Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 20.7.1942 geborene Kläger ist gebürtiger Türke. Er hat keinen Beruf erlernt, war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1.10.1994) nur als Bauhilfsarbeiter tätig und ist sowohl hinsichtlich der türkischen als auch der deutschen Sprache Analphabet. Für solche Personen gibt es allerdings in Österreich Kurse des Arbeitsamtes, um für diesen Beschulungsmangel durch 6 bis 8-monatige Schulungseinsätze im Schreiben einen Standard zu erreichen, der für den beim Kläger aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls möglichen Verweisungsberuf eines Portiers ausreicht.
Der Kläger ist für alle leichten und mittelschweren Arbeiten geeignet, wobei aber seine linke Hand (nach einem Unfall im Jahre 1986 mit Armnervverletzung) nur als kraftlose Hilfshand gebraucht werden kann, dies in jeder Körperhaltung in der üblichen Arbeitszeit und den üblichen Pausen. Der Kläger ist unterweisbar; Einordenbarkeit im Fabriksmilieu ist nicht mehr möglich, Akkord- und Fließbandarbeiten scheiden aus. Der Anmarschweg ist zumutbar, die Fingerfertigkeit links praktisch null, rechts uneingeschränkt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist der Kläger nur mehr geeignet für einfache Aufsichtstätigkeit insbesondere in Form von Tagportieren mit dem vom Erstgericht ausführlich wiedergegebenen Anforderungsprofil. Nur der Analphabetismus wirkt beim Kläger arbeitsmarktausschließend.
Das Erstgericht wies das auf eine Invaliditätspension gerichtete Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund seines medizinischen Kalküls noch Verweisungstätigkeiten finden könne. Im Hinblick auf seine Möglichkeit, durch Kurse seinen Analphabetismus so weit zu beheben, daß er zu Portiertätigkeiten geeignet werde, bestehe - so wie beim Vorliegen einer zumutbaren Operation zwecks Kalküländerung eines Leidenszustandes - kein Ausschluß vom allgemeinen Arbeitsmarkt. Invalidität im Sinne des § 255 Abs 3 ASVG liege daher nicht vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm (ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Tatsachenfeststellungen) die rechtliche Beurteilung des Gerichtes erster Instanz. Die entsprechende Anlernung der fehlenden Lese- und Schreibkenntnisse sei zumutbar. Außerdem mangele es bei ihm an einem "Herabsinken" eines erst später eingetretenen Leidenszustandes.
In der Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend; er beantragt, das angefochtene Urteil durch Klagsstattgebung abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Die nicht beantwortete Revision ist gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch ohne die Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit einem vergleichbaren Fall bereits in der in SSV-NF 1/22 (darüber hinaus auch in SZ 60/168 und ZAS 1989, 16) veröffentlichten Entscheidung zu befassen. Dort war Rentenwerber ein in Österreich lebender und überwiegend als Hilfsarbeiter tätiger jugoslawischer Staatsangehöriger, der so wie der nunmehrige Kläger seine linke Hand nur mehr als Hilfshand benützen, jedoch aufgrund des sonstigen medizinischen Leistungskalküls noch die Arbeiten eines Portiers ausführen konnte. Die Besonderheit bei ihm lag jedoch - so wie im hier zur Beurteilung anstehenden Fall - darin, daß er nur seine Muttersprache und auch nur eine andere als die für die deutsche Sprache gebräuchliche Lateinschrift beherrschte. Der Oberste Gerichtshof hat diesen Umstand als für die Frage seiner Invalidität (im Sinne des § 255 ASVG) bedeutungslos qualifiziert. So wie sich niemand zur Begründung seiner Invalidität darauf berufen kann, daß er nur eine andere als die Lateinschrift (in welcher die gemäß Art 8 B-VG in Österreich geltende Staatssprache Deutsch geschrieben und gedruckt wird) schreiben oder lesen kann, muß dies auch grundsätzlich für einen des Lesens und Schreibens gänzlich nicht mächtigen Ausländer gelten. An dem Grundsatz, daß die Unkenntnis der deutschen Sprache nicht gegen die Verweisbarkeit auf einen bestimmten Arbeitsplatz im Sinne des § 255 ASVG ins Treffen geführt werden kann, hat der Oberste Gerichtshof seither mehrfach festgehalten (ausführlich etwa SSV-NF 6/26 sowie jüngst 10 Ob S 2079/96z).
Probleme in der Verweisung (auf den Beruf eines Tagportiers) treten beim Kläger nur wegen des bei ihm seit Kindheit bestehenden Analphabetismus auf. Es handelt sich dabei also um einen von ihm bereits in das Arbeitsleben eingebrachten und in diesem Belang seither unverändert bestehenden (allerdings nicht gesundheitsbedingten) Zustand, der im Sinne der Judikatur des erkennenden Senates bei der Prüfung der Invalidität aber ebenfalls außer Betracht zu bleiben hat (so grundsätzlich bereits SSV-NF 1/67 im Falle der Einäugigkeit zufolge Verlustes des rechten Auges wenige Wochen nach der Geburt oder jüngst 10 Ob S 26/96 im Falle einer seit Kindheit bestehenden Debilität). Sieht man aber von der durch den Anaphalbetismus beim Kläger bedingten Schwierigkeit bei der Verweisung ab, so ist er in der Lage, den angezogenen Verweisungsberuf auszuüben. Dieser Umstand kann also Invalidität nicht begründen. Zutreffend sind daher die Vorinstanzen zum Ergebnis gelangt, daß sein Begehren nicht zu Recht besteht. Auf die Frage der von ihm in der Revision behaupteten Unzumutbarkeit, in seinem fortgeschrittenen Alter nochmals "die Schulbank drücken zu müssen", kommt es daher nicht an.
Seiner Revision konnte somit kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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