OGH 8ObA2045/96k

OGH8ObA2045/96k23.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer sowie die fachkundigen Laienrichter Reg.Rat Theodor Kubak und Norbert Kunc als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Renate S*****, vertreten durch Dr.Kurt Klein ua, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Firma E***** Co, Baugesellschaft mbH, ***** vertreten durch Mag.Silvia Leitner, Kammerangestellte in 8021 Graz, Körblergasse 111-113, wegen Kündigungsanfechtung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.Februar 1996, GZ 8 Ra 35/96-16, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.Dezember 1995, GZ 34 Cga 53/95t-13, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin war seit 1979 bei der beklagten Partei als technische Zeichnerin beschäftigt. Am 31.1.1995 erhielt der Vorsitzende des Angestelltenbetriebsrates vom Personalbüro ein Kündigungsschreiben betreffend die Klägerin. In der Betriebsratssitzung vom 3.2.1995 wurde mehrheitlich beschlossen, im Kündigungsfalle der Klägerin keine Stellungnahme abzugeben. Dieser Beschluß wurde der Klägerin noch am selben Tag zur Kenntnis gebracht. Das Kündigungsschreiben, womit das Dienstverhältnis per 15.6.1995 gekündigt wurde, ging der Klägerin am 8.2.1995 zu. Vom Betriebsratsvorsitzenden wurde sie darüber in Kenntnis gesetzt, daß sie die Kündigung selbst anfechten könne. Nähere Informationen erfolgten nicht. Die Klägerin ersuchte den Betriebsrat weder sie zu vertreten, noch Erkundigungen bei der Arbeiterkammer oder der Gewerkschaft für sie einzuholen. Sie erkundigte sich in weiterer Folge bei der Pensionsversicherungsanstalt über die Möglichkeit einer Frühpensionierung und erfuhr dabei, daß ihr hiefür noch einige Versicherungsmonate fehlten. Nach einem 3-wöchigen Urlaubsaufenthalt kehrte sie um den 16.3.1995 zurück und beauftragte einen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen.

Mit Schriftsatz vom 16.3.1995 stellte die Klägerin einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Klagserhebung unter gleichzeitiger Einbringung der Kündigungsanfechtungsklage und begründete ihn im wesentlichen damit, daß sie vom Betriebsrat erfahren habe, daß man die Kündigung anfechten könne, wobei sie den Betriebsrat so verstanden habe, daß die Anfechtungsfrist ab dem Ende der Kündigungsfrist zu laufen beginne.

Die beklagte Partei beantragte, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht Folge zu geben.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Klagseinbringung mit der Begründung ab, daß die Klägerin vom Betriebsrat keine falsche Rechtsbelehrung erhalten habe. Die Klägerin sei zwar rechtsunkundig es wäre ihr aber aufgrund ihrer Schulbildung und ihrer langjährigen Berufs- und Lebenserfahrung durchaus zumutbar gewesen, sich eingehend zu informieren und dementsprechend zu handeln.

Das Rekursgericht gab dem gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobenen Rekurs nicht Folge; die Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt, da sie, nachdem sie erfahren habe, daß eine Möglichkeit der Kündigungsanfechtung bestehe, keine weiteren Informationen eingeholt bzw Schritte unternommen habe.

Den Beschluß des Rekursgerichtes ficht die Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag an, ihn dahingehend abzuändern, daß ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anfechtung der Kündigung bewilligt und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werde. Insbesondere weist sie darauf hin, daß ihr der Betriebsrat eine unvollständige Rechtsbelehrung erteilt habe, weil er auf die ungewöhnliche Kürze der Frist zur Anfechtung der Kündigung von einer Woche nicht aufmerksam gemacht habe. Diese Auskunft sei prädestiniert gewesen, Irrtümer und Mißverständnisse auszulösen, weshalb die Fristversäumnis der Klägerin nicht vorwerfbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

In Arbeits- und Sozialrechtssachen ist gemäß § 47 Abs 2 ASGG iVm § 46 Abs 3 Z 2 erster Fall ASGG, sohin bei Vorliegen von Streitigkeiten über Rechte und Rechtsverhältnisse, die sich aus dem II. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes ergeben, der Revisionsrekurs auch gegen bestätigende Beschlüsse des Rekursgerichtes stets uneingeschränkt zulässig.

Da die Frist für die gerichtliche Anfechtung der Kündigung nach § 105 Abs 3 ArbVG eine prozessuale Frist ist, ist auch eine derartige Fristversäumnis dem Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 146 ZPO) zugänglich (OGH DRdA 1990, 371).

Ein Verschulden an der Versäumung der Frist hindert die Wiedereinsetzung dann nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt, der nach herrschender Ansicht (Fasching, Lb2 Rz 580; Gitschthaler in Rechberger, Komm ZPO § 146 Rz 5, jeweils mwN) im Sinn von bloß leichter Fahrlässigkeit verstanden wird; grobe Fahrlässigkeit hindert die Wiedereinsetzung. Auch ein Rechtsirrtum bzw die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis des Gesetzes keine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist (Fink, Wiedereinsetzung 85 ff).

Die Vorinstanzen sind hier zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin grob fahrlässig gehandelt hat. Wie sich aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ergibt, wurde die Klägerin durch den Betriebsrat über die Möglichkeit, die Kündigung selbst anzufechten, informiert. Sie wurde durch den Betriebsrat über die Frist zur Kündigungsanfechtung weder falsch noch mißverständlich belehrt; er nannte vielmehr gar keine Frist. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann ein Unterlassen der Angabe der Kündigungsfrist durch den Betriebsrat bei einem verständigen Arbeitnehmer kein entschuldbares Mißverständnis in der Form auslösen, daß er annehmen durfte, die Anfechtung sei bis zum Ablauf der Kündigungsfrist möglich oder die Anfechtungsfrist beginne gar erst mit dieser zu laufen. Der Klägerin ist als grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, daß sie es trotz ihrer Schulbildung und langjährigen Berufserfahrung in dieser doch für sie sehr wesentlichen Angelegenheit unterließ, sich umgehend zu erkundigen, in welcher Form und bis wann sie die Kündigung anfechten könne. Sie begab sich vielmehr 3 Wochen auf Urlaub, suchte erst danach einen Rechtsanwalt auf und brachte erst rund 5 Wochen nach Erhalt des Kündigungsschreibens die Kündigungsanfechtungsklage ein. Bei einem solch sorglosen Vorgehen kann nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden, sodaß dem Revisionsrekurs kein Erfolg beschieden sein kann.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist ein Revisionsrekurs gegen Kostenentscheidungen jedenfalls unzulässig, sodaß auf die diesbezüglichen Revisionsrekursausführungen nicht einzugehen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 58 ASGG iVm § 154 ZPO.

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