OGH 7Ob2073/96w

OGH7Ob2073/96w15.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa Maria B*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Walser, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei V***** AG, ***** vertreten durch Dr.Werner Weidinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,469.991,60 sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 1.März 1996, GZ 4 R 1008/95g-19, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ist von der ständigen Rechtsprechung ausgegangen, daß es an sich Sache des Versicherungsnehmers ist, den Versicherungsfall nachzuweisen (VersR 1985, 100; VR 1990, 25; VR 1991, 203; VR 1992, 23). Nach herrschender Auffassung stehen dem Versicherungsnehmer beim Nachweis des Versicherungsfalls in der Schadensversicherung wegen der großen Beweisschwierigkeiten Beweiserleichterungen zu. Es genügt daher, wenn er ein Mindestmaß an Tatsachen beweist, die das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalls bilden (Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 194; Prölss/Martin, VVG25, 364). Der Oberste Gerichtshof hat den prima - facie - Beweis zum Nachweis des Versicherungsfalls zwar zunächst abgelehnt (VR 1957, 190), in VersR 1985, 100 aber zum Ausdruck gebracht, daß der Beweis des ersten Anscheins im Bereich der Feststellung des Kausalablaufs zulässig ist. In der von Prölss/Martin aaO angeführten Entscheidung VR 1990, 25 hat der Oberste Gerichtshof nicht, wie von diesen Autoren vermutet, beim Nachweis des Kfz-Diebstahls an der normalen Beweisregel festhalten wollen; die Frage einer Beweiserleichterung für den Nachweis des Versicherungsfalls wurde darin gar nicht berührt. An der in VersR 1985, 100 ausgesprochenen Rechtsansicht ist weiterhin festzuhalten. Für den Beweis eines Kraftfahrzeugdiebstahls genügt daher zunächst der Nachweis durch den Versicherungsnehmer, daß das Fahrzeug ordnungsgemäß abgestellt und nach ununterbrochener Abwesenheit bei der Rückkehr nicht mehr aufgefunden wurde. Hat der Versicherungsnehmer solcherart den Nachweis für das äußere Erscheinungsbild eines Diebstahls erbracht, kann der Versicherer Umstände beweisen, die gegen das Vorliegen des Versicherungsfalls sprechen. Der bloße Anschein eines Diebstahls ist dann schon widerlegt, wenn Umstände nachgewiesen werden, die ernsthaft für die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes sprechen. In diesem Sinn stehen auch dem Versicherer Beweiserleichterungen zu (Schauer aaO 196; Zur Widerlegung des Anscheinsbeweises Fasching, LB2 Rz 895; ÖBl 1988, 165). Die Frage der Zulässigkeit einer Beweiserleichterung durch einen Anscheinsbeweis, ob also ein Tatbestand mit typisch formelhaftem Geschehensablauf vorliegt, der eine Verschiebung des Beweisthemas ermöglicht, gehört zur rechtlichen Beurteilung; die Wertung aber, ob ein solcher Anscheinsbeweis im konkreten Einzelfall erbracht oder durch einen Gegenbeweis erschüttert wurde, ist eine Frage der Beweiswürdigung (Fasching aaO Rz 897; SZ 56/145; EvBl 1983/120; ÖBl 1988, 165). Die Frage, welche Beweiserleichterung dem Versicherungsnehmer beim Nachweis des Versicherungsfalls zustatten kommt, ist demnach revisible Rechtsfrage. Auch der Umstand, daß bei der Feststellung solcher Umstände von einer unrichtigen Beweislastverteilung ausgegangen wurde, kann mit der Rechtsrüge geltend gemacht werden (VersR 1985, 100 uva). In diesem Sinn ist das Berufungsgericht zu Recht vom Vorliegen von Beweiserleichterungen für den Kläger ausgegangen. Auch die Frage, welche Beweiserleichterungen dem Versicherer beim Nachweis, die gegen den Versicherungsfall sprechen, zustattenkommen, gehört zum Bereich der rechtlichen Beurteilung. Aufgrund der Ausführungen im Berufungsurteil, daß der Beklagten der Beweis von Tatsachen obliegt, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, daß der Diebstahl nur vorgetäuscht wurde, ist das Berufungsgericht im Sinne der herrschenden Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis zutreffend davon ausgegangen, daß auch der Versicherer nur Umstände nachweisen muß, die gegen das Vorliegen des Versicherungsfalls sprechen. Die Wertung aber, daß die von der Klägerin nachgewiesenen Tatsachen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen des Versicherungsfalls sprechen, der Beklagten hingegen mit dem Nachweis des Vorhandenseins eines Nachschlüssels nicht der gleichwertige Nachweis eines solchen Umstandes gelungen ist, der gegen das Vorliegen des Versicherungsfalls spricht, ist als Akt der Beweiswürdigung unbekämpfbar.

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