OGH 6Ob633/95

OGH6Ob633/9526.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Steinbauer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Volker C*****,

2. Gerlinde C*****, beide D-*****, beide vertreten durch Dr.Herbert Harlander, Dr.Ralf Kuhn, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei A*****, Verein, ***** vertreten durch Dr.Karl Kuprian, Rechtanwalt in Bad Ischl, wegen 232.034,-- S, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7.August 1995, GZ 3 R 128/95-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28.März 1995, GZ 9 Cg 446/93-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben der beklagten Partei die mit 12.573,-- S (darin 2.095,50 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger begehren die Rückzahlung von 232.034,-- S mit dem Vorbringen, sie hätten Ende September 1992 bei der Touristikmesse in Wiesbaden an einem Werbestand eine Preisausschreibenkarte ausgefüllt, worauf sie im Jänner 1993 zu einem kostenlosen Aufenthalt in ein Hotel am Wolfgangsee eingeladen worden seien. Nach Annahme der Einladung habe man ihnen den Erwerb eines Ferienwohnrechtes angeboten und sie dazu gebracht, ein Anbot zum Erwerb eines Ferienwohnrechtes um 229.034,-- S zuzüglich Gebühren von 3.500,-- S zu stellen. Die beklagte Partei habe das Anbot angenommen und von den Klägern in der Folge eine Zahlung von 232.034,-- S (richtig wohl 232.534 S) erhalten. Auf das Geschäft sei nach § 41 IPRG deutsches Recht anzuwenden. Wegen Widerrufes des Vertrages nach § 1 HausTWG, eine Belehrung nach § 2 leg cit sei nicht erfolgt, besitze die beklagte Partei den gezahlten Betrag nunmehr ohne Rechtsgrund.

Die beklagte Partei wandte mangelnde Passivlegitimation ein, weil sie nicht Vertragspartner der Kläger gewesen sei. Auf den Vertrag sei wegen des Abschlußortes und der im Vertrag vereinbarten Rechtswahl österreichisches Recht anzuwenden, der erklärte Rücktritt vom Vertrag erst im Oktober 1993 sei verspätet.

Das Erstgericht gab der Klage - abgesehen von einem Zinsenmehrbegehren - unter Zugrundelegung folgender (im Revisionsverfahren noch relevanter) Feststellungen statt: Die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch 56110 Weißenbach Grundbuch St.Gilgen (Parkhotel S***** in S*****) steht im Eigentum der Parkhotel S***** & Co KG. Zugunsten der im Jahr 1991 gegründeten beklagten Partei ist ob der Liegenschaft ein Fruchtgenußrecht eingeräumt.

Im September 1992 besuchten die Kläger, die in Deutschland ständig wohnhaft sind, die Touristenmesse "Hafa" in Wiesbaden und füllten am Stand eines Touristikunternehmens eine Preisausschreibenteilnahmekarte aus. Im Jänner 1993 erhielten sie eine Einladung zu einem Aufenthalt im Parkhotel S*****. Nach ihrer Ankunft in S***** führten sie in einem zum Hotel gehörenden Gebäude ein mehrstündiges Gespräch mit einem Angestellten der C***** GmbH, welche im Einladungsschreiben als Pächter des Parkhotels S***** bezeichnet war. Den Klägern wurde das System des "Time-Sharing", der Erwerb von Ferienwohnrechten im Hotel und von Tauschmöglichkeiten für Urlaube in anderen Ländern erklärt. Sie unterfertigten anschließend einen Antrag zur Aufnahme in den Verein A***** (beklagte Partei) als ordentliches Mitglied und den verbundenen Erwerb eines Fruchtgenußrechtes im Parkhotel S*****. Dieser Antrag wurde von ihrem Gesprächspartner, der hiezu von der beklagten Partei ausdrücklich bevollmächtigt war, angenommen. Weiters unterfertigten die Kläger einen Mitgliedschaftsantrag an eine Gesellschaft in Deutschland, mit welchem Tauschrechte für Ferienwohnungen erworben werden sollten. Im April 1993 zahlten die Kläger insgesamt 33.157,57 DM auf ein Konto der beklagten Partei ein und erhielten eine Registerurkunde unter anderem als Beweis für den rechtmäßigen Besitz des Ferienwohnrechtes zugesandt.

Mit Schreiben ihres Vertreters vom 4.10.1993 erklärten die Kläger ihren Rücktritt vom Vertrag und forderten die Rückzahlung des Kaufpreises binnen 14 Tagen.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Passivlegitimation der beklagten Partei und führte aus, es liege ein Verbrauchergeschäft vor, auf welches nach § 41 Abs 1 IPRG deutsches Recht zur Anwendung komme. Unterliege der Vertrag nach dem Privatrecht des "Verbraucherlandes" speziellen Verbraucherschutzbestimmungen, sei eine Rechtswahl unzulässig. Habe der Unternehmer in jenem Land, in welchem die Verbraucher ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, eine spezifische Unternehmertätigkeit entfaltet, kämen die Verbraucherschutzvorschriften dieses Landes zur Anwendung. Die beklagte Partei habe sich gezielter Werbemaßnahmen in Deutschland bedient, um einen Time-Sharingvertrag zustandezubringen; sie müsse daher die Verbraucherschutzbestimmungen des deutschen HausTWG gegen sich gelten lassen. Nach dessen § 2 beginne die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn die andere Vertragspartei dem Kunden eine drucktechnisch deutlich gestaltete schriftliche Belehrung über sein Recht zum Widerruf einschließlich Namen und Anschrift des Widerrufsempfängers ausgehändigt habe. Bei Unterbleiben einer solchen Belehrung erlösche das Widerrufsrecht des Kunden erst einen Monat nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistung. Mangels einer ausreichenden Belehrung der Kläger und vollständiger Erbringung der Leistung sei der am 4.10.1993 erklärte Widerruf der Kläger daher rechtzeitig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab.

Der Oberste Gerichtshof habe in der in SZ 64/130 = EvBl 1992/48 =

ecolex 1992/90 = ZfRV 1992/11 = WoBl 1992/130 veröffentlichten

Entscheidung die Ansicht vertreten, daß der auf Timesharingverträge anzuwendende § 41 IPRG nicht eine Gesamt-, sondern eine Sachnormverweisung sei, und demgemäß nicht geprüft, ob nach deutschem Recht eine Rückverweisung angeordnet werde. In einer späteren Entscheidung (ZfRV 1994, 161 = ecolex 1994, 316 = JBl 1994, 555 = RdW 1994, 276) sei der Oberste Gerichtshof von dieser Ansicht jedoch ausdrücklich abgegangen und habe ausgesprochen, daß § 41 IPRG keine bloße Sachnormverweisung, sondern eine Gesamtverweisung enthalte, die nach § 5 IPRG auch die Verweisungsnormen der fremden Rechtsordnung umfasse. Nach § 29 Abs 1 und 2 EGBGB unterlägen Verbraucherverträge unter Ausschluß einer Rechtswahl dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,

1. wenn dem Vertragsabschluß ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat,

2. wenn der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung des Verbrauchers in diesem Staat entgegengenommen hat oder

3. wenn der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft und der Verbraucher von diesem Staat in einen anderen Staat gereist ist und dort seine Bestellung aufgegeben hat, sofern diese Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, den Verbraucher zum Vertragsabschluß zu veranlassen.

Keiner dieser Tatbestände sei erfüllt. Die Kläger hätten den Aufnahmeantrag in Österreich gestellt, hier sei ihre Bestellung entgegengenommen worden und der abgeschlossene Timesharingvertrag betreffe nicht den Verkauf von Waren. Eine analoge Anwendung der Z 3 auf andere Verträge sei nicht zulässig. Mangels Anwendbarkeit des § 29 EGBGB sei daher nach der von den Parteien im Vertrag getroffenen Rechtswahl, aber auch gemäß Art 28 EGBGB österreichisches Recht anzuwenden. Nach § 3 Abs 2 KSchG idF vor der Novelle BGBl 1993/247 erlösche das Rücktrittsrecht des Verbrauchers spätestens einen Monat nach dem Zustandekommen des Vertrages, wenn dem Verbraucher der Name und die Anschrift des Unternehmers bekanntgegeben worden seien. Die Rücktrittserklärung mit Schreiben vom 4.10.1993 sei mehr als einen Monat nach Annahme des Aufnahmeantrages der Kläger und nach Zugang von Urkunden, aus denen Name und Anschrift der beklagten Partei hervorgegangen seien, erfolgt und damit verfristet.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage von grundsätzlicher Bedeutung fehle, ob § 41 IPRG eine Gesamtverweisung oder nur eine Eingriffsnorm sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach § 41 IPRG sind Verträge, bei denen das Recht des Staates, in dem eine Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, dieser als Verbraucher besonderen privatrechtlichen Schutz gewährt, nach diesem Recht zu beurteilen, wenn sie im Zusammenhang mit einer in diesem Staat entfalteten, auf Schließung solcher Verträge gerichteten Tätigkeit des Unternehmers oder der von ihm hiefür verwendeten Personen zustande gekommen sind (Abs 1). Soweit es sich um die zwingenden Bestimmungen dieses Rechtes handelt, ist eine Rechtswahl zum Nachteil des Verbrauchers unbeachtlich (Abs 2).

Daß die Qualifikation, was nach § 41 IPRG unter "Verbraucher" zu verstehen ist, nach österreichischem Recht gelöst werden muß, ist ebenso unstrittig, wie daß der Sinn der zitierten Anknüpfungsvoraussetzungen darin liegt, das Vertrauen des Verbrauchers auf die Geltung des Rechtes seines Aufenthaltslandes zu schützen, wenn der Unternehmer im Verbraucherland eine einschlägige Geschäftstätigkeit entfaltet. Dabei kommt es auf die Anbahnung des Geschäftes im Verbraucherland nicht an; wesentlich ist nur, daß durch eine Tätigkeit im Verbraucherland nach der Absicht des Unternehmers im Ergebnis ein Kontakt zwischen ihm und dem Verbraucher herbeigeführt wird. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Verweisungsnorm des § 41 IPRG liegen daher vor.

Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, daß der Oberste Gerichtshof nach Darstellung seines früheren Erkenntnisses und der Lehre in der jüngeren Entscheidung vom 21.12.1993 den Standpunkt, bei § 41 IPRG handle es sich um einen Fall bloßer Sachnormverweisung, nicht aufrecht erhalten hat, weil eindeutige Argumente, die bei der Verbraucherstaatanknüpfung die Ausschaltung des im Gesetz verankerten Grundsatzes der Gesamtverweisung geboten erscheinen ließen, in Wahrheit nicht zu finden seien, so daß es bei dem im § 5 IPRG normierten Grundsatz der Gesamtverweisung zu verbleiben habe. Auch Schwind, der diese Entscheidung in ZfRV 1994, 161 (165, 166) unter anderen, hier nach dem unterschiedlichen Sachverhalt nicht maßgeblichen Gesichtspunkten, insbesondere jenen des § 48 IPRG kommentiert hat, nimmt zu der erstmals vertretenen Ansicht, § 41 IPRG enthalte eine Gesamtverweisung, keine (ablehnende) Stellung. Das von den Revisionswerbern für die Annahme einer bloßen Sachnormverweisung herangezogene Argument, im Falle einer Rück- oder Weiterverweisung müsse damit gerechnet werden, daß Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen könnten, deren Vorschriften dem Verbraucher völlig unbekannt sind, mit deren Anwendung er nicht habe rechnen müssen und die unter Umständen einen nur geringeren oder gar keinen Verbraucherschutz kennen, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen kann der Verbraucher ein Interesse ebensogut an der Anwendung des Sachrechtes an seinem gewöhnlichen Aufenthalt haben wie an der Anwendung jenes Verbraucherrechtes, das die Gerichte des Staates seines Aufenthaltes nach dessen Kollisionsnormen anwenden würden, zum anderen darf nicht übersehen werden, daß § 41 IPRG nur auf das Recht eines Staates verweist, das dem Verbraucher besonderen privatrechtlichen Schutz gewährt. Wenn daher diese Rechtsordnung in ihren Kollisionsnormen Verbraucherverträge von Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat haben, nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen für schutzwürdig halten, bei Fehlen einer dieser Voraussetzungen aber auf eine andere Rechtsordnung verweist, so besteht auch nach dem besonderen Schutzzweck keine Notwendigkeit, von einer bloßen Sachnormverweisung auszugehen. Der erkennende Senat teilt daher die Auffassung, daß auch bei der Verbraucherstaatanknüpfung nach § 41 IPRG Gesamtverweisung gegeben ist.

Das Berufungsgericht hat Art 29 EGBGB richtig wiedergegeben und zutreffend ausgeführt, daß keiner der dort angeführten Tatbestände, die eine Rechtswahl der Parteien nicht zuließen, auf den vorliegenden, in Österreich abgeschlossenen Vertrag zutrifft. Wenn ein Verbraucher von seinem Aufenthaltsstaat in einen anderen Staat gereist ist und dort seine Bestellung aufgegeben hat und diese Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, den Verbraucher zum Vertragsabschluß zu veranlassen, ist eine Rechtswahl der Parteien nach Art 29 Abs 1 Z 3 EGBGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft. Nach der deutschen Rechtsprechung und Lehre gilt diese Bestimmung nur für den Kauf beweglicher Sachen, eine analoge Anwendung auf andere Verträge ist ausgeschlossen (Martiny im Münchner Kommentar2 Art 29 EGBGB Rz 16; Palandt, BGB55 2303 Art 29 EGBGB Rz 5 mwN). Schon nach der getroffenen Rechtswahl der Parteien ist daher österreichisches Recht anzuwenden. Nach diesem war das Rücktrittsrecht der Kläger vom Vertrag also zum Zeitpunkt der Ausübung im Oktober 1993 nach § 3 Abs 1 KSchG bereits erloschen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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