OGH 1Ob2092/96w

OGH1Ob2092/96w4.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Madeleine B*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien als Unterhaltssachwalter, wegen Unterhaltserhöhung infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Ing.Manfred B*****, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30.August 1995, GZ 45 R 422/95-103, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Liesing vom 3.April 1995, GZ 1 P 143/88-98, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in Ansehung der Abweisung des Unterhaltserhöhungsmehrbegehrens von monatlich 300 S als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die am 27.Oktober 1987 geborene Minderjährige betrug zuletzt aufgrund des Beschlusses vom 23.Februar 1993, ON 93, monatlich 4.000 S. Das Erstgericht erhöhte über Antrag des Unterhaltssachwalters diese Unterhaltsverpflichtung ab 1.März 1995 auf monatlich 4.900 S, die zweite Instanz - unter Berücksichtigung zweier konkurrierender Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen für eheliche Kinder - nur auf monatlich 4.600 S. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, weil der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen ein in einem wesentlichen Punkt unvollständiger Sachverhalt zugrunde liegt, der zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit eine Ergänzung geboten erscheinen läßt (EFSlg 67.429; 1 Ob 549/95); bei den Entscheidung der Vorinstanzen wurde offenbar irrtümlich ein gesetzlicher Bemessungsfaktor, nämlich eine weitere Sorgepflicht des Unterhaltspflichtigen für seine Gattin, unbeachtet gelassen (EFSlg 70.355).

Nach dem Unterhaltserhöhungsantrag des Unterhaltssachwalters verdient der Vater monatlich netto incl. Sonderzahlungen 30.686 S und ist noch für zwei weitere, 1985 und 1989 geborene (eheliche) Kinder sorgepflichtig. Trotz rechtswirksam zugestellter Belehrung iSd § 185 Abs 3 AußStrG äußerte sich der Vater zu diesem Antrag nicht. Gesetzgeberisches Ziel dieser Bestimmung ist es, in dringenden außerstreitigen Angelegenheiten eine Verfahrensbeschleunigung zu bewirken und möglichst rasch zu einer Sachentscheidung zu gelangen (EFSlg 76.612 uva). Äußert sich der wie hier ordnungsgemäß gemäß § 185 Abs 3 AußStrG Aufgeforderte nicht, so kommt dies einem Tatsachengeständnis gleich (EFSlg 73.734; SZ 63/153 mwN ua); es ist ihm daher verwehrt, dem Sachverhaltsbild, von dem das Gericht bei seiner Entscheidung im Hinblick auf das Schweigen des Beteiligten ausgehen durfte, im Rekurs neue, davon abweichende Behauptungen tatsächlicher Art entgegenzuhalten (SZ 52/155 uva). Die Verfahrensvereinfachung nach § 185 Abs 3 AußStrG verbietet sich aber dann, wenn das Kindeswohl eine amtswegige Aufklärung bzw Erhebung der erforderlichen Entscheidungsgrundlagen erheischt, wenn aus besonderen Gründen anzunehmen ist, daß der zur Äußerung Aufgeforderte ungeachtet seines Schweigens dem Antrag entgegentritt oder der Akteninhalt gegen die Richtigkeit des Vorbringens des Antragstellers spricht (6 Ob 553/93 = ÖA 1994, 65). Von letzterem ist hier auszugehen, ist es doch aktenkundig, daß der Unterhaltspflichtige auch für seine Gattin sorgepflichtig ist (Unterhaltsfestsetzungsbeschluß vom 10.April 1991, ON 71). Da im Antrag nicht behauptet wird, der Unterhaltspflichtige sei nur für zwei weitere Kinder sorgepflichtig, mußte er den Antragsbehauptungen nicht entgegentreten.

Die Unterhaltsbemessung kann im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle nach Prozentkomponenten erfolgen und gibt für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Handhabe, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen angemessen teilhaben zu lassen. Diese Methode trägt auch den Grundsätzen einer angemessenen Berücksichtigung konkurrierender Unterhaltspflichten Rechnung, bestimmt sich doch der Unterhalt von Kindern nach den in der Rechtsprechung entwickelten und vom Schrifttum gebilligten Berechnungsformeln; für den hier relevanten Altersbereich für Kinder von sechs bis zehn Jahren mit rund 18 % des Nettoeinkommens. Von diesem Prozentsatz sind Abzüge für konkurrierende Unterhaltspflichten (für jedes weitere Kind, je nach dessen Alter über oder unter zehn Jahren, 1-2 %, und für einen Ehegatten, je nach dessen Eigenverdienst, 0-3 %, für einen einkommenslosen Ehegatten ein solcher von 3 %) vorzunehmen (zuletzt 1 Ob 549/95 ua; Pichler in Rummel 2, § 140 ABGB Rz 5a; Schlemmer/Schwimann in Schwimann, § 140 ABGB Rz 13 f; Purtscheller/Salzmann aaO Rz 14). Die Rechtsprechung hat somit die Abschläge zur Berücksichtigung der Sorgepflicht für die Ehegattin in einer Bandbreite von 0 bis 3 % angenommen, je nach Höhe des Einkommens der Ehegattin bzw umgekehrt dem Umfang der für den Unterhaltspflichtigen daraus entstehenden Belastung (1 Ob 641/94). Im vorliegenden Fall fehlen nun jegliche Feststellungen, ob die Ehegattin des unterhaltspflichtigen Vaters ab dem Stichtag bis zur Beschlußfassung über den Unterhaltserhöhungsantrag ein Einkommen und bejahendenfalls in welcher Höhe erzielte. Infolge dieses in dritter Instanz nicht behebbaren Feststellungsmangels muß mit einer teilweisen Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse und Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz vorgegangen werden. Das Erstgericht wird den dargelegten Umstand bei seiner neuerlichen Entscheidung über den noch unerledigten Teil des Unterhaltserhöhungsantrags der Minderjährigen angemessen zu berücksichtigen haben.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters ist Folge zu geben.

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