OGH 15Os84/96

OGH15Os84/9613.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Juni 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Spieß als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz A***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 1.Februar 1996, GZ 20 Vr 956/94-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Franz A***** wurde der Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 2 StGB (A) und des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB (B) schuldig erkannt, weil er in Neuhofen an der Ybbs dadurch, daß er

(zu A) am 1.November 1994 in der in seinem Eigentum stehenden Maschinenhalle einen Brand legte, worauf sie in Vollbrand geriet, eine Feuersbrunst verursacht und dadurch eine Gefahr für das Eigentum Dritter, nämlich für die Legehühner des Pächters Franz B***** sowie für das (auch) im Hälfteeigentum der Adelheid A***** stehende Wohnhaus, herbeigeführt hat;

(zu B) am 8.November 1994 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der E*****versicherungs-AG durch die Meldung des Versicherungsfalles nach der im Punkt A angeführten Brandstiftung, sohin durch Täuschung über die Tatsache der tatsächlichen Brandentstehung, zu Handlungen, nämlich zur Erbringung von Versicherungsleistungen, zu verleiten versucht hat, welche die E*****versicherungs-AG um ca 3 Mio S an ihrem Vermögen schädigten sollten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten nominell aus Z 5, 5 a und "Z 9" des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider war das Erstgericht im Sinne des Gebotes einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, auf die (in entscheidenden Punkten als unglaubwürdig abgelehnte Verantwortung des Angeklagten (vgl US 7) noch breiter einzugehen und eine (die pünktliche Ratenzahlung bestätigende) Bankurkunde zu erörtern. Dies umsoweniger, als es ohnehin davon ausging, der Angeklagte habe die Hühnerhalle verpachtet, um die Kreditraten zurückzuzahlen, aber nirgends zum Ausdruck bringt, er habe nur aus "wirtschaftlicher Notwendigkeit" oder aus einem "ökonomischen Zwang" heraus den Brand gelegt, um den Versicherungsbetrug zu verüben (US 4).

Daß für die Maschinen- und Hühnerhalle kein voller Versicherungsschutz bestand und der Traktor überhaupt nicht versichert war, ist im Urteil ausdrücklich erwähnt (US 5 dritter Absatz). Wenn nun in der Beschwerdeschrift aus der Unterversicherung im Brandfall ein (hypothetisch angenommener) Verlust von insgesamt 1,385.000 S errechnet wird, wobei die erwartete Auszahlung einer Versicherungssumme von 3 Mio S - US 7 - vernachlässigt und daraus ganz allgemein gefolgert wird, erfahrungsgemäß sei ein Brandstifter bestens versichert, um einen maximalen Ertrag aus dem Versicherungsbetrug zu erzielen, weshalb es vorliegend an und für sich unlogisch gewesen wäre, einen Brand zu verursachen und dabei den nicht versicherten Traktor in der Halle zu belassen, macht sie gleichfalls keinen formalen Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes geltend, sondern kritisiert lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Nichtig- keitsverfahren unzulässigen Schuldberufung, daß die Erkenntnisrichter nicht der (mit dem Gutachten des Brand- sachverständigen unvereinbaren) Darstellung des Angeklagten über die Brandursache gefolgt sind.

Entgegen dem weiteren Beschwerdeeinwand (223 zweiter Absatz, dessen letzter Halbsatz sinnvoll durch das Wort "keine" ergänzt werden muß) ist lediglich der Mangel von Beweisgründen (für entscheidungswesentliche Tatsachen) nichtig nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO, nicht aber das Fehlen rechtlicher Erwägungen (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 129). Bei der gerügten Urteilspassage (US 9 oben), derzufolge sich aus den Feststellungen ableiten läßt, daß der Angeklagte das Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 2 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt hat, handelt es sich aber um die rechtliche Subsumtion des - alle für die Erfüllung des in Rede stehenden Verbrechens geforderten subjektiven und objektiven Tatsachen - konstatierten Urteilssachverhalts (US 5 ff). Sollte dieses Vorbringen aber der Sache nach als Rechtsrüge (Z 9 lit a) verstanden werden, wäre sie mangels Festhalten am festgestellten Tatsachensubstrat nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Die in der Tatsachenrüge (Z 5 a) weitwendig geäußerten Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen, die sich aus den Akten ergeben sollen, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu teilen und demnach auch nicht als erheblich zu erachten.

Zum einen mutmaßt der Beschwerdeführer bloß aus dem zeitlichen Abstand zwischen seinem zweimaligen Betreten der Maschinenhalle (US 5 unten bis 6 oben), wie er sich - hätte er den Brand selbst gelegt - nach einem "logischen Verhaltensmuster" verhalten bzw nicht verhalten hätte, zum anderen qualifiziert er das vom Schöffengericht als glaubwürdig und schlüssig beurteilte und als entscheidende Beweisgrundlage herangezogene Gutachten des Brandsachverständigen Josef P***** (ON 4 iVm 147 ff) als nicht schlüssig, zum Teil widersprüchlich sowie als schlicht und einfach falsch ab, verlangt ferner der im Urteil kritisch erörterten Aussage des Zeugen Hans Ulrich R***** (vgl US 8) erhöhten Wahrheitsgehalt zuzubilligen, nimmt unter weitgehender Zugrundelegung urteilsfremder Prämissen (US 5 ff) eine durch Funkenflug des vom Angeklagten gebrauchten Winkelschleifgerätes bewirkte Entzündung alter Ölreste und Staubverschmutzungen im Umkreis des teilweise mit Heizöl gefüllten Kunststofftanks als Brandursache an, die das Erstgericht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Brandexperten ausdrücklich ausgeschlossen hat, und fordert letztlich aus all dem seinen Freispruch.

Solcherart wird aber der unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihte und daher in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichende Anfechtungstatbestand nach § 281 Abs 1 Z 5 a StPO nicht prozeßordnungsgemäß dargetan.

Ein Sachverständigengutachten ist nämlich ein Beweismittel, dessen Beweiskraft das erkennende Gericht wie jene jedes anderen Beweismittels zu prüfen hat, ohne an dessen Inhalt gebunden zu sein. Die Frage aber, ob eine solche Expertise ausreichend und schlüssig ist, bleibt als Beweisfrage einzig der Beurteilung durch die Tatsachen- instanz vorbehalten, ist somit ausschließlich Sache der freien richterlichen Beweiswürdigung (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 126 E 1; § 158 E 121, 123).

Dem (vollen Beweis machenden) Hauptverhand- lungsprotokoll ist nicht zu entnehmen, daß der Nichtig- keitswerber gehindert worden wäre, die ihm inhaltlich der Beschwerdeschrift als wichtig erscheinende Fragen "über die Möglichkeit eines temperaturbedingten Dichtheitsverlustes des Tankes" oder über "die bekannt schlechte Wärme- standfestigkeit von Kunststofftanks" einerseits und "wie hoch der Kohlenstoffgehalt im zu bearbeitenden Werkstück (konkret: Blechverdeck für die Biogas-Anlage) gewesen ist", an den Experten zu richten, sodaß der Beschwerdevorwurf insoweit ins Leere geht. Da er in der Hauptverhandlung auch keinen Antrag auf Einholung eines "metallurgischen Gutachtens" gestellt hat, gebricht es ihm an der formellen Legitimation, dieses Versäumnis erst in der Beschwerde (und damit verspätet) der Sache nach als Verfahrensmangel im Sinne der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO zu rügen.

Im übrigen kann - entgegen der vom Beschwer- deführer gewählten Vorgangsweise - eine für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen keineswegs in dem Vorbringen bestehen, daß das Erstgericht - nach Ansicht des Beschwerdeführers - Beweisergebnisse bedenklich gewürdigt hat. Der zur Darlegung erheblicher Zweifel am Gelingen der Wahrheitsfindung gebotener Vergleich aktenkundiger Umstände mit entscheidenden Fest- stellungen darf auch nicht durch die Behauptung ersetzt werden, von den Erkenntnisrichtern nach den Grundsätzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) als beweiskräftig angesehene Beweismittel (hier: ein technisches Sachverständigengutachten und Zeugenaussagen) seien zufolge innerer Unwahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung unglaubwürdig (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 a E 4).

Die undifferenziert auf "Z 9" (der Sache nach auf Z 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO gestützte Rechtsrüge schließlich entbehrt zur Gänze einer gesetzmäßigen Darstellung, weil sie sich nicht am Urteilssachverhalt orientiert:

Während das Erstgericht das Verbot der Lagerung von brandgefährlichen Erntegütern (wie zB Stroh und Heu) sowie von Brennstoffen (etwa Heizöl leicht) mit einem Flammpunkt von über 55 Grad unmißverständlich und konkret auf die Maschinenhalle bezieht, in der auch Fahrzeuge eingestellt sind, spricht der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ganz allgemein von einer Lagerhalle.

Schlichtweg urteilsfremd, unverständlich und somit einer sachlichen Erwiderung unzugänglich ist der weitere Beschwerdeeinwand, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt sei die Brandstiftung zu Unrecht "über die Bestimmung des § 169 Abs 1 subsumiert worden"; da die Lagerhalle im Eigentum des Angeklagten gestanden sei, könne dieses Gesetz nicht angewendet werden. Die Verurteilung hingegen erfolgte wegen Verwirklichung des Tatbestandes des § 169 Abs 2 StGB.

Soweit die Beschwerde aber die Unterstellung des konstatierten Sachverhaltes, dem nicht einmal die Annahme eines dolus eventualis zu entnehmen sei, unter die Bestimmung des § 169 Abs 2 StGB als unrichtig ansieht, weil mit dem Abbrennen der Lagerhalle nicht und mit dem Übergreifen des Brandes auf die nächste (verpachtete) Halle keinesfalls zu rechnen gewesen sei, bzw dadurch eine Gefahr für Leib und Leben des anderen oder für das Eigentum eines Dritten in großem Ausmaß (ersichtlich zu ergänzen: nicht) zu befürchten gewesen sei, zumal "lediglich ein paar Hühner tatsächlich gefährdet wurden" (tatsächlich verbrannten etwa 300 Hühner), setzt sie sich mit Stillschweigen über alle jene (gegenteiligen) Urteilskonstatierungen hinweg, wonach der Beschwerdeführer beim Anzünden des Heizöls nicht nur um die Gefahr wußte, daß die Maschinenhalle vollständig abbrennen und auch sämtliche Nebengebäude, die Legehühner des Franz B***** und das im Hälfteeigentum der Adelheid A***** stehende Wohnhaus in Mitleidenschaft gezogen werden könnten, sondern "das auch wollte" (US 1 f und 6), womit das Erstgericht nicht nur von einem Eventualvorsatz ausgeht, sondern sogar die Form des (direkten) Vorsatzes im Sinne des § 5 Abs 1 erster Halbsatz StGB annimmt.

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufung hat demnach das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden (§ 285 i StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte