OGH 3Ob2115/96t

OGH3Ob2115/96t15.5.1996

Der Oberste Gerichtshof als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Felix F*****, gesetzlich vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Reutte, 6600 Reutte, Obermarkt 7, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Karin J*****, vertreten durch Dr.Paul Ladurner ua Rechtsanwälte in Innsbruck gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 9. Februar 1996, GZ 52 R 8/96z-67, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Reutte vom 20.Dezember 1995, GZ 1 P 1092/95p-60, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Obsorge für das am 19.7.1987 ehelich geborene Kind wurde dem zuständigen Jugend- wohlfahrtsträger übertragen. Die Ehe der Eltern des Kindes ist aufrecht, sie führen jedoch keinen gemeinsamen Haushalt. Das Kind befindet sich in der Pflege eines Dritten.

Die Bezirksverwaltungsbehörde stellte im Namen des Kindes den Antrag, dessen Mutter ab Mai 1995 zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 3.100,- zu verpflichten.

Die Mutter des Kindes wendete ein, daß sie zu Unterhaltszahlungen nicht verpflichtet sei, weil sie das Kind am Wochenende in dem von ihr geführten Haushalt betreue. Außerdem sei das Einkommen des Vaters bei der Festsetzung seiner Unterhaltsleistung nicht voll ausgeschöpft worden.

Das Erstgericht erkannte die Mutter unter rechtskräftiger Abweisung des Mehrbegehrens schuldig, dem Kind ab 1.5.1995 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.900,- zu zahlen. Es stellte fest, daß die Mutter nach Abzug von berufsbedingten Fahrtkosten über ein monatliches Durchschnittseinkommen von etwa S 16.000,- verfügt. Da sie mit 18 % dieses Einkommens belastbar sei, ergebe sich eine Unterhaltsverpflichtung von gerundet S 2.900,- im Monat. Die Voraussetzungen des § 140 Abs 2 ABGB seien nicht erfüllt, weil die Mutter den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nicht am Wohnort des Kindes habe, sich dort nur an den Wochenenden aufhalte und das in fremder Pflege stehende Kind dort nur zu Besuch komme.

Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses der Mutter den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da sich das Kind in Drittpflege befinde, müßten beide Elternteile nach ihren Kräften zu seinem Unterhalt beitragen. Lebe das Kind nicht im Haushalt eines der beiden unterhaltspflichtigen Elternteile, so sei sein Unterhaltsanspruch gegen einen Elternteil nicht auf der Basis eines beide Elternteile gemeinsam treffenden Gesamtbetrages zu bemessen, sondern gegenüber jedem der beiden Unterhaltspflichtigen auf Grund der prozentuellen Bemessungsmethode festzusetzen. Im Sinn des § 140 Abs 2 und 3 ABGB sei allerdings ein Ausgleich zwischen den einzelnen den Eltern jeweils obliegenden Verpflichtungen und dem Gesamtbedarf des Kindes herzustellen. Es schade nicht, daß das Einkommen des Vaters nicht erhoben worden sei, weil sich aus dem Unterhaltsfestsetzungsantrag ergebe, daß er seit 6.6.1994 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 5.500,- zahle und damit mehr als 50 % des für das Kind zu zahlenden Pflegegeldes in der Höhe von durchschnittlich S 9.922,50 im Monat trage. Die nach der Prozentmethode vorgenommene Unterhaltsbemessung, die dazu führe, daß die Mutter des Kindes etwa 30 % des Pflegegeldes zu zahlen habe, sei nicht zu beanstanden. Die Betreuung des Kindes an den Wochenenden ändere an der Unterhaltspflicht nichts, weil sie der Ausübung eines Besuchsrechts gleichzusetzen sei und auf die Fixkosten keinen oder nur einen geringfügigen Einfluß habe.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Mutter des Kindes gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes von der von ihm zwar zitierten, aber nicht genügend beachteten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs EvBl 1991/166 abweicht; er ist auch berechtigt.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Voraussetzungen des § 140 Abs 2 ABGB nicht erfüllt seien, entspricht der - in diesem Teil nicht veröffentlichten - Entscheidung des Obersten Gerichtshof 8 Ob 630/86, der zu entnehmen ist, daß ein Elternteil, der zur Pflege und Erziehung nicht berechtigt ist, sich nicht darauf berufen kann, daß er durch tatsächliche Betreuung seinen Beitrag zum Unterhalt des Kindes leiste. Da zu diesem Punkt im Revisionsrekurs nichts vorgebracht wird, muß hierauf nicht weiter eingegangen werden.

Mit Recht wird im Revisionsrekurs jedoch geltend gemacht, daß der angefochtene Beschluß von der Entscheidung EvBl 1991/166 abweicht. Darin hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß das Vorbringen jedes Teils, die Kräfte des anderen seien noch nicht ausgeschöpft, beachtlich sei, wenn nicht gegen beide Elternteile ein gemeinsamer Titel geschaffen werde; in einem solchen Fall seien dann jedenfalls Feststellungen über die Leistungsfähigkeit beider Elternteile zu treffen. Er hat ferner die hier von den Vorinstanzen gewählte Methode, den Unterhalt nach jenen Prozentsätzen zu bestimmen, die angemessen wären, wenn der andere Elternteil seinen Beitrag durch die Betreuung des Kindes leistet, abgelehnt, weil sie dem Grundgedanken der anteiligen Tragung des Unterhalts nicht gerecht werde und dazu führen könne, daß Unterhaltsschuldner mit unterschiedlich hohem Einkommen in ihren Möglichkeiten der Lebensführung ungleich behandelt würden. Anteilige Heranziehung bei verschieden großer Leistungsfähigkeit bedeute, daß vor der Aufteilung die für den eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge von der Bemessungsgrundlage abgezogen und erst danach die für den zu ermittelnden Gesamtunterhaltsbedarf erforderlichen Beträge im Verhältnis der Restsummen aufgeteilt werden.

Es kommt also entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht darauf an, welchen Unterhalt der Vater des Kindes tatsächlich leistet und in welchem Ausmaß er damit die Bedürfnisse des Kindes deckt, sondern darauf, ob dieser Betrag seiner Leistungsfähigkeit entspricht. Zu diesem Zweck sind aber Feststellungen über die Höhe seines Einkommens und zu seinem eigenen Unterhaltsbedarf notwendig. Diese Feststellungen wird das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben.

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