OGH 4Ob2062/96f

OGH4Ob2062/96f29.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Dr. Bernhard Krump, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei L***** OEG, ***** vertreten durch Dr.Herbert Grass und Dr.Leonhard Ogris, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 23. Februar 1996, GZ 6 R 258/95-10, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Graz vom 6.Oktober 1995, GZ 17 Cg 212/95d-4, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte führt in W***** unter der Bezeichnung "Optik-Land" einen Optikerbetrieb. In einer bis 31.August 1995 gültigen Werbeaktion verteilte die Beklagte an Haushalte im Bezirk D***** ein Flugblatt, in dem sie (ua) ankündigte:

"Bei Kauf einer optischen Brille erhalten Sie einen Gutschein für 2 Wiener mit Pommes oder Kartoffelsalat und 2 alkoholfreie Getränke im Cafe D*****, E*****.

Wenn Sie uns unter der Tel.Nr. ***** - Optik-Land anrufen, holen wir Sie kostenlos ab, bringen Sie kostenlos heim und zusätzlich können Sie noch gratis einen Seh- und Hörtest machen!!

Weiters führen wir Sonnenbrillen, Hörgeräte, Jagdgläser, Wandergläser, Lupen und Lesegläser.

..."

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

a) sich irreführend als "Optik-Land" anzukündigen, wenn ihr keine überdurchschnittliche Bedeutung in der Optikerbranche zukommt;

b) in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, Verbrauchern gegenüber anzukündigen, daß sie beim Kauf von optischen Produkten unentgeltliche Zugaben, insbesondere beim Kauf einer optischen Brille einen Gutschein erhalten werden, der zur unentgeltlichen Konsumation von Speisen und Getränken bei Dritten berechtigt;

c) Interessenten kostenlos von deren Wohnort zum Geschäft der Beklagten und retour zu befördern oder eine solche Beförderung anzukündigen.

Die Beklagte betreibe das kleinste Optikergeschäft im Bezirk D*****. Von einem Unternehmen, das sich als "-Land" bezeichne, werde überdurchschnittliche Bedeutung erwartet. Die Bezeichnung sei daher irreführend. Die Beklagte kündige unzulässige Zugaben ein. Sie locke Kunden in übertriebener Weise an und handle dadurch auch sittenwidrig. Im Raum D***** gebe es ausreichende öffentliche Verkehrsmittel; die Beklagte besitze auch keine Gewerbeberechtigung für die Personenbeförderung.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Die Beklagte habe weder gegen § 2 UWG noch gegen § 9 a UWG verstoßen. "Optik-Land" weise darauf hin, daß sich der Betrieb "am Land", in der kleinen weststeirischen Gemeinde W*****, befinde. Da die Werbeaktionen befristet gewesen seien, bestehe keine Wiederholungsgefahr.

Das Erstgericht verbot der Beklagten, sich irreführend als "Optik-Land" anzukündigen, wenn ihr keine überdurchschnittliche Bedeutung in der Optikerbranche zukommt. Das Mehrbegehren wies es ab.

Die Bezeichnung "Optik-Land" erwecke den irreführenden Eindruck, daß es sich um ein besonders großes Unternehmen handle. Das Mehrbegehren sei abzuweisen, weil die Werbeaktion schon ausgelaufen sei.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die einstweilige Verfügung zur Gänze erließ. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Von einem Unternehmen, welches das Wort "Land" in Wortzusammensetzungen als Zusatz in seiner Firma führe, sei stets eine auf den Geschäftszweig bezogene überdurchschnittliche Bedeutung zu fordern, die sich insbesondere in den Merkmalen großer Ausstellungs- oder Verkaufsflächen oder breiter Angebotspaletten niederschlage. Die Beklagte habe nicht behauptet, daß ihr Betrieb dem entspreche. Mit "Land" in "Optik-Land" werde, jedenfalls für den flüchtigen Durchschnittsleser, nicht auf die Lage des Betriebes auf dem Land hingewiesen. Die angebotenen Vorteile seien unzulässige Werbe- und Lockmittel nach § 9 a UWG. Den Wegfall der Wiederholungsgefahr habe die Beklagte nicht bewiesen; die Befristung der Werbeaktion reiche dafür nicht aus.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher nicht darüber entschieden hat, unter welchen Voraussetzungen das von einem Kauf unabhängige Angebot kostenloser Beförderung wettbewerbswidrig ist; er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, daß die Wiederholungsgefahr schon wegen der Befristung ihrer Werbeaktion weggefallen sei. Die kostenlose Beförderung von Kaufinteressenten sei keine Zugabe, wenn sie unverbindlich und unabhängig von einem Kauf erfolge. Würden die Werbemaßnahmen in ihrer Gesamtwirkung beurteilt, so sei klar, daß ein kleiner ländlicher Optikbetrieb um Kunden werbe. Die Beklagte habe damit ihre besondere Kundennähe zeigen wollen; jeder Werbeadressat erkenne, daß die Beklagte keiner großen Handelskette angehöre und auch nicht besonders billige Brillen anbiete. Sie erwecke auch nicht den Eindruck, daß sie eine besonders große Auswahl an Brillen vorrätig habe.

Nach ständiger Rechtsprechung kann die Wiederholungsgefahr auch bei einer einmaligen, schon abgeschlossenen Gesetzesverletzung nur dann verneint werden, wenn der Verletzer besondere Umstände dartut, die eine Wiederholung seiner gesetzwidrigen Handlung als ausgeschlossen oder doch zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (ua ÖBl 1984, 161 - Pelzwaren-Schlager- verkauf mwN). Auch bei einer einmaligen befristeten Werbeaktion ist bis zum Beweis des Gegenteils Wiederholungsgefahr anzunehmen (ÖBl 1965, 17 - Melotte-Tiefkühltruhen; ÖBl 1972, 64 - Oberlaaer Spezialbrot).

Daß im vorliegenden Fall besondere Umstände vorlägen, die auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr schließen ließen, hat die Beklagte nicht behauptet. Sie hat sich nur auf die Befristung ihrer Werbeaktion berufen. Da dies aber im Sinne der ständigen Rechtsprechung nicht ausreicht, haben die Vorinstanzen die Wiederholungsgefahr zu Recht bejaht.

Die Vorinstanzen haben auch die Bezeichnung "Optik-Land" zu Recht als irreführend beurteilt. Nach den von der Bundeswirtschaftskammer erarbeiteten "Richtlinien für die Begutachtung von Firmenwortlauten" vom 15.12.1987, RGp 140/85/Kp (abgedruckt in Wiltschek, UWG6, 18 Anm 3 zu § 2 UWG) ist von einem Unternehmen, das das Wort "Land" in Wortzusammensetzungen als Zusatz in seiner Firma führt, eine auf den Geschäftszweig bezogene überdurchschnittliche Bedeutung zu fordern, die sich insbesondere in folgenden Merkmalen niederschlägt: Große Ausstellungs- oder Verkaufsfläche oder breite Angebotspalette.

Die Beklagte behauptet gar nicht, daß ihr Unternehmen auch nur eines dieses Merkmale aufwiese. Daß "Land" in "Optik-Land" nicht als Hinweis auf die Lage des Unternehmens der Beklagten in ländlicher Umgebung verstanden wird, haben die Vorinstanzen bereits zutreffend ausgeführt.

Zugabe ist nach ständiger Rechtsprechung ein zusätzlicher Vorteil, der neben der Hauptware (Hauptleistung) ohne besondere Berechnung angekündigt, angeboten oder gewährt wird, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern. Dieser Vorteil muß mit der Hauptware (-leistung) in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet ist, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware (-leistung) zu beeinflussen, also Werbe- oder Lockmittel sein (ua ÖBl 1990, 168 - "Dein Eis gratis" mwN; zuletzt auch ÖBl 1996, 38 - Städteflugreisen mwN). Die kostenlose Beförderung von Kaufinteressenten ist demnach keine Zugabe, wenn sie unverbindlich oder unabhängig von einem Kauf erfolgt, wohl aber dann, wenn sie nur für den Fall eines Kaufes gewährt wird (ÖBl 1974, 117 - Taxispesenersatz; aM VwGH ÖBl 1959, 117).

Die unabhängig von einem Kauf angekündigte verbilligte oder kostenlose Beförderung kann aber einen psychischen Kaufzwang auslösen, der die Kaufinteressenten in ihrer Entscheidungsfreiheit so stark beeinträchtigt, daß sie meinen, "anstandshalber" etwas kaufen zu müssen. Auch wenn kein - die Folgen des § 9 a UWG auslösender - Kaufzwang besteht, kann nach Lage des Falles ein übertriebenes Anlocken von Kunden mit attraktiven Freifahrten wettbewerbswidrig sein, wenn der Werbende durch den Verführungseffekt der Ankündigung seine Verkaufschancen gegenüber denen der Mitbewerber in ungerechtfertigter Weise steigert, die diese zur Nachahmung zwingt, wodurch der Leistungswettbewerb verfälscht, die Werbung übersteigert und die Wettbewerbssitten in einer für die Allgemeinheit nicht mehr tragbaren Weise verwildert werden (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht18 § 1 dUWG Rz 100f mwN; ÖBl 1995, 38 - Städteflugreisen mwN).

Eine kostenlose Kundenbeförderung ist im allgemeinen zulässig, wenn durch sie eine weit abseits gelegene, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer erreichbare Verkaufsstelle erst für die Allgemeinheit zugänglich gemacht wird. Aber auch dann, wenn eine außerhalb des Geschäftszentrums liegende Verkaufsstelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem eigenen Kraftfahrzeug unschwer erreichbar ist, wird die Gewährung einer verbilligten oder unentgeltlichen Fahrmöglichkeit mit fahrplanmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmitteln als zulässig angesehen, wenn sie zum Ausgleich eines Standortnachteils erforderlich ist und die Teilnehmer unter Wahrung ihrer Anonymität auf der Hin- und Rückfahrt ohne jede Einkaufskontrolle zur Verkaufsstelle gebracht werden, so daß bei ihnen nicht das Gefühl einer Verpflichtung zum Einkauf aufkommen kann. Es kommt demnach einmal darauf an, ob unter Abwägung der Interessen der Beteiligten ein Grund für eine freie Beförderung anzuerkennen ist, zum anderen auf die Art und Weise, wie die Beförderung im einzelnen durchgeführt wird (Baumbach/Hefermehl aaO § 1 dUWG Rz 103 mwN).

Die Beklagte hat nicht einmal behauptet, daß sie die kostenlose Beförderung anbiete, um einen Standortnachteil auszugleichen. Sie hat auch nicht vorgebracht, daß sie die Beförderung so gestalte, daß sich die beförderten Kaufinteressenten nicht verpflichtet fühlen, etwas zu kaufen. Die Beklagte bietet nicht nur optische Brillen an, sondern weist in ihrer Werbeaussendung auch darauf hin, Sonnenbrillen, Hörgeräte, Jagdgläser, Wandergläser, Lupen und Lesegläser zu führen. Auch derjenige, der nach dem von der Beklagten gratis angebotenen Seh- und Hörtest weder eine Brille noch ein Hörgerät braucht, kann daher bei der Beklagten etwas finden, um es "anstandshalber" zu kaufen.

Die Beförderung von Kunden ist auch keine handelsübliche Nebenleistung; sie ist als gewerbsmäßige und daher konzessionspflichtige Personenbeförderung im Sinne des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes (GelVerkG) anzusehen (VwGH ÖBl 1959, 117; s auch Kobzina/Hrdlicka, Gewerbeordnung 19943 § 34 E 2).

Die Beklagte hat nicht behauptet, über eine Konzession nach § 2 GelVerkG zu verfügen. Ihre Ankündigung kostenloser Kundenbeförderung wäre daher selbst dann sittenwidrig iS des § 1 UWG, wenn die Beklagte damit einen Standortnachteil ausgliche und die Beförderung so gestaltete, daß Kunden weder übertrieben angelockt noch unsachlich beeinflußt werden.

Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50, 52 ZPO.

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