OGH 10ObS2149/96v

OGH10ObS2149/96v11.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Danzl sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer und Dr.Robert Prohaska (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria F*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84 - 86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Februar 1996, GZ 12 Rs 96/95-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 19.Juni 1995, GZ 14 Cgs 6/95g-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß das noch restliche Mehrbegehren der klagenden Partei, die beklagte Partei zu verpflichten, ihr für den Zeitraum 1.1.1990 bis 30.6.1990 eine weitere Ausgleichszulage von monatlich S 57,- und ab 1.7.1990 in Höhe von weiteren S 58,- monatlich zu bezahlen, und zwar die bereits fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen nach Rechtskraft dieses Urteils, die in Hinkunft fällig werdenden Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im vorhinein, abgewiesen wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Da sich diese Sozialrechtssache bereits im zweiten Rechtsgang befindet und der Oberste Gerichtshof hiemit bereits befaßt war, kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen Aufhebungsbeschluß vom 19.5.1994, 10 ObS 30/94, verwiesen werden. Entscheidend und damit zu lösen ist ausschließlich nur mehr die Rechtsfrage, ob bei der Klägerin als Ausgleichszulagenwerberin im Hinblick auf den am 6.6.1980 erfolgten Verkauf eines Wiesengrundstückes im Ausmaß von 1.217 m2 zu einem Pauschalkaufpreis von S 146.040,- die Voraussetzungen der Anwendbarkeit der Härteklausel des § 149 Abs 8 GSVG erfüllt sind oder nicht.

Das Berufungsgericht traf hiezu nach Beweisergänzung noch die weitere Feststellung, daß es wegen der Größe und Beschaffenheit des verkauften Grundstückes auch im Verkaufszeitpunkt nicht möglich gewesen wäre, die Leistung eines Ausgedinges oder einer vergleichbaren Gegenleistung zu erzielen. Beide Vorinstanzen haben demgemäß die Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 149 Abs 8 GSVG bejaht. Die beklagte Partei wurde daher mit dem vom Berufungsgericht bestätigten Urteil des Erstgerichtes verpflichtet, der klagenden Partei die aus dem Spruch ersichtlichen Ausgleichszulagenleistungen zu bezahlen.

In ihrer aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revision beantragt die beklagte Partei, das Urteil des Berufungsgerichtes dahingehend abzuändern, daß der Klägerin für die Zeit vom 1.1.1990 bis 30.6.1990 lediglich eine Ausgleichszahlung von monatlich S 1.936,90 und für den Zeitraum ab 1.7.1990 eine solche von monatlich S 2.041,50 zuerkannt werde. Der freihändige Verkauf ohne zwingende Gründe erfülle nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht die Voraussetzungen für die Begünstigung gemäß § 149 Abs 8 GSVG. Die vom Berufungsgericht durch Beweisergänzung getroffene Zusatzfeststellung stehe im Widerspruch zu jener des Erstgerichtes, nach der die Teilliegenschaft zu einem Pauschalkaufpreis von S 146.040,- verkauft worden sei. Auch sei die vertragliche Gegenleistung in Form einer pauschalen Einmalzahlung (sei es unter dem Titel "Kapitalisierung eines Ausgedinges" oder dem Titel "Kaufvertrag") als eine die Anwendung des § 149 Abs 8 GSVG ausschließende Gegenleistung zu qualifizieren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig; sie ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.12.1993, GZ 60/92 ua, mit welchem der Antrag des Obersten Gerichtshofes in dieser Sozialrechtssache vom 25.2.1992, 10 ObS 212/91 auf Aufhebung ua des § 149 Abs 8 GSVG idF der 16. GSVG-Nov BGBl 1989/643 abgewiesen wurde, die Vorinstanzen wie auch das Revisionsgericht die genannte Bestimmung in der (somit auch weiterhin in Geltung stehende Fassung anzuwenden hatten. Darüber hinaus ist der Oberste Gerichtshof an seine im zitierten Aufhebungsbeschluß vom 19.12.1994 ausgedrückte Rechtsmeinung im Sinne des § 511 Abs 1 ZPO gebunden (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 511).

Hierin war als Prüfungsvoraussetzung der Unterinstanzen im zweiten Rechtsgang diesen auferlegt worden, zu erheben und festzustellen, ob die Unmöglichkeit der Gewährung von Gegenleistungen auch auf das im Jahre 1980 verkaufte Grundstück (so wie für die bis Ende 1989 verpachtet gewesenen Grundstücke) zutreffen oder nicht. Das Berufungsgericht hat die oben wiedergegebene Feststellung zwar ausdrücklich getroffen, hieraus jedoch eine nach Auffassung des erkennenden Senates unzutreffende rechtliche Beurteilung abgeleitet. Auch wenn für diesen Verkauf keine zwingenden äußeren Umstände wie etwa ein drohendes Zwangsversteigerungsverfahren oder (im Sinne der Materialien [abgedruckt auch in Linseder/Teschner, Sozialversicherung der Selbständigen, Anm 32 zu § 149 GSVG] genannten Parallelbestimmung) Zerstörung durch Feuer oder andere Elementarereignisse entscheidend waren, so hat doch der Oberste Gerichtshof in der Vorentscheidung SSV-NF 8/117 ausgesprochen, daß unter Umständen auch "die örtlichen Verhältnisse (Grenzlandverhältnisse) bzw sonstige Gegebenheiten (ungünstige Produktionsverhältnisse)" ausreichen können, wenn sie den Betriebsinhaber (und Ausgleichszulagenwerber) zur Betriebseinstellung gezwungen haben, ohne daß die Fortsetzung der Betriebsführung durch andere Personen als zumutbar gewertet werden kann; "im Vordergrund hat immer die Tatsache zu stehen, daß eine Ermittlung des Einkommens (Anrechnung) zur Feststellung des Ausgleichszulagenanspruches nur in jenen Fällen zu unterbleiben hat, in denen das Fehlen jeglicher Naturalversorgung aus dem Betrieb dem ehemaligen Betriebsinhaber nicht zugerechnet werden kann". Solche besondere Gegebenheiten erachtete das Berufungsgericht offensichtlich deshalb erfüllt, "weil bezüglich des wesentlich größeren Wiesengrundstücks, das nach wie vor im Eigentum der Klägerin steht, unbekämpft die Unverwertbarkeit im Sinne der anzurechnenden Gegenleistung festgestellt wurde", sodaß es "naheliegend (sei), daß diese Einschätzung auch für die im Jahre 1980 verkaufte Teilfläche zutrifft". Damit wird auf jenen landwirtschaftlichen Grundbesitz der Klägerin Bezug genommen, der (nach den Feststellungen bereits im ersten Rechtsgang) von 1960 bis 31.12.1989 in einer Größe von 0,2248 ha zunächst um ursprünglich einen halben, zuletzt nur mehr einen viertel Liter Milch pro Tag verpachtet worden war, bezüglich dessen jedoch wegen der Größe, Lage und Beschaffenheit desselben ab 1.1.1990 eine Verpachtung nicht mehr möglich war, vielmehr seither dieses Wiesengrundstück von einem Dritten abgemäht wird, ohne daß die Klägerin dafür ein Entgelt erhält.

Auch wenn es sich - anders als im Falle der in SSV-NF 9/38 veröffentlichten Entscheidung - beim hier von der Klägerin empfangenen Geldbetrag nicht um einen für eine Leibrentenablösung geleisteten Kapitalbetrag handelte (wie er auch im Sinne der Entscheidungen SSV-NF 4/34 und 4/61 zu berücksichtigen war), sondern um eine vertragliche Gegenleistung des Käuferehepaares I***** im Sinne eines bürglich-rechtlichen Kaufschillings, so war dies doch im Ergebnis eine Einmalzahlung, ausgelöst durch eine freihändige (freiwillige) Veräußerung der Klägerin ohne zwingende Gründe (welche auch gar nicht geltend gemacht wurden), also ohne eine im Sinne der obigen Ausführungen gegebene Härtesituation. Wie der erkennende Senat jedoch in der bereits zitierten Entscheidung SSV-NF 8/117 mit ausführlicher Begründung, auf welche verwiesen wird, ausgeführt hat, vermag ein freihändiger Verkauf ohne solche zwingenden Gründe die Voraussetzungen für die Begünstigung (dort des § 140 Abs 8 BSVG, hier des § 149 Abs 8 GSVG) nicht zu erfüllen. Auch aus dem Umstand, daß die Klägerin ihren landwirtschaftlichen Grundbesitz nicht zur Gänze, sondern (vorerst) nur teilweise mit dem gegenständlichen Kaufvertrag abgegeben, eine (größere) Restfläche jedoch weiterhin - wenngleich unverpachtet, da unverpachtbar - behalten hat, ist für sie nichts zu gewinnen (vgl Linseder/Teschner aaO).

Daraus folgt aber - zusammenfassend -, daß der Klägerin die Begünstigung des § 149 Abs 8 GSVG nicht zugute kommt, weshalb in Stattgebung der Revision die Urteile der Vorinstanzen wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern waren.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil sich die Klägerin am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte