OGH 15Os36/96(156Os37/96)

OGH15Os36/96(156Os37/96)11.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rauer als Schriftführerin, in der Medienrechtssache des Antragstellers Rainer G***** gegen die Antragsgegnerin K***** GesmbH & Co KG wegen § 7 a MedienG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. September 1994, GZ 9 d E Vr 13.700/93-14, und des Oberlandesgerichtes Wien vom 25. April 1995, AZ 18 Bs 7/95, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Antragstellers, seines Vertreters Mag. Machold, und des Vertreters der Antragsgegnerin Dr. Fiebinger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. September 1994, GZ 9 d E Vr 13700/93-14, und des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. April 1995, AZ 18 Bs 7/95 (ON 28), verletzen durch die Ablehnung des Anspruchs des Antragstellers Inspektor Rainer G***** auf Entschädigung gemäß § 7 a Abs 1 Z 1 MedienG das Gesetz in der genannten Bestimmung.

Text

Gründe:

I. In der Medienrechtssache des Antragstellers Rainer G***** gegen die Antragsgegnerin K***** GesmbH & Co KG wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. September 1994, GZ 9 d E Vr 13700/93-14, der Antrag des Rainer G***** auf Zuerkennung einer Entschädigung gemäß § 7 a MedienG abgewiesen. Dem Antrag lag ein in der N***** vom 6. Juli 1993 unter der Überschrift "Polizist angeschossen" erschienener Artikel zugrunde, in welchem der Name des Antragstellers als Opfer einer gerichtlich strafbaren Handlung veröffentlicht worden war. Nach den Urteilsfeststellungen wurde in diesem Artikel über die Festnahme eines lang gesuchten Kokaindealers aus Nigerien dem Leser bekanntgegeben, daß der flüchtende Suchtgifthändler, der von Inspektor Rainer G***** eingeholt worden war, gegen die Festnahme Widerstand leistete, wobei bei dieser Rangelei mit dem Beamten ein Schuß fiel, durch den der Dealer und der Polizist verletzt wurden. Wegen dieses Vorfalls wurde der nigerianische Suchtgifthändler Edward A***** später des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Ein Entschädigungsanspruch des namentlich genannten Tatopfers wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien, obgleich ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe der Identität im Sinn des § 7 a Abs 1 MedienG ebenso wie das Vorliegen eines Ausschlußgrundes nach dem dritten Absatz dieser Gesetzesbestimmung verneint wurde, mangels Verletzung schutzwürdiger Interessen des Antragstellers abgelehnt.

Der gegen dieses abweisende Urteil erhobenen Berufung des Rainer G***** gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 25. April 1995, AZ 18 Bs 7/95 (= ON 28 des Vr-Aktes), nicht Folge. Auch das Berufungsgericht war der Ansicht, daß durch die Namensnennung schutzwürdige Interessen des Opfers weder in Form eines Eingriffes in den höchstpersönlichen Lebensbereich oder seiner Bloßstellung noch in Form der Gefahr für Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit oder sein berufliches Fortkommen verletzt worden seien.

Rechtliche Beurteilung

II. Der von beiden Gerichten eingenommene Rechtsstandpunkt findet - wie der Generalprokurator in der von ihm zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - im Gesetz nicht Deckung.

Gemäß § 7 a Abs 1 Z 1 MedienG steht dem Opfer einer gerichtlich strafbaren Handlung, dessen Name in einem Medium veröffentlicht wurde, grundsätzlich (von vorliegend nicht in Frage kommenden Ausnahmen abgesehen) ein Entschädigungsanspruch zu, wenn hiedurch schutzwürdige Interessen dieser Person verletzt wurden. In bezug auf den höchstpersönlichen Lebensbereich wie auch im Fall der mit der Veröffentlichung verbundenen Bloßstellung des Opfers ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 7 a Abs 2 Z 1 MedienG) bereits jede abstrakte Gefährdung anspruchsbegründend; hinsichtlich der (sonstigen) schutzwürdigen Interessen, die im Gesetz nicht beschrieben werden und deren Vorliegen demzufolge fallbezogen zu prüfen ist, bedarf es als Anspruchsvoraussetzung der konkreten Gefahr der Verletzung (Hager-Walenta, Persönlichkeitsschutz3, 49).

Zu den jedermann zustehenden Persönlichkeitsrechten zählt das auch aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Privatsphäre ableitbare Recht auf Namensanonymität, das darin besteht, daß der Name von Dritten nicht in Zusammenhängen erwähnt werden darf, zu deren Erwähnung der Namensträger keinen sachlichen Anlaß gegeben hat (vgl Aicher in Rummel, ABGB, Rz 23 zu § 16, Rz 12 zu § 43; Raschauer, Namensrecht, 296 f). Schon unter diesem Gesichtspunkt ist in bezug auf die Preisgabe der Identität einer Person in einem Medium die Anwendung eines strengen Maßstabes angebracht; dies gilt umsomehr, wenn im Hinblick auf die berufliche Funktion des Betroffenen (oder aus anderen wichtigen Gründen) die Geheimhaltung der privaten Lebensverhältnisse besonders geboten erscheint. Unbestreitbar ist, daß ein Außendienst verrichtender Angehöriger einer sicherheitsbehördlichen Einsatzgruppe bei Preisgabe seiner Identität einer im Vergleich zu anderen Personen exzeptionelleren Gefahrenlage ausgesetzt ist. Besteht doch das keineswegs fernliegende Risiko von Racheakten des von ihm beamtshandelten Rechtsbrechers, seiner Angehörigen oder seiner Komplizen, das sich insbesondere in jenem Milieu schwarzafrikanischer Drogenkriminalität verdichtet, welches nach der Aussage des Zeugen C***** - auf die sich die beiden angefochtenen Urteile ausdrücklich (als glaubwürdige Beweisgrundlage) beziehen (81, 227) - durch besondere Gewaltbereitschaft hervortritt (47). Darüber hinaus muß der Antragsteller nach forensischer Erfahrung auch gewärtigen, zum Ziel vielfacher, rational bisweilen nicht erklärbarer Belästigungen durch andere, zur Exekutive in einem Spannungsverhältnis stehende Personen zu werden. Durch die im vorliegenden Fall durch kein Informationsinteresse der Öffentlichkeit oder einen anderen gleichwertigen Grund gedeckte, allein der Befriedigung der Neugier dienende Namensnennung wurde das fundamentale Recht des Inspektors Rainer G***** auf Namensanonymität mißachtet und solcherart ein schutzwürdiges Interesse des Genannten verletzt.

Den im Urteil erster Instanz angestellten Überlegungen, wonach es dem organisierten Verbrechertum möglich sei, die Identität eines bestimmten Polizeibeamten auch ohne Namensnennung in einem Presseprodukt auszuforschen, ist der Hinweis auf die Möglichkeit der sofortigen Ausforschung des Wohnsitzes einer namentlich bekannten Person auf Grund des § 18 MeldeG entgegenzusetzen, die ohne Identitätsnachweis des Anfragers und ohne Bescheinigung eines rechtlichen Interesses erfolgen kann (Czeppan/Szirba, Melderecht, 141; Keplinger, MeldeG, 68) und damit einen ungesäumten Angriff auf einen Polizeibeamten auch außerhalb seiner Dienstverrichtung - in welchem Bereich eher wirksame Schutzvorkehrungen getroffen werden könnten - ermöglicht.

Aus den angeführten Erwägungen war die vom Generalprokurator aufgezeigte Gesetzesverletzung festzustellen. Konkrete Wirkung zuzuerkennen scheitert am Verschlimmerungsverbot gegenüber der - Rechte eines Beschuldigten genießenden (§ 14 Abs 3 MedienG) - Antragsgegnerin (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 292 E 185).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte