OGH 15Os40/96

OGH15Os40/9628.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.März 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Petschnigg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ewald O***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28.November 1995, GZ 10 Vr 2271/95-32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Ewald O***** wurde der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (I.1.), der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (I.2.) und der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 15 StGB (II.1. und 2.) sowie der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II.3.), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (III.) und des Diebstahls nach § 127 StGB (IV.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Ilz (Steiermark)

I. Sonja H*****

1. am 23.Juni 1995 außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie an den Haaren packte, vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer zerrte, die Schlafzimmertür zusperrte und äußerte, er werde Gewalt anwenden, wenn sie den Geschlechtsverkehr nicht freiwillig wolle, sie an den Oberarmen packte und auf das Bett warf, ihr Schläge versetzte, sie mit beiden Händen niederhielt, sich auf sie legte und den Beischlaf vollzog, sie sodann auf den Bauch drehte und einen Analverkehr an ihr vornahm;

2. am 18.August 1992 mit schwerer, gegen sie gerichteter Gewalt und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht, indem er äußerte, er müsse das mit Gewalt tun, wenn sie nicht freiwillig mit ihm schlafen wolle, wobei er mit seiner rechten Faust eine Drohgebärde machte, sodann aus der Küche ein Messer mit ca 30 cm Klingenlänge holte, dieses in der rechten Hand hielt und ihr die Klinge an die linke Halsseite ansetzte, dabei drohte, zuerst sie und dann sich selbst umzubringen, wobei es lediglich wegen des Verhaltens der Sonja H***** nicht zur Vollendung der Tat kam;

II. Sonja H***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung teils mit dem Tod zu Handlungen und Unterlassungen genötigt bzw zu nötigen getrachtet, indem er

1. zu nicht näher bekannten Zeitpunkten zwischen Mai 1995 und 21.Juni 1995 wiederholt drohte, er werde sie bzw sich selbst umbringen, wenn sie ihn aus der Wohnung werfe und die Lebensgemeinschaft mit ihm nicht wieder aufnehme, dabei teilweise ein Messer in der Hand hielt, zur Abstandnahme seiner Verweisung aus ihrer Wohnung und zur Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft mit ihm, wobei es bezüglich der angestrebten Lebens- gemeinschaft mangels erfolgreicher Willensbeugung der Sonja H***** lediglich beim Versuch blieb,

2. sie am 23.Juni 1995 ca eine Stunde lang im Badezimmer gefangen hielt, sie dabei mit beiden Händen gegen die Mauer drückte und sie würgte, indem er seinen rechten Unterarm gegen ihren Hals preßte, ihr Ohrfeigen versetzte und drohte, er werde sich, sie und ihren fünfjährigen Sohn Roman umbringen, wenn sie bei der Verhandlung aussage, zur Unterlassung ihrer Zeugenaussage vor Gericht in der Hauptverhandlung in einem - auf Grund ihrer Anzeige vom 21.Juni 1995 gegen ihn wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB eingeleiteten - Verfahren, wobei es mangels gelungener Willensbeugung der Bedrohten nur beim Versuch blieb,

3. sie am 18.August 1995 festhielt, ihr die Gegenstände wegnahm, mit denen sie an die Wand klopfte, um die Nachbarin aufzuwecken, welche die Gendarmerie verständigen sollte, ihr schließlich die Wohnungsschlüssel entriß, zur Unterlassung, Hilfe herbeizuholen und die Gendarmerie zu verständigen, wobei es mangels gelungener Willensbeugung der Bedrohten nur beim Versuch blieb;

III. zwischen 23. und 26.Juni 1995 Sonja H***** und deren fünfjährigen Sohn Roman dadurch widerrechtlich gefangen gehalten, daß er sie drei Tage lang in ihrer eigenen Wohnung einsperrte, indem er die Türe von innen versperrte, den Schlüssel versteckte und trotz mehrmaligem Ersuchen nicht aufsperrte;

IV. am 9.August 1995 in Bad Gleichenberg eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Damenhandtasche mit Inhalt im Wert von insgesamt 2.000 S, der Karin S***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch laut Punkt II.1. des Urteilssatzes mit einer allein auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, während er die gegen die Schuldsprüche laut Punkt I.1. und I.2., II.2. und III. des Urteilssatzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nur auf § 281 Abs 1 Z 5 a StPO gründet; die in den Punkten II.3. und IV. des Urteilssatzes umschriebenen Schuldsprüche läßt er hingegen unangefochten.

Der Vorwurf in der Mängelrüge (Z 5), die (hier zusammengefaßt wiedergegebene) Begründung (US 8 unten bis 9 oben), wonach der Angeklagte am 19.Juni 1995 die Lebensgemeinschaft mit Sonja H***** wiederaufnehmen wollte, aber von ihr wiederholt erfolglos aufgefordert worden sei, ihre Wohnung zu verlassen, was lediglich bewirkt habe, daß der Angeklagte im Glauben, durch Ausübung von Druck auf Sonja H***** die Beziehung retten zu können, immer wieder ausgerastet sei und die Frau wiederholt damit bedroht habe, er werde sie bzw sich selbst umbringen, wenn sie ihn aus der Wohnung weise, stehe in unlösbarem Widerspruch zum Urteilsspruch (II.1.), demzufolge der Angeklagte zu nicht näher bekannten Zeitpunkten zwischen Mai 1995 und 21.Juni 1995 die Zeugin bedroht habe, wobei er teilweise ein Messer in der Hand hielt, geht fehl.

Soweit sie nämlich auf eine vorgebliche Divergenz in der Tatzeit abzustellen scheint, übersieht sie die weitere Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte die Zeugin H***** auch vor seiner Rückkehr nach Ilz in Telephonaten mit dem Umbringen bedrohte (US 8 - allerdings unsystematisch vor den Konstatierungen "zur Sache" eingereiht).

Im übrigen berührt die Mängelrüge keinen für die Schuld oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidenden Umstand.

Die Beschwerdeargumentation läßt nämlich unberücksichtigt, daß das Schöffengericht vorliegend die verbrechensqualifizierende Nötigung des Angeklagten durch Drohung mit dem Tod im Sinne des § 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB in der wiederholten und ernstgemeinten Bedrohung der Sonja H***** mit dem Umbringen erblickt, falls sie ihn aus der Wohnung weise und die Lebensgemeinschaft mit ihm nicht wieder aufnehme (vgl US 4 dritter Absatz, 8 dritter Absatz, 9 erster Absatz, 22 zweiter Absatz). Daß er - nach der für glaubwürdig beurteilten Aussage des Opfers (US 17 f iVm S 10 und 14 des Aktes ON 11) - dabei auch gelegentlich (teilweise, somit keineswegs immer) ein Messer in der Hand hielt, vermochte bei Sonja H***** gewiß den Eindruck von der ernstzunehmenden Absicht der Verwirklichung des angedrohten Übels durch den Angeklagten zu verstärken, aber isoliert betrachtet - wie es der Nichtigkeitswerber prozeßordnungswidrig tut - war diese Drohgebärde nach den Urteilsfeststellungen nicht ausschlaggebend.

Der behauptete Widerspruch in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO haftet daher dem bekämpften Schuldspruch nicht an.

In der Tatsachenrüge (Z 5 a) weist der Nichtigkeitswerber auf einige (für ihn) "logisch nicht nachvollziehbare" Feststellungspassagen und (vermeintliche) "unlösbare Widersprüche" hin (so etwa: auf der einen Seite billige das Gericht der Zeugin H***** zu, vor dem Angeklagten Angst gehabt zu haben, andererseits habe sie offensichtlich keine Angst gehabt, weil sie trotz Bedrohung und Mißhandlung ihre Absicht, bei Gericht auszusagen, aufrecht erhalten habe; einerseits sei sie trotz nachweislicher Abwesenheit des Angeklagten aus lauter Angst nicht aus der Wohnung geflohen, habe dann aber in seiner Abwesenheit tatsächlich die Flucht ergriffen; der Angeklagte habe die Wohnungstür von innen abgeschlossen und die Fenster geschlossen, damit H***** weder die Wohnung verlassen noch Hilfe herbeirufen könne), bezeichnet einzelne aus dem Zusammenhang herausgerissene und von ihm selektiv gewürdigte Teile der gerichtlichen Aussage der Zeugin H*****, der er insgesamt unlautere Motive unterstellt, einmal (vgl 271, vierter Absatz) als eine "wohl mehr als fadenscheinige Ausrede", ein anderes Mal (267, dritter Absatz) als "zumindest fragwürdige Rechtfertigung", hebt des weiteren besonders die Aussage des Zeugen Wilhelm Sch***** hervor, wonach anläßlich seines Besuches in der tatgegenständlichen Wohnung (ersichtlich zwischen 23. und 26.Juni 1995) zwischen H***** und O***** nichts vorgefallen sei, und resümiert schließlich in Verbindung mit der Zeugenaussage des Gendarmeriebeamten Hans-Peter G***** (253 ff), die "Verantwortung" der Zeugin H***** sei so "dubios", daß daraus kein Schuldtatbestand abgeleitet werden könne, weshalb der Angeklagte bei richtiger Würdigung dieser aufgezeigten Umstände im Zweifel von den bekämpften Fakten freigesprochen hätte werden müssen.

Indes werden solcherart keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufgezeigt. Der Beschwerdeführer vermag auch nicht auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Tatsachenfeststellung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen. Der Nichtigkeitsgrund der Z 5 a gestattet nämlich nicht die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung - in deren Rahmen der Zweifelsgrundsatz von Relevanz sein könnte (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 258 E 42) - nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung. Insbesondere kann der zur Darlegung erheblicher Zweifel am Gelingen der Wahrheitsfindung gebotene Vergleich aktenkundiger Umstände mit entscheidenden Feststellungen nicht durch die Behauptung ersetzt werden, eine vom Erstgericht als glaubhaft angesehene Zeugenaussage sei zufolge innerer Unwahrscheinlichkeit der Sachverhalts- schilderung unglaubwürdig, zumal der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen auf Grund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung nach Z 5 a entzogen ist (vgl Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 a E 2 ff).

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes, der die gesamte Aktenlage unter besonderer Berücksichtigung der Beschwerdeargumente prüfte, hat das Schöffengericht - der Beschwerde zuwider - die maßgeblichen Beweisergebnisse nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem Zusammenhang ausführlich und kritisch gewürdigt (vgl § 258 Abs 2 StPO) und ist unter Verwertung des gewonnenen persönlichen Eindrucks plausibel zur Ansicht gelangt, daß die belastende Aussage der zwar nicht übermäßig intelligenten, aber in den entscheidenden Punkten dennoch glaubwürdigen Zeugin Sonja H***** (vgl US 17 f) richtig und überzeugend ist, weil sie auch mit dem vor der Gendarmerie abgelehnten Geständnis des Angeklagten (mit Ausnahme einiger Tatzeiten) übereinstimmte (US 16 ff).

Sonach war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandes- gerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 285 i StPO).

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