OGH 10Ob2014/96s

OGH10Ob2014/96s23.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinz D*****, vertreten durch Dr.Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Kleingartenverein *****, vertreten durch den Obmann Ing.Ernst D*****, dieser vertreten durch Biel & Partner KEG, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einsichtgewährung (Streitinteresse S 100.000,-) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 5.Dezember 1995, GZ 37 R 841/95-18, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Da die Rechtsbeziehungen zwischen Vereinen und ihren Mitgliedern privatrechtlicher Natur sind, können Entscheidungen von Vereinsorganen (hier: betreffend die Verweigerung der Einsicht in einzelne Geschäfts- und Rechnungsunterlagen) auch gerichtlich voll überprüft werden (EvBl 1993/117 = JBl 1993, 597).

2.) Ausgehend vom verfassungsmäßig verankerten Recht der Vereinsfreiheit (Art 12 StGG) schreibt das zu seiner Ausführung erlassene VereinsG 1951 BGBl 233 idgF für sog Idealvereine, deren Hauptzweck nicht auf die Erzielung von Gewinn gerichtet ist (Koziol/Welser I10 68), nur vor, was in den Statuten zu regeln ist (§ 4 Abs 2), nicht aber, wie die inhaltliche Regelung im einzelnen getroffen werden muß (Koziol-Welser aaO). Die Statuten sind hiebei die grundsätzliche Norm, mit der sich der Verein seine Organisation selbst gibt (Fessler/Keller, Österr.Vereinsrecht7, 29; SZ 58/15 = GesRZ 1985, 38). Ihre Auslegung hat nicht nach den Regeln der §§ 914 ff ABGB zu erfolgen, sondern auf der Grundlage von Gesetzeskonformität unter Berücksichtigung des Vereinszwecks einerseits sowie unter Beachtung der berechtigten Interessen der Mitglieder andererseits, wobei auch einer bisherigen Übung (Observanz) Bedeutung zugemessen werden kann (SZ 58/15 mwN auch zum österr. und deutschen Schrifttum). Maßgebend ist der objektive Sinngehalt der Bestimmungen, wobei sich die Auslegung an der Gesetzestreue, dem Vereinszweck und den berechtigten Interessen der Mitglieder zu orientieren hat (8 Ob 559/89).

Aus den Statuten müssen gemäß § 4 Abs 2 lit f VereinsG nur zu entnehmen sein "die Rechte und Pflichten der Vereinsmitglieder", was - schon zur Vermeidung allfälliger Streitigkeiten zwischen diesen - möglichst genau erfolgen sollte (Fessler/Keller, aaO 49), jedenfalls aber erschöpfend und positiv (Brändle, Das österr.Vereinsrecht, 65). Im vorliegenden Fall werden die Rechte und Pflichten der Mitglieder in § 4 der Satzungen (Beilage 1) mit dem vom Erstgericht unbekämpft festgestellten und wiedergegebenen Wortlaut geregelt. Nach Diktion und Inhalt dieser Bestimmung handelt es sich hiebei nicht um einen demonstrativ, sondern taxativ aufgezählten Katalog.

3.) Nach dem Inhalt der Klage und nach den aus der Parteienvernehmung des Klägers zu entnehmenden Intentionen strebt dieser nicht ein globales Einsichtsrecht in alle den Verein betreffenden Urkunden, sondern bloß solchen an, die seit 1991 mit den Verein kostenmäßig belastenden Investitionen im Zusammenhang stehen. Als Kontrollorgan hiefür fungiert jedoch nach den Statuten nicht jedes einzelne Vereinsmitglied, sondern der in § 15 näher umschriebene Aufsichtsrat, welcher "die Geschäftsgebahrung ständig überwacht und die finanzielle Gebarung der Vereinsleitung wiederholt überprüft", und welcher Überprüfung ua "sämtliche Bücher, Belege [sowie] der Jahresabschluß" unterliegen. Nach den (ebenfalls unbekämpften) Feststellungen des Erstgerichtes wurden sämtliche von der Klage umfaßten Angelegenheiten des Vereinshauses, des Kanals, des Gehsteiges und des Gasanschlusses in nach § 12 der Statuten abgehaltenen Generalversammlungen besprochen und auf Grund von Kontrollberichten und Kassaprüfungen hiezu jeweils Entlastungen erteilt (wie sich dies auch aus den hiezu im Akt erliegenden Protokollen hierüber ergibt). Die in der Revision hiezu gewünschte Analogie zu wohnrechtlichen Verwaltungseinrichtungen, Wohnungseigentumsobjekten, Miethäusern oder Genossenschaftsanlagen muß schon daran scheitern, daß Voraussetzung der analogen Anwendung einer gesetzlichen Regelung eine Gesetzeslücke wäre (Koziol/Welser, aaO 24 ff), das Gesetz also - gemessen an seiner Teleologie - unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht etwa einer vom Normgeber gewollten Beschränkung widerspricht (RZ 1990/73, DRdA 1994/23). Gleiches muß - da Statuten nach dem Vorgesagten auch in dieser Weise auszulegen sind - für die zur Beschlußfassung berufene (§ 12 Abs 5 lit h) Generalversammlung gelten. Da jedoch neben den bereits erwähnten Kontrollrecht des Aufsichtsrates (§ 15) in § 14 Abs 3 lit c auch für den hierin näher determinierten Ausschuß ein Recht zur Stellungnahme in "allen wirtschaftlichen Fragen sowie zu den jeweiligen Finanzberichten des Kassiers und den Berichten des Aufsichtsrates (Kontrolle)" vorgesehen ist, vermag der Oberste Gerichtshof keine durch Analogie zu schließende Lücke für noch darüber hinausgehende weitergehende Kontrollrechte jedes einzelnen Vereinsmitgliedes zu erkennen; diesen verbleibt in solchen Fällen nämlich immer noch die Möglichkeit einer Beschwerde an die Generalversammlung (§ 13 letzter Absatz Z 6) oder eines Antrages auf Satzungsänderung (§ 12 Abs 5 lit h), sodaß der Vorwurf des Rechtsmittelwerbers, wonach ihm ein "Mindeststandard an Rechtsschutz" versagt sei, ins Leere gehen muß. Die bloße Meinung, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme einer Gesetzeslücke. In der Gestaltung dieser wiedergegebenen Mitgliedschaftsrechte war die beklagte Partei - zumal Grenzen zwingenden öffentlichen oder privaten Rechtes hiedurch nicht verletzt wurden - jedenfalls autonom (vgl SZ 63/233 sowie Fessler/Keller, aaO 166 ff [in deren dort abgedrucktem Musterstatut bezeichnenderweise die Einräumung eines solchen ausdrücklichen Einsichtsrechtes ebenfalls fehlt]).

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