OGH 4Ob2065/96x

OGH4Ob2065/96x30.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Graf und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred S*****, vertreten durch Dr.Gerhard Seirer, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Tourismusverband P*****, P*****, vertreten durch Dr.Paul Flach, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 18.Jänner 1996, GZ 2 R 1041/95w-20, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Juli 1995, GZ 40 Cg 130/94t-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 1.014,40 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger betreibt in P***** ein Gästehaus mit zwanzig Betten. Er ist daher Pflichtmitglied des Beklagten, einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Der Beklagte hat die Werbebroschüre "P*****, Ferienregion *****" herausgegeben, die eine Zimmerpreisliste enthielt.

In der Zimmerpreisliste schien das Unternehmen des Klägers unter der Rubrik "weiters vermieten noch" auf. Angegeben waren Name, Anschrift, Art und Anzahl der Zimmer, nicht jedoch die Preise, die genauen Ausstattungskriterien, Angebote und Zusatzleistungen. Der Beklagte folgte damit einem Vorstandsbeschluß, nach dem Vermieter, die unter dem empfohlenen Richtpreis von S 250,-- für Zimmer mit Dusche/WC vermieten, in der Zimmerpreisliste nicht mehr angeführt werden müssen. Die Vollversammlung des Beklagten hat dazu keinen Beschluß gefaßt. Der Vorstandsbeschluß stieß nicht auf ungeteilte Zustimmung. Einige Mitglieder erhöhten ihre Preise erst, als sie daran "erinnert" wurden, daß sie andernfalls nicht in der Zimmerpreisliste aufscheinen würden. Der Beklagte verwies in einem Rundschreiben darauf, daß "Vermieter, die Billigpreise anbieten und daher der gesamten Tourismuswirtschaft schaden, nicht in der Zimmerpreisliste eines Tourismusverbandes angeführt werden müssen".

Der Kläger vermietete 1994 Zimmer mit Dusche/WC um rund S 180,-- je Nacht und Bett. Die Kalkulation des Klägers war aus seiner Sicht gewinnbringend; er hat eine bessere Ausgangsposition als seine Mitbewerber, weil er ohne größeres Fremdkapital arbeitet. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob der Kläger durch das Vermieten tatsächlich Gewinne erzielt. Ebensowenig konnte das Erstgericht feststellen, daß der Kläger mit seiner Preisgestaltung beabsichtigte, seine Mitbewerber aus Konkurrenzgründen zu unterbieten.

Der Kläger begehrt, dem Beklagten zu verbieten, Zimmerpreislisten in Umlauf zu bringen, in denen die Pension "I*****" des Klägers ohne Angabe der Preise und Ermäßigungen und ohne zusätzliche Ausstattungsangaben in einer von den übrigen Mitbewerbern abgesonderten, diesen gegenüber abgewerteten Rubrik mit dem Titel "weiters vermieten noch" aufscheint und ihm aufzutragen, bereits in Umlauf gebrachte Zimmerpreislisten wieder einzuholen bzw. auszutauschen.

Durch die Gestaltung der Zimmerpreisliste entstehe der Eindruck, daß die Pension des Klägers qualitativ nicht auf derselben Stufe wie die vollständig beschriebenen Fremdenverkehrsbetriebe stehe. Interessenten könnten die Preise nicht vergleichen. Dem Kläger drohten erhebliche Umsatzeinbußen. Es sei ihm unmöglich, in einer Saison den Preis um S 70,-- zu erhöhen. Der Beklagte sei nach dem Gesetz nicht ermächtigt, Preise vorzuschreiben. Sein Gesetzesverstoß sei wettbewerbswidrig; er mißbrauche seine marktbeherrschende Stellung als öffentlich-rechtliche Körperschaft, um seine Mitglieder zu einer einheitlichen Preispolitik zu zwingen. Die Tätigkeit des Beklagten sei nicht Teil der Hoheitsverwaltung.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Seine Einrede, der Rechtsweg sei unzulässig, wurde mit abgesondertem Beschluß rechtskräftig verworfen.

Ein Tourismusverband sei nach dem Tiroler Tourismusgesetz verpflichtet, ein Tourismusleitbild zu erstellen, welches (ua) den Bedürfnissen des Marktes gerecht werden müsse. Er habe die Mitglieder bei der Gestaltung eines marktgerechten Angebotes zu unterstützen. Mit der Erstellung des Werbeprospektes mit Zimmerpreisliste habe der Beklagte den Gesetzesauftrag erfüllt. Die allgemeinen Interessen der Mitglieder hätten nach § 4 Tiroler TourismusG Vorrang vor den Interessen einzelner. Außenseiterangebote könnten nicht gleich werbewirksam angeboten werden wie jene Angebote, die sich an die im allgemeinen Interesse beschlossenen Entwicklungsstrategien hielten. Hätte der Beklagte einen Preisvergleich zwischen dem Angebot des Klägers und dem seiner Mitbewerber ermöglicht, so hätte er zugunsten des Klägers in den Wettbewerb eingegriffen. Das Preisunterbieten sei wettbewerbswidrig; die anderen Zimmervermieter könnten wegen des hohen Fremdkapitaleinsatzes dem ruinösen Wettbewerb nicht standhalten. Maßnahmen gegen Preisbrecher könnten niemals wettbewerbswidrig sein. Der Beklagte stehe zum Kläger in keinem Wettbewerbsverhältnis; er handle nicht in Wettbewerbsabsicht, ja nicht einmal im geschäftlichen Verkehr, sondern erfülle die ihm übertragenen gesetzlichen Aufgaben. Es verstieße auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn der Billigpreis des Klägers den kaufmännisch kalkulierten Preisen der anderen Pflichtmitglieder gegenübergestellt würde.

Das Erstgericht verbot dem Beklagten, Zimmerpreislisten in Umlauf zu bringen, in denen die Pension "I*****" des Klägers ohne Angabe der Preise und Ermäßigungen und ohne zusätzliche Ausstattungsangaben in einer von den übrigen Mitbewerbern abgesonderten, diesen gegenüber abgewerteten Rubrik mit dem Titel "weiters vermieten noch" aufscheint. Das Mehrbegehren wies -insoweit unbekämpft- es ab.

Der Beklagte greife als öffentlich-rechtliche Körperschaft in den Wettbewerb ein. Er handle nicht hoheitlich, sondern werde privatwirtschaftlich tätig. Mit dem Werbeprospekt fördere der Beklagte fremden Wettbewerb; die Herausgabe eines Werbeprospektes sei eine typische Wettbewerbshandlung. Das Tiroler Tourismusgesetz enthalte weder ein Verbot noch eine Aufforderung, Preislisten zu erstellen. Das Herausgeben von Preisempfehlungen sei durch das Gesetz gedeckt, nicht aber ein Preisdiktat. Der Beklagte habe aber nicht nur gegen das Tiroler Tourismusgesetz verstoßen, sondern auch den falschen Eindruck erweckt, daß die Zimmer des Klägers von schlechterer Qualität als die seiner Mitbewerber seien. Das Preisunterbieten des Klägers sei keine sittenwidrige Preisschleuderei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung sei es unerheblich, ob ein unzuständiges Organ die Preisempfehlung beschlossen habe. Mit der Herausgabe eines Werbeprospektes samt Zimmerpreisliste sei der Beklagte nicht hoheitlich, sondern privatwirtschaftlich tätig geworden. Er habe damit fremden Wettbewerb gefördert. Das Tiroler Tourismusgesetz sehe keine Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung von Preisempfehlungen vor. Der Kläger werde durch die nur eingeschränkte Beschreibung seines Betriebes benachteiligt. Die Interessenten würden irregeführt, weil der Eindruck entstehe, daß die Zimmer des Klägers von minderer Qualität seien. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß er das Angebot des Klägers nur eingeschränkt beschreiben habe könnten, weil er ansonsten die Mitbewerber benachteiligt hätte. Dem Kläger sei kein sittenwidriges Preisunterbieten vorzuwerfen. Es könne ihm nicht zugemutet werden, seine Zimmerpreise auf einmal von S 180,- auf S 250,-- zu erhöhen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, daß er bei der Erstellung des Tourismusleitbildes nicht im geschäftlichen Verkehr gehandelt habe. Aufgabe des Tourismusverbandes sei es, dafür zu sorgen, daß die Angebotspreise bezogen auf die Allgemeinheit kaufmännisch stimmen. Er habe daher nur jene Preise empfehlen dürfen, die der "allgemein-wirtschaftlichen Maxime" in dem von ihm betreuten Gebiet entsprachen. Die allgemeinen Interessen gingen den besonderen Interessen des einzelnen vor. Der Beklagte habe sein Tourismusleitbild nach den Forderungen des Allgemeinwohles gestaltet. Das Gesetz verpflichte ihn zur "Angebotsgestaltung, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit"; die Erfüllung dieser Aufgaben sei hoheitliches Handeln.

"Geschäftlicher Verkehr" ist nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre jede selbständige auf Erwerb gerichtete Tätigkeit - im Gegensatz zu rein privater oder amtlicher Tätigkeit -, also jede geschäftliche Betätigung im weitesten Sinn, ohne daß Gewinnabsicht notwendig wäre; vielmehr genügt eine selbständige, zu wirtschaftlichen Zwecken ausgeübte Tätigkeit, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt (Hohenecker/Friedl, Wettbewerbsrecht 17f; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht**2 II 23f; Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht 14; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht18, EinlUWG Rz 208; SZ 61/193 - Camel; MR 1990, 99 - Master-Monster; ÖB1 1991, 237 - Ski-Kindergarten; zuletzt 4 Ob 2007/96t).

Auch der Staat, die Länder, die Gemeinden und die sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften sind grundsätzlich den Vorschriften des Wettbewerbsrechtes unterworfen. Wird die öffentliche Hand privatwirtschaftlich tätig, dann stellt sie sich damit den privaten Mitbewerbern gleich und hat dieselben Rechte, aber auch dieselben Pflichten wie diese; Hoheitsakte sind hingegen niemals Wettbewerbshandlungen (Hohenecker/Friedl aaO 18; Koppensteiner aaO

25; Fitz/Gamerith aaO; ÖBl 1990, 55 = ÖBA 1990, 129 = WBl 1990, 113 -

PSK; ÖBl 1993, 207 = ecolex 1993, 759 = WBl 1993, 405 -

Zivilschutzverband; s aber Baumbach/Hefermehl aaO EinlUWG Rz 245, wonach eine hoheitliche Betätigung das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung nicht auszuschließen braucht). Tritt der Staat (oder eine sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaft) nicht als Träger seiner hoheitlichen Befugnisse (dh mit "imperium") auf, sondern bedient er sich der Rechtsformen, die auch dem Rechtsunterworfenen zur Verfügung stehen - also etwa des Vertrages -, dann handelt er, auch wenn er nicht nach Gewinn strebt, im geschäftlichen Verkehr (ÖBl 1993, 207 = ecolex 1993, 759 = WBl 1993, 405 - Zivilschutzverband).

Gemäß § 1 Abs 1 Tiroler TourismusG 1991 LGBl 1991/24 idF LGBl 1992/71, LGBl 1994/111, bilden die Unternehmer einer Gemeinde einen Tourismusverband, soweit im Absatz 2 nichts anderes bestimmt ist. § 1 Abs 2 Tiroler TourismusG ermächtigt die Landesregierung, davon abweichende Regelungen zu treffen, wie zB für das Gebiet einer Gemeinde mehrere Tourismusverbände einzurichten. Pflichtmitglieder sind jene Unternehmer, die wirtschaftlich unmittelbar oder mittelbar am Tourismus in Tirol interessiert sind und im Gebiet des Tourismusverbandes ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben (§ 2 Abs 1 leg cit). Den Tourismusverbänden obliegen die Wahrung, Förderung und Vertretung der örtlichen Belange des Tourismus unter Bedachtnahme auf seine sozialen, kulturellen, ethischen und ökologischen Auswirkungen (§ 4 Abs 1 leg cit). Insbesondere obliegen ihnen die Erstellung sowie die laufende Entwicklung und Anpassung des örtlichen Tourismusleitbildes im Zusammenwirken mit der (den) Gemeinde(n), wobei die örtlichen Verhältnisse, die Bedürfnisse des Marktes und die ökologische Belastbarkeit des Gebietes des Tourismusverbandes sowie die Ziele der örtlichen und der überörtlichen Raumordnung zu berücksichtigen sind (§ 4 Abs 2 lit a leg cit) sowie das touristische Marketing, insbesondere Marktforschung, Angebotsgestaltung, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, Vertrieb sowie die laufende Überprüfung der Marketingmaßnahmen auf deren Erfolg (§ 4 Abs 2 lit d leg cit). Den Tourismusverbänden ist keinerlei Zwangs- oder Befehlsgewalt eingeräumt; die Berechnung, Vorschreibung, Einhebung und zwangsweise Einbringung der Beiträge obliegt dem Amt der Landesregierung (§ 36 leg cit); für die Einräumung von Benützungsrechten durch Enteignung sind die Tourismusverbände (nur) antragsbefugt (§ 43 leg cit).

Die Herausgabe eines Werbeprospektes fällt unter § 4 Abs 2 lit d leg cit. Die Tourismusverbände erfüllen damit die ihnen im Gesetz übertragene Aufgabe des touristischen Marketings. Das dabei eingesetzte Mittel der Herausgabe eines Werbeprospektes ist schon seinem Wesen nach keine hoheitliche Maßnahme. Ob dies auch für die in § 4 Abs 2 lit a leg cit erwähnte Erstellung des örtlichen Tourismusleitbildes gilt, braucht hier nicht geprüft zu werden. Mit der Herausgabe des Werbeprospektes samt Zimmernachweis hat der Beklagte jedenfalls im geschäftlichen Verkehr gehandelt. Daß der Beklagte auch in der Absicht tätig geworden ist, (fremden) Wettbewerb zu fördern, liegt auf der Hand.

Mit den unvollständigen, in die Rubrik "weiters vermieten noch" aufgenommenen Angaben über das Gästehaus des Klägers hat der Beklagte aus mehreren Gründen wettbewerbswidrig gehandelt: Der Beklagte hat die ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse überschritten, indem er versucht hat, seine Preisempfehlung mit Druck durchzusetzen. Sein Verhalten findet im Gesetz keine Deckung (vgl § 31 KostG; § 17 Abs 3 Z 2 KostG iVm § 2 Z 3 der V BGBL 1989/185). Der demnach subjektiv vorwerfbare Gesetzesverstoß begründet sittenwidriges Handeln im Sinne des § 1 UWG. Der Beklagte hat auch gegen § 7 UWG verstoßen. Durch die Aufnahme der unvollständigen Angaben über die Pension des Klägers in die Rubrik "weiters vermieten noch" wird der Anschein erweckt, daß der Kläger minderwertige Zimmer anbiete. Daß dies der Wahrheit entspräche, hat der Beklagte nicht einmal behauptet.

Der Beklagte kann sein Verhalten nicht damit rechtfertigen, daß ihm aufgetragen sei, das allgemeine Interesse und nicht Einzelinteressen zu fördern. Der Kläger ist Pflichtmitglied des Beklagten; seine Interessen unterscheiden sich nicht vom allgemeinen Interesse, den regionalen Tourismus zu fördern. Daß der Kläger aufgrund seiner geringeren Fremdkapitalbelastung zu niedrigeren Preisen vermieten kann als Mitbewerber, bringt ihm einen sachlich gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil, für dessen Beseitigung das Tiroler Tourismusgesetz keine Grundlage bildet. Die Gestaltung der Zimmerpreisliste durch den Beklagten ist daher gesetzwidrig und damit, aber auch davon unabhängig, wettbewerbswidrig.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Revision mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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