OGH 5Ob2060/96v

OGH5Ob2060/96v12.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr,.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dragomir L*****, vertreten durch Dr.Romana Aron, Funktionärin der Mieterinteressensgemeinschaft Österreichs, 1100 Wien, Antonsplatz 22, wider den Antragsgegner Johann B*****, vertreten durch Dr.Herbert Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. Jänner 1996, GZ 41 R 1253/95h-20, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 21.September 1995, GZ 4 Msch 78/94y-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens (mit Ausnahme der gemäß § 37 Abs 3 Z 19 MRG nicht ersatzfähigen Kosten rechtsfreundlicher Vertretung) sind als Kosten des weiteren Verfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist seit 1.10.1991 Hauptmieter der Wohnung top 12 im Haus *****, das dem Antragsgegner gehört. Die Wohnung liegt im

2. Stock des Hauses; ihr Zustand im Zeitpunkt der Anmietung war so, daß ihre Einstufung in die Ausstattungskategorie A außer Streit steht.

Der Antragsteller reklamiert jetzt Schimmelbildung an einigen Wänden der Wohnung und hat vom Antragsgegner in einem zunächst bei der Schlichtungsstelle anhängig gemachten, dann gemäß § 40 Abs 1 MRG vom Antragsgegner zum Gericht abgezogenen Verfahren unter Berufung auf die Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG die Behebung der Schäden verlangt. Der Antragsgegner bestreitet insoweit eine Erhaltungspflicht, weil die Schimmelbildung auf eine vom üblichen Maß abweichende Feuchtigkeitsentwicklung durch Wäschetrocknung in der Wohnung und mangelnde Lüftung zurückzuführen sei.

Das Erstgericht wies den Sachantrag auf Grund folgender Feststellungen ab:

Die Wohnung war bei Beginn des verfahrensgegenständlichen Mietverhältnisses in neuwertigem Zustand. Sie war zuvor mit erheblichen Mitteln saniert worden (u.a. Malereiarbeiten). Mittlerweile ist es durch die Bildung von Kondenswasser an Wandoberflächen in der Küche, im Wohnzimmer und im Schlafzimmer zu einer Schimmelbildung gekommen. Die davon betroffenen Bauteile bestehen aus teils 30, teils 45 und teils 60 cm dickem Vollziegelmauerwerk. Grundfeuchte ist auszuschließen. Als Schadensursachen kommen überhöhte Raumtemperatur, hohe Raumluftfeuchtigkeit und mangelnde Lüftung in Frage. Die dünneren Wände entsprechen zwar nicht dem heute üblichen Standard der Wärmedämmung; bei üblichen Wohnraumtemperaturen von 20 bis 23 Grad Celsius und entsprechender Lüftung wäre aber - vor allem beim 60 cm dicken Kaminmauerwerk - mit den aufgetretenen Problemen nicht zu rechnen. Bis zur Vermietung der Wohnung an den Antragsteller sind auch nie die jetzt festgestellten Schäden aufgetreten. Erklären läßt sich die Kondenswasserbildung durch erhöhte Luftfeuchtigkeit zufolge stagnierender Raumluft.

Rechtlich folgerte das Erstgericht aus diesem Sachverhalt, daß den Antragsgegner als Eigentümer des Hauses gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG in Ansehung der festgestellten Schäden keine Erhaltungspflicht treffe, weil der Mietgegenstand durch Verschulden des Mieters unbrauchbar geworden sei. Der Antragsteller sei seiner Verpflichtung, den Mietgegenstand möglichst schonend, sachgemäß und pfleglich zu behandeln, nicht nachgekommen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus:

Die Ursachen für die Kondenswasserbildung an den Wandoberflächen in der vom Antragsteller gemieteten Wohnung nehme zwar breiten Raum in dessen Mängelrüge ein, doch komme es auf diese Frage gar nicht an. Gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG habe der Vermieter zwar die Arbeiten, die zur Erhaltung der Mietgegenstände des Hauses erforderlich sind, durchzuführen; dies jedoch nur dann, wenn es sich um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses handelt oder wenn die Arbeiten erforderlich sind, um einen zu vermietenden Mietgegenstand in brauchbarem Zustand zu übergeben. Der dabei verwendete Begriff "ernste Schäden des Hauses" gehe auf den letzten Satz des § 6 Abs 1 MG zurück, sodaß bei seiner Auslegung auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden könne. Danach sei ein "ernster Schaden des Hauses" immer dann gegeben, wenn das Bestandobjekt infolge seines Erhaltungszustandes oder durch die Unbenützbarkeit von Anlagen des Hauses zum bedungenen Gebrauch nicht mehr verwendet werden könne (MietSlg 35.295 mwN). Als "ernste Schäden des Hauses" idS habe die Rechtsprechung etwa Feuchtigkeitsschäden in Wänden und Fußböden sowie die Schimmelbildung im Inneren der Wohnung auf Grund der Durchnässung von Außenmauern bei Niederschlägen (MietSlg 41.196, 29.245, 36.251) angesehen. Die vom Erstgericht festgestellten Feuchtigkeitsschäden sowie die Schimmelbildung beträfen jedoch nur die Wandoberflächen, sodaß eine erhebliche, das Mauerwerk betreffende Beeinträchtigung, die den bedungenen Gebrauch der Bestandsache hindern könnte, nicht gegeben sei.

Die Frage der Verursachung oder des Verschuldens am Schadenseintritt sei hingegen für die Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters ohne Bedeutung (MietSlg 40.248, 42.200). Es komme - was die vom Antragsteller verlangte Ergänzung des SV-Gutachtens entbehrlich mache - nicht darauf an, ob die Feuchtigkeitsschäden vom Mieter verursacht bzw verschuldet wurden.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO habe gelöst werden müssen.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht der Antragsteller geltend, daß eine auf Baumängel zurückzuführende Schimmelbildung im Inneren der Wohnung, die letztlich die Gesundheit der Hausbewohner gefährde, immer als ernster Schaden des Hauses zu qualifizieren sei. Ob die Ursache für die Schimmelbildung in der mangelhaften Wärmeisolierung des Mauerwerks oder in dessen Durchfeuchtung (vom Boden her) zu suchen sei, könne keine Rolle spielen. Um die mangelnde Isolierung des Mauerwerks (dessen extreme Unterkühlung) als Schadensursache auszuschließen, hätte es der Durchführung entsprechender Messungen bedurft. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß entweder im Sinne eines Auftrags an den Antragsgegner zur Durchführung der begehrten Erhaltungsarbeiten abzuändern oder aber die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Dem Antragsgegner wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil noch keine Judikatur zur Frage vorliegt, unter welchen Umständen Schimmelbildung im Inneren eines Bestandobjekts als ernster Schaden des Hauses iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG zu qualifizieren ist; er ist im Sinne seines Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Richtig hat das Rekursgericht erkannt, daß die den Vermieter gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG treffende Verpflichtung, die Mietgegenstände des Hauses zu erhalten, grundsätzlich nicht davon abhängt, ob die zu behebenden Schäden vom Mieter verursacht oder gar schuldhaft herbeigeführt wurden. Unter den Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Z 2 MRG besteht die Verpflichtung des Vermieters zur Erhaltung der Mietgegenstände des Hauses absolut, nicht nur dem Mieter des betroffenen Objektes, sondern allen Mietern des Hauses gegenüber; ein Interessenausgleich läßt sich nur über das Schadenersatzrecht herstellen (vgl Call, Mietrecht und Wohnungseigentum 110 f; 5 Ob 2002/96i). Der dem Antragsgegner gemachte Vorwurf, die Schimmelbildung durch Fehler bei der Beheizung und/oder Belüftung der Wohnung herbeigeführt zu haben - die absichtliche Herbeiführung der Schäden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise wurde nicht behauptet - könnte daher nur in einem Schadenersatzprozeß eine Rolle spielen. Hier ist allein zu prüfen, ob es sich bei der Schimmelbildung in der Wohnung des Antragstellers um einen ernsten Schaden des Hauses handelt, der eben wegen dieser Eigenschaft gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG vom Vermieter (zu Lasten der Mietzinsreserve: Abs 3 leg cit) zu beheben ist.

Der schon in § 6 MG verwendete Terminus "ernster Schaden des Hauses" ist ein wertungsgeladener Rechtsbegriff; gemeint ist ein Schaden, der die Bausubstanz des Hauses angreift, also den Bauzustand des Hauses verschlechtert und es in seinem Bestand gefährdet (vgl Call aaO, 100 f; Krejci, Die mietvertraglichen Rechte und Pflichten nach den §§ 3 - 10 MRG in Korinek-Krejci, HB zum MRG, 171 ff, hier 187 f). Die dazu vorhandene (bereits zu § 6 MG ergangene) Rechtsprechung von Instanzgerichten hat außerdem noch darauf abgestellt, ob durch den Schaden die Brauchbarkeit des Mietobjektes beeinträchtigt war, und einen ernsten Schaden des Hauses jedenfalls dann angenommen, wenn einem Menschen die Benützung des betreffenden Raumes nach der Verkehrsauffassung nicht mehr zugemutet werden konnte (Call aaO, 101 f mwN; vgl auch MietSlg 15.155). Dementsprechend wäre der Schimmelbefall von Wohnräumen wegen der Gefahr gesundheitlicher Schäden für den Mieter immer als ernster Schaden des Hauses zu qualifizieren (Würth in WoBl 1992, 108 Entscheidungsbesprechung). Der Einfluß des Schadens auf die Brauchbarkeit des Bestandobjektes kann jedoch für sich allein nicht ausschlaggebend sein. Andernfalls hätte der Gesetzgeber die Brauchbarmachung eines zu vermietenden Mietgegenstandes in § 3 Abs 2 Z 2 MRG nicht als besonderes Anwendungsbeispiel der Erhaltungspflicht des Vermieters hervorheben müssen.

Nach Meinung des erkennenden Senates ist bei der Auslegung der fraglichen Gesetzesbestimmung auf deren Zweck Bedacht zu nehmen, die Erhaltungspflicht des Vermieters einzugrenzen. Dies sollte unter Verwendung eines Begriffes geschehen, mit dem sich in der Judikatur bereits die Vorstellung verbunden hatte, daß er - im Anschluß an die schon vor dem MG bestehenden Verkehrsübung - nur jene Schäden innerhalb eines Bestandobjektes der Behebungspflicht des Vermieters zuwies, die einerseits die ordentliche Benützung des Bestandobjektes unmöglich machten, andererseits ein außergewöhnliches Ausmaß erreichten (vgl MietSlg 10.861). Nur ein Schaden, der diese Qualifikation erfüllt, kann als "ernst" angesehen werden. Mängel, die ohne besonderen Aufwand jederzeit beseitigt werden können (und deshalb auch die Brauchbarkeit des Bestandobjekts gar nicht beeinträchtigen: WoBl 1989, 95/45 mwN ua), fallen nicht darunter. Außerdem muß es sich, woran der Gesetzeswortlaut keinen Zweifel läßt, um einen Schaden des Hauses handeln, also um einen Mangel der - wie schon die Materialien zu § 6 MG 1922 betonten - Auswirkungen auf den Bauzustand hat. Die reine Oberflächengestaltung im Inneren eines Mietobjektes durch Malerei, Tapeten etc kann daher selbst bei größtem Kostenaufwand nicht in die gesetzliche (letztlich die anderen Mieter des Hauses belastende) Erhaltungspflicht des Vermieters fallen.

So gesehen wäre die Aussage des Rekursgerichtes, eine rein obeflächliche Schimmelbildung sei vom Mieter zu beseitigen, für den hier offenbar vorliegenden Fall zu bestätigen, daß der Schaden nicht durch Mängel der Bausubstanz bedingt ist und daher sein Wiederauftreten durch übliche Maßnahmen der Wohnhygiene - richtiges Beheizen und Belüften der Räume - vermieden werden kann. Ähnlich zu behandeln wäre die keineswegs ungewöhnliche, idR aber bagatellhafte und leicht beherrschbare Schimmelbildung in Naßräumen, etwa in Fliesenfugen. Wenn aber der Schimmel in das Mauerwerk eindringt und deshalb nicht allein durch eine Behandlung der Oberfläche (etwa einen Neuanstrich mit desinfizierender Farbe) beseitigt werden kann, liegt ein Schaden des Hauses vor, weil die Bausubstanz angegriffen ist. Dazu genügt ein Befall des Verputzes, weil auch er zur Bausubstanz gehört. In einem solchen Fall hängt die Erhaltungspflicht des Vermieters davon ab, ob eine großflächige Erneuerung des Verputzes notwendig ist. Kleinere Ausbesserungen des Verputzes, wie sie bei Maler- und Tapzierarbeiten oder bei Einrichtung der Wohnung durchaus üblich sind, obliegen nach dem Gesagten - wie dies beispielsweise auch für die Ausbesserung eines defekten Fußbodens vertreten wird (Call aaO, 107) - dem Mieter, während die großflächige Erneuerung des Wand- oder Deckenverputzes in die Erhaltungspflicht des Vermieters fällt.

Im gegenständlichen Fall blieb die Frage, ob und in welchem Ausmaß Verputzarbeiten zur nachhaltigen Schimmelbekämpfung notwendig sind, offen. Die Vorinstanzen stellten zwar eine "oberflächliche" Schimmelbildung fest, haben aber nicht erhoben, ob sie durch bloße Desinfektionsmaßnahmen in Verbindung mit einem Neuanstrich, durch bloße Ausbesserungen des Verputzes oder - wie vom Gutachter der Schlichtungsstelle für notwendig gehalten - durch ein Abtragen des befallenen Verputzes bis auf den Mauergrund und einen Neuverputz von Wänden und Decke zu beseitigen ist. Insoweit wird das Verfahren - zweckmäßigerweise vom Erstgericht - zu ergänzen sein. Es geht nicht - wie vom vorliegenden Sachverständigen-Gutachten primär behandelt - um die Ursache, sondern um Ausmaß und Qualität des Schadens.

Bei der Verfahrensergänzung wird zu beachten sein, daß die Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 Z 2 MRG auch die Interessen der übrigen Mieter des Hauses unmittelbar berühren könnte (vgl MietSlg 36/32; EWr I/37/28; 5 Ob 1153/95 ua). Dem weiteren Verfahren sind daher, wie dies schon die Schlichtungsstelle getan hat, die übrigen Mieter des Hauses beizuziehen.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 52 ZPO.

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