OGH 13Os188/95

OGH13Os188/9517.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eckert-Szingegh als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Helmut B***** und Helgard B***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. September 1995, GZ 9 Vr 2895/94-19, nichtöffentlich (§ 65 Abs 1 OGHGeo) den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten Dr. Helmut B***** wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Dr. Helmut und Helgard B***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB, Helgard B***** als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt. Demnach haben in Graz gewerbsmäßig

(I) Dr. Helmut B***** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Angestellte der Firma M***** AG (MFA) durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die die MFA am Vermögen schädigte, und zwar

a) in der Zeit von Frühjahr 1993 bis Juni 1994 durch die Vorgabe, die erweiterten "Trillo"-Untersuchungen durchgeführt zu haben, zur Bezahlung der geltend gemachten Untersuchungskosten von 22.755 S,

b) in der Zeit von 1981 bis Juni 1994 dadurch, daß er Zusatzuntersuchungen zu Strahlenschutzuntersuchungen verrechnete und dabei verschwieg, daß diese Untersuchungskosten bereits von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) bezahlt wurden, zur nochmaligen Bezahlung derselben Untersuchungskosten von zumindest

559.217 S,

(II) Helgard B***** zur Ausführung der angeführten strafbaren Handlungen ihres Gatten Dr. Helmut B***** dadurch beigetragen, daß sie im Wissen der nicht durchgeführten erweiterten "Trillo"-Untersuchungen und der Doppelverrechnung die Abrechnung erstellte und abfertigte.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden, vom Erstangeklagten Dr. Helmut B***** auf die Z 5, 5 a, 9 lit a und 9 lit b und von der Zweitangeklagten Helgard B***** auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützt, sind die Angeklagten nicht im Recht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Dr. Helmut B*****:

Eine "Präambel" als Teil der Nichtigkeitsbeschwerde, die im vorliegenden Fall eine zusammenfassende Darstellung der Verfahrensergebnisse aus der Sicht des Angeklagten enthält, kennt § 285 Abs 1 StPO nicht, sie ist daher insoweit einer prozeßordnungsgemäßen Erledigung von vornherein nicht zugänglich.

Die Mängelrüge (Z 5) erblickt eine Aktenwidrigkeit in der Feststellung, daß als Tatende zum Schuldspruch I a) Juni 1994 genannt ist. Diesem Umstand kommt jedoch keine die Schuld bzw den Strafsatz beeinflussende und damit keine entscheidende Bedeutung zu (Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 281 Z 5 ENr 26). Die Angabe des Tatzeitraums diente nur der Limitierung der Zeitspanne in der in zahlreichen Angriffen durch die fraudulose Verrechnung der (strafrechtlich bedeutsame) Gesamtbetrag von 22.755,12 S erlangt wurde, der vom Angeklagten nicht bestritten wird.

Zu Unrecht macht die Beschwerde bezüglich der subjektiven Tatseite eine "Scheinbegründung" und Unvollständigkeit der Urteilsgründe geltend:

Das Schöffengericht stützt seine diesbezüglichen Feststellungen zum Schuldspruch I a) ("Trillo"-Untersuchungen) auf die tatsächlich erfolgte Verrechnung und den Bezug des Honorars durch den Erstangeklagten für die nicht erbrachten Leistungen, in Verbindung mit den durch den Erstangeklagten selbst vorgenommenen Ergänzungen der Untersuchungsbögen mit Werten, die er nicht einer Untersuchung sondern einer Normliste entnahm (US 7) verbunden mit der Anweisung an die damals angestellte Medizinisch Technische Assistentin Christine G*****, die Daten für die von ihm gar nicht durchführbaren Untersuchungen in Form von Normalwerten einzutragen (US 8).

Der Beschwerde zuwider sind die von ihr im einzelnen als unerörtert angeführten Beweisergebnisse durchwegs so beschaffen, daß sie entsprechend dem gesetzlichen Auftrag zur Urteilsbegründung in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 ZPO) einer detaillierten Erörterung nicht bedurften. Das gilt für einzelne Angaben der Zeuginnen Renate S***** (285 ff), Christine G***** (237) und Karin S***** (365 ff) ebenso wie für die Ablichtung des Laborbuches und die Verantwortung der beiden Angeklagten, daß ab April 1993 in dem für die Verrechnung bestimmten Laborbuch nicht mehr die tatsächlich erbrachten Leistungen eingetragen wurden, sondern nur mehr der Vermerk "Trillo". Die dazu von der Beschwerde gefolgerten Ergebnisse stehen außerdem nicht im Widerspruch zu den Utreilsannahmen und fanden im Urteil auch entsprechende Berücksichtigung. Darin, daß die Tatrichter zu einer anderen Konsequenz gelangten als die Beschwerde liegt kein formaler Begründungsfehler.

Soweit die Mängelrüge zur subjektiven Tatseite auch Feststellungen vermißt, ist sie als eine (der Sache nach) allenfalls anzunehmende Rechtsrüge (Z 9 lit a) angesichts der vorhandenen Urteilsannahme nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Den Feststellungen zur subjektiven Tatseite beim Schuldspruch wegen Doppelverrechnung (I b) legte der Schöffensenat vor allem die jahrelange (1981 bis 1994) wiederholte Täuschung der MFA mit dem Ergebnis einer Bereicherung des Angeklagten (und seiner Gattin) in einem Gesamtausmaß von ca einer halben Million Schilling (US 16 f), und zwar in Verbindung damit zugrunde, daß der Erstangeklagte unmittelbar nach dem 21. Mai 1981 schriftlich (129) von der Regelung in Kenntnis gesetzt worden war wie er die Untersuchungskosten mit der BVA zu verrechnen hatte. Es besteht daher - der Beschwerde zuwider - keine bloße "Scheinbegründung". Ebensowenig haftet dem Urteil diesbezüglich eine Unvollständigkeit oder Undeutlichkeit an. Denn die von der Beschwerde einzeln angeführten Verfahrensteile waren für die Tatrichter auf Grund der nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO vorgeschriebenen gedrängten Darstellung der Urteilsgründe nicht weiter erörterungsbedürftig. Dies trifft namentlich zu auf die Aussage der Zeugin Christine S***** (223 ff, ON 10), wonach sie annehme, daß Dr. B***** die erhaltenen Honorarleistungen nie kontrolliert habe, weil er nicht rückgefragt habe; der Zeugin Christa M***** (307), daß sie (lediglich) annehme, Dr. B***** habe sich eine Kopie hergestellt und an Hand dieser die Honorareingänge überprüft; sowie der beiden Angeklagten, sie hätten die Zahlungseingänge dann nicht mehr überprüft. Die Mängelrüge bekämpft mit diesen Einwänden nur unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes. Dies geschieht auch mit dem Hinweis, daß der Überbezug der Angeklagten, verteilt auf vierzehn Jahre, nur ein Jahreszusatzeinkommen von 42.000 S abzüglich der Umsatz- und Einkommensteuer ergeben habe.

Ebenfalls dem Standard bloßer Anfechtung der Beweiswürdigung zugeordnet werden müssen die Beschwerdeeinwände, die MFA sei (selbst) mit dem Schreiben vom 21. Mai 1981 (129) in Kenntnis gesetzt worden, daß die Abrechnung über die BVA zu erfolgen habe, sie hätte bezüglich der jeweiligen Verrechnung dort rückfragen können, sowie, dem Erstangeklagten seien unzulässige Mehrverrechnungen nicht zuzutrauen, weil er unter den gegebenen Umständen mit der Aufdeckung habe rechnen müssen.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen keine sich aus den Akten ergebenden Bedenken vorzubringen, schon gar nicht erheblicher Art. Auf die insoweit nachvollziehbar auf die Aktenlage gestützten Erwägungen der Tatrichter, wie sie zusammengefaßt im Rahmen der Erledigung der Mängelrüge wiedergegeben werden, wird - um Wiederholungen zu vermeiden - hingewiesen.

Die Rechtsrüge nach der Z 9 lit a meint ("wenn auch nur zwischen den Zeilen") Urteilshinweise zu finden, daß die Tatrichter eine bloß fahrlässige Vorgangsweise der beiden Angeklagten eingeräumt hätten. Dieser Einwand ist unzutreffend, kommt doch im angefochtenen Urteil unzweifelhaft zum Ausdruck (s insbesondere US 11, 15 ff), daß der Schöffensenat von einem Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz als auch von gewerbsmäßiger Begehung (und der diesbezüglichen Absicht) ausgegangen ist. Mit den Formulierungen in den Gründen (wie US 21) der Erstangeklagte "hat die Pflicht gehabt, sich zu vergewissern, ob die Verrechnung ordentlich durchgeführt wird", (US 16) "zumindest tragen beide Angeklagten dafür die Verantwortung, daß sie richtig handeln und nicht doppelt verrechnen" und (US 19) "die von der Zweitangeklagten dazu vorgebrachte Entschuldigung der dazwischen liegenden Zeit ist keine Entschuldigung", sind bloß Teile beweiswürdigender Erwägungen des Schöffengerichtes und von der Beschwerde aus dem Kontext gerissen dargestellt. Sie lassen - die Urteilsgründe gesamt gelesen - keineswegs die Konstatierungen zum Vorsatz zweifelhaft erscheinen.

Die Rechtsrüge, die richtigerweise bloß einen Vergleich zwischen den tatsächlich getroffenen Feststellungen und der materiell-rechtlichen Konsequenz anzustellen hat, weicht vom Urteilssachverhalt ab. Sie ist daher - ebenso aber auch durch den der Sache nach keinen Rechtsirrtum behauptenden Hinweis auf die schon in der Z 5 geltend gemachten (formellen) Begründungsmängel - nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b behauptet die Rechtsrüge, die Sicherheitsbehörden hätten erst im Rahmen der Vernehmung des Erstangeklagten vom 22. März 1995 (95 ff) von dem durch Doppelverrechnung begangenen Betrug Kenntnis erlangt, zu welchem Zeitpunkt der Erstangeklagte bereits den gesamten Schaden erstattet gehabt habe. Sie orientiert sich dabei jedoch ebensowenig an den Urteilskonstatierungen, weil das angefochtene Urteil davon ausging, daß die Schadensgutmachung teils vor und teils nach der Anzeigeerstattung erfolgte (US 23).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Helgard B*****:

Die Mängelrüge (Z 5) erblickt zum Schuldspruch II in Ansehung der "Trillo"-Untersuchungen (I a) eine Unvollständigkeit der Urteilsgründe, weil Teile der Verantwortung des Erstangeklagten (die Zweitangeklagte habe von den vorgetäuschten Untersuchungen nichts gewußt) und der Zweitangeklagten (sie habe gehört, wie der Erstangeklagte zu seiner Tochter gesagt habe, daß schon wieder neue Untersuchungen gewünscht seien, er habe es sich "dann irgendwie gemerkt" und auf einem Zettel notiert, diesen jedoch dann "irgendwo verloren") unberücksichtigt geblieben seien. Sie ist damit jedoch nicht im Recht. Denn nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO konnte die Erwähnung solcher Details der ohnehin global und ausreichend berücksichtigten Verantwortung der beiden Angeklagten unterbleiben.

Zu Unrecht moniert die Beschwerde in Ansehung der Beteiligung an der "Doppelverrechnung" (Schulspruch II in bezug auf I b) eine mangelhafte Begründung zur Höhe des verursachten Schadensbetrages. Wurde doch dieser von den Angeklagten, die sich bloß mit irrtümlicher Doppelverrechnung verantworteten, gar nicht bestritten und rückerstattet. Der Beschwerdeeinwand, der Täuschungsvorsatz der Angeklagten hätte möglicherweise erst später und nicht schon 1981 eingesetzt, wird nicht von den Einlassungen der beiden Angeklagten getragen und bedeutet abermals eine unzulässige Anfechtung der Beweiswürdigung, die durchaus einwandfrei erfolgt ist. Hat doch das Erstgericht dazu nicht nur den langen Verrechnungs- bzw Bezugszeitraum mit dementsprechend großer Auffälligkeitswahrscheinlichkeit als Indiz für den Vorsatz der Angeklagten herangezogen, sondern vielmehr auch das Verständigungsschreiben vom 21. Mai 1981 (129) und die anschließende Mitteilung des Erstangeklagten hievon an seine Gattin.

Ebenfalls zu Unrecht releviert die Beschwerde eine Aktenwidrigkeit, die sich daraus ergebe, daß das angefochtene Urteil (US 15) auch den für die Zeit ab 1981 nicht mehr geltenden Satz enthalte, daß die Verantwortlichen der MFA, aber auch Dr. B***** und seine Gattin wußten, daß die Zusatzuntersuchungen "ausschließlich von der M***** bezahlt werden mußten". Sie bemerkt dabei jedoch selbst zutreffend, daß sich aus den übrigen Feststellungen eindeutig ergibt, daß nach dem Jahr 1981 die Zusatzuntersuchungen von der BVA zu honorieren waren, ganz abgesehen davon, daß die Beschwerde damit das Wesen der Aktenwidrigkeit mißversteht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bekämpft den Schuldspruch II in Ansehung der "Trillo"-Untersuchungen (I a) mit dem Einwand, daß sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für eine Kenntnis der Zweitangeklagten davon ergäben, daß nicht alle verrechneten Untersuchungen durchgeführt worden seien. Sie macht auf diese Weise jedoch keine fehlerhafte rechtliche Beurteilung oder einen darauf zurückzuführenden Feststellungsmangel geltend, sondern weicht prozeßordnungswidrig solcherart von den gegenteiligen Feststellungen der Tatrichter ab.

Bezüglich der Beitragstäterschaft der Zweitangeklagten zum Schuldspruch II in Ansehung der "Doppelverrechnung" (I b) bestreitet die Rechtsrüge, daß die MFA durch die auch dieser gegenüber erfolgten Verrechnung getäuscht wurde. Sie steht damit ebenfalls im Widerspruch zu den konträren Feststellungen der Tatrichter.

Schließlich orientiert sich die Rechtsrüge aber auch nicht am Urteilssachverhalt, wenn sie - unter ausdrücklichem Hinweis auf die gegenteiligen Feststellungen - meint, daß die Zweitangeklagte nicht wußte, daß die BVA die Zusatzuntersuchungen zu honorieren hatte und dieselben Leistungen zweimal, nämlich einmal der MFA und einmal der BVA, verrechnet wurden.

Die Rechtsrüge entspricht somit zur Gänze nicht der prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Die teils unbegründeten, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführten Nichtigeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren folglich bereits in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 285 d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen.

Ebenfalls zurückzuweisen war die Schuldberufung des Angeklagten Dr. Helmut B*****, weil ein solches Rechtsmittel gegen das Urteil eines Kollegialgerichtes nicht zulässig ist (s § 283 Abs 1 StPO).

Über die Berufungen wegen des Ausspruches über die Strafe wird das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

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