OGH 2Ob2017/96y

OGH2Ob2017/96y28.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas T*****, vertreten durch Dr.Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Hans Widerin, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen Feststellung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 28.November 1995, GZ 1 R 536/95-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 1.August 1995, GZ 1 C 161/95x-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Außer Streit steht, daß der Kläger als Lenker und Halter des PKWs Kennzeichen BZ ***** bei dem am 12.4.1993 erfolgten Verkehrsunfall auf der Arlbergschnellstraße S 16 in Bludenz/Außerbraz beim Straßenkilometer 50,080 mit dem von Roland E***** gelenkten, bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Kennzeichen BZ ***** kollidierte, daß das Alleinverschulden den Roland E***** trifft und unfallsbedingte Dauer- und Spätfolgen beim Kläger nicht ausgeschlossen werden können.

Über Aufforderung des Rechtsvertreters des Klägers, die Ansprüche des Klägers aus diesem Verkehrsunfall zu liquidieren und eine Haftungserklärung für künftige unfallsbedingte Folgen abzugeben, erklärte die beklagte Partei mit Schreiben vom 24.5.1994 (Beilage C) ua:

"Da ein Feststellungsbegehren berechtigt ist, geben wir gegenüber Ihrem Mandanten, Herrn Thomas T*****, die Erklärung ab, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme für künftige unfallsbedingte Schäden zu haften und den Einwand der Verjährung nicht zu erheben. Diese Erklärung wird mit der Wirkung eines Feststellungsurteiles abgegeben. Es erübrigt sich somit die Einbringung einer Feststellungsklage."

Mit Schreiben vom 20.12.1994 forderte der Rechtsvertreter des Klägers

"Die ... beklagte Partei ... erklärt hiemit ihre - begrenzt mit dem

Zulangen der Versicherungssumme aus dem

Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag für das Fahrzeug mit dem

Kennzeichen BZ ***** ihres Versicherungsnehmers Roland E***** - volle

Haftpflicht für alle künftigen Schäden des Geschädigten ... (Kläger)

... aus dem Verkehrsunfall vom 12.4.1993 ... anzuerkennen. Durch

dieses Anerkenntnis ist in gleicher Weise wie durch ein Feststellungsurteil die Verjährung künftiger Ansprüche von Thomas T***** unterbrochen, sodaß sich demgemäß eine Feststellungsklage erübrigt."

Mit der Behauptung, die beklagte Partei habe eine solche Erklärung nicht abgegeben, ihre Erklärung vom 24.5.1994 sei aber unzureichend, erhob der Kläger die vorliegende Feststellungsklage.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil sie mit ihrer Erklärung vom 24.5.1994 ihre Haftung für künftige Unfallsfolgen ausdrücklich anerkannt habe, sodaß dem Feststellungsbegehren des Klägers das rechtliche Interesse fehle.

Die Vorinstanzen erkannten im klagsabweislichen Sinn. Unter Darstellung der in der Entscheidung ZVR 1993/10 (7 Ob 588/91 vom 4.9.1991) zitierten Judikatur und Lehre befanden sie, daß die - dem Vertreter des Klägers auf sein Verlangen abgegebene - Erklärung der beklagten Partei vom 24.5.1994 ein konstitutives Anerkenntnis mit den Rechtswirkungen eines Feststellungsurteiles darstelle, sodaß für die Feststellungsklage kein rechtliches (Rechtsschutz-)Interesse bestehe.

Die zweite Instanz sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil mit der Entscheidung 2 Ob 4/94 (vom 24.11.1994, in welcher die Erklärung eines - im Auftrag des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs den Schadensfall bearbeitenden - Haftpflichtversicherers, "mit der Wirkung eines Feststellungsurteiles hinsichtlich weiterer unfallskausaler Folgen auf die Einrede der Verjährung zu verzichten", noch nicht als konstitutives Anerkenntnis beurteilt wurde) eine Judikaturdivergenz (zu ZVR 1993/10) über die Voraussetzungen für die Annahme eines konstitutiven Anerkenntnisses vorliege.

Die Revision des Klägers ist indessen entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

Sowohl in der Entscheidung ZVR 1993/10, als auch in der Entscheidung des erkennenden Senates 2 Ob 4/94, in welcher ausdrücklich die Abweichung vom Sachverhalt (Text und Inhalt der Haftungserklärung) der Entscheidung ZVR 1993/10 hervorgehoben wurde, wurden die in Judikatur und Lehre an ein, eine Feststellungsklage "ersetzendes" konstitutives Anerkenntnis (eines Haftpflichtversicherers des für die Unfallsfolgen allein haftenden Versicherten) gestellten Voraussetzungen übereinstimmend (in den wesentlichen Punkten gleichlautend) dargestellt, sodaß im Grundsatz von unterschiedlichen Rechtsauffassungen dieser beiden Senate in der behandelten Frage keine Rede sein kann. Gerade die im Sachverhalt der Entscheidung 2 Ob 4/94 hervorgehobenen Abweichungen zu jenem der Entscheidung ZVR 1993/10 haben zur "unterschiedlichen" Beurteilung der Haftungserklärungen geführt, ohne daß bei der konkreten Beurteilung von den zugrundegelegten Rechtsgrundsätzen abgewichen wurde.

Wie das Gericht zweiter Instanz ohnedies zutreffend hervorhebt, liegt auch im vorliegenden Fall eine inhaltlich andere Erklärung des Haftpflichtversicherers vor, als im Fall der Entscheidung 2 Ob 4/94. Auch diese Erklärung war daher aufgrund der in den Entscheidungen ZVR 1993/10 und 2 Ob 4/94 übereinstimmend dargelegten Rechtsgrundsätze darauf zu prüfen, ob sie als konstitutives Anerkenntnis mit den Wirkungen einer Feststellungsklage zu beurteilen ist.

Im vorliegenden Fall hat dabei die Vorinstanz (in Übereinstimmung mit

der ersten Instanz) die in der Entscheidung ausführlich dargelegten

Rechtsprechungsgrundsätze, gegen die in der Revision auch keine

Gegenmeinungen oder relevanten Argumente ins Treffen geführt werden,

beachtet und ein Ergebnis erzielt, das einer vertretbaren Anwendung

dieser Grundsätze entspricht. Der Kläger darf im vorliegenden Fall

nämlich nicht übersehen, daß sein Rechtsvertreter die beklagte

Haftpflichtversicherung des schuldtragenden und allein haftenden

Unfallsgegners zur Abgabe einer Haftungserklärung für die künftigen

Unfallsfolgen aufforderte und mit der - eingangs dargestellten -

Erklärung vom 24.5.1994 eine im Sinn der Entscheidung ZVR 1993/10

einer Feststellungsklage gleichwertige Haftungserklärung erhielt, die

ungeachtet des Umstandes, daß in ihr die Worte "Anerkenntnis" oder

"wir anerkennen..." nicht vorkommen, bei Beachtung der dargestellten

Rechtsgrundsätze als vollständiges konstitutives Anerkenntnis beurteilt wurde. Schon in der Einleitung heißt es dort nämlich, "Da ein Feststellungsbegehren berechtigt ist ...", ferner wird eine unbedingte Haftungserklärung erstattet, dieser wird die Wirkung eines Feststellungsurteiles beigelegt und damit abgeschlossen, "daß sich somit die Einbringung einer Feststellungsklage erübrigt". Zweifel an der anerkennenden Verpflichtungserklärung konnten daher nicht mehr bestehen. Es schadet auch nicht, daß im Text dieser Erklärung nicht auf die Verjährungsunterbrechungswirkung hingewiesen wird, weil diese eine Rechtsfolge des konstitutiven Anerkenntnisses ist.

Die im konkreten Einzelfall vorgenommene Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Erklärung der beklagten Partei vom 24.5.1994 als konstitutives Anerkenntnis, das einer Feststellungsklage das rechtliche Interesse nimmt, begegnet sohin keinen Bedenken. Diese Erwägungen führen zur Zurückweisung der Revision des Klägers.

Die beklagte Partei hat gemäß §§ 50, 40 ZPO die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil sie darin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und deren Zurückweisung nicht beantragt hat.

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