Wegfall der Beschwer seine Kosten erhalten hätte, diese auch so zugesprochen bekommen müsse. Wäre das Rechtsmittel ansonsten nicht erfolgreich gewesen, treffe ihn die normale Ersatzpflicht. Die Frage des Terminverlustes im Punkt 4 des Vergleiches vom 11.7.1995 betreffe den rückständigen Mietzins von S 159.711,-- zuzüglich der Rechtsanwaltskosten, doch übersehe der Berufungswerber, daß der Punkt 2 des Vergleiches unabhängig davon ausdrücklich auch die laufenden, bis zum 1.1.1996 fällig gewordenen weiteren Mietzinszahlungen miterfasse. Die Räumungsverpflichtung der beklagten Partei bleibe danach auch bestehen, wenn sie neben dem rückständigen Mietzins samt Kosten auch die (arg. "sowie" laut Vergleichstext), bis zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden weiteren Mietzinse nicht bezahle. Unter einem, vor einem Zivilgericht über privatrechtliche Ansprüche abgeschlossenen Vergleich sei auch ein solcher zu verstehen, der über Ansprüche verfüge, die bisher nicht Gegenstand des Prozesses gewesen seien. Ein gerichtlicher Vergleich berechtige zur materiellrechtlichen Einwendung gegen die neuerliche Geltendmachung des verglichenen Anspruches, was die inhaltliche Abweisung des Klagebegehrens zur Folge habe. Derjenige, der sich auf einen vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Aussagewert einer Willenserklärung berufe, habe dies zu behaupten und zu beweisen. Daß bei Vergleichsabschluß eine über den Vertragstext hinausgehende andere Parteiabsicht bestanden habe, mache der Berufungswerber erstmals in seinem Rechtsmittel geltend.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung begründet das Vorliegen eines gerichtlichen Vergleiches nicht die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache, sondern führt zur Abweisung der Klage mangels Rechtsschutzinteresses (vgl. EvBl 1952/377 uva, zuletzt 4 Ob 509/92). Richtig ist, daß ein Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelwerbers an einer sachlichen Erledigung seines Rechtsmittels durch die zweite Instanz wegen der Kosten der ersten Instanz zu bejahen wäre (vgl. Kodek in Rechberger ZPO vor § 461 Rz 9 mwN), doch stellt sich die vom Rechtsmittelwerber vorgegebene rechtliche Situation im vorliegenden Fall nicht. Zutreffend hat das Berufungsgericht den Wortlaut des Punktes 2 zweiter Absatz des Vergleiches vom 11.7.1995 dahin interpretiert, daß der Kläger auf die mit dem Vergleich begründete Räumungsberechtigung dann verzichtet, wenn die beklagte Partei alle bis zum 1.1.1996 fällig gewordenen Zahlungsverbindlichkeiten gegenüber dem Kläger erfüllt. Dieser hat damit auch auf seine Berechtigung gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB wegen weiter bis 1.1.1996 auflaufender Mietzinsrückstände des beklagten Mieters auf Räumung zu klagen vergleichsweise verzichtet, wiewohl ihm unabhängig davon wegen des neuerlichen Mietzinsverzuges das Recht zugestandem wäre, sich darüber einen Titel zu verschaffen. Bei Schluß des Verfahrens erster Instanz bzw. bei Erhebung der Berufung durch den Kläger war das allein auf Räumung ausgerichtete Begehren zufolge der zitierten Vergleichszusage nicht fällig und daher nicht berechtigt. Die Räumungsverpflichtung der beklagten Partei ergab sich daher erst mit 1.1.1996, und zwar aufgrund des Vergleiches vom 11.7.1995. In seinem Revisionsrekurs wendet sich der Kläger inhaltlich nur gegen die ihm verweigerte Kostenersatzberechtigung für das vorliegende Verfahren. Sein Argument, er sei zufolge des neuerlichen nach dem Vergleich vom 11.7.1995 eingetretenen Zahlungsverzuges der beklagten Partei zur Erhebung einer neuerlichen Räumungsklage berechtigt gewesen und es stünden ihm daher auch bei Erledigung seines Rechtsmittels nach dem 1.1.1996 sämtliche Kosten gegenüber dem Beklagten zu, wird, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, durch den aus dem Wortlaut des Punktes 2 Abs.2 des Vergleiches vom 11.7.1995 abzuleitenden Räumungsaufschub bis 1.1.1996 widerlegt. Seine trotz Räumungsaufschub bis zum 1.1.1996 davor erhobene Räumungsklage aus dem Titel des neuerlichen Mietzinsverzuges war daher unzulässig und mußte daher abgewiesen werden. Dementsprechend standen dem Beklagten für das erstinstanzliche Verfahren und auch für seine Berufung keine Kosten zu. Die Frage der fehlenden Beschwer im Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung bzw. des Ergehens der Berufungsentscheidung stellt sich daher nicht. Die vom Rekurswerber zitierten Entscheidungen gehen, wie bereits eingangs ausgeführt, von einer ganz anders zu beurteilenden Sachlage aus.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte