OGH 2Ob2015/96d

OGH2Ob2015/96d28.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 22.März 1985 geborenen Richard J***** K*****, infolge außerordentlichen Rekurses des Vaters Dr.Robert K*****, ***** Niederlande, vertreten durch Dr.Helene Klaar, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 20. Dezember 1995, GZ 43 R 849/95-121, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 6.September 1995, GZ 1 P 164/94-118, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17.3.1993 betrug die Unterhaltsverpflichtung des Vaters zuletzt monatlich 5.900 S.

Am 23.2.1995 stellte der Sachwalter des Minderjährigen den Antrag, diese Verpflichtung ab 1.4.1995 auf monatlich 7.500 S zu erhöhen, da der Vater aufgrund seines Einkommens zu einer solchen Leistung imstande sei.

Der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus und beantragte seinerseits, den Unterhalt auf monatlich 4.400 S herabzusetzen. Er begründete dies damit, daß er ab November 1993 an die Mutter des Kindes einen Unterhalt von hfl 3.500 (das seien ca 21.000 S) zu bezahlen habe; dieser Betrag belaufe sich infolge Wertsicherung heuer auf hfl 3.641,30 (S 21.847,80). Der Unterhaltszuspruch in dieser Höhe beruhe darauf, daß seine Frau nach holländischem Recht aus dem Unterhalt Steuer bezahlen müsse und auch zum Geldunterhalt für den Sohn verpflichtet wäre. In Holland wäre der Unterhaltsschuldner neben dem hohen Ehegattenunterhalt nur mehr durch einen ganz geringfügigen Kindesunterhalt belastet.

Das Erstgericht erhöhte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1.4.1995 auf S 7.500 und wies den Antrag des Vaters, seine monatliche Unterhaltsleistung ab 27.3.1995 auf 4.400 S herabzusetzen, ab.

Das Erstgericht stellte dabei fest, daß sich der Minderjährige in Pflege und Erziehung seiner Mutter befinde und einkommenslos sei. Der Unterhaltsschuldner verfüge über ein anrechenbares monatliches Nettoeinkommen von rund S 58.120. Außer für den Minderjährigen habe der Vater noch für seine geschiedene Gattin, die Kindesmutter, gesetzlich zu sorgen.

Das vom Vater angerufene Rekursgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahingehend ab, daß die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1.4.1995 mit 6.500 S festgesetzt und das monatliche Mehrbegehren von S 1.800 (richtig offenbar S 1.000) abgewiesen wurde. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde nicht zugelassen.

Das Rekursgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners eine Unterhaltsleistung von 6.500 S monatlich angemessen sei. Mit diesem Betrag nehme der Minderjährige angemessen an den gehobenen Lebensverhältnissen seines Vaters teil.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der von ihm zu leistende Unterhalt auf den Betrag von monatlich 4.400 S herabgesetzt werde.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - sich die Vorinstanzen mit einem wesentlichen Einwand des Vaters nicht auseinandergesetzt haben, er ist im Sinne seines im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Vater machte in seinem Rechtsmittel geltend, die Vorinstanzen hätten nicht bedacht, daß nach holländischem Recht die Frau, bei welcher das Kind lebt, aus diesem Umstand auch finanzielle Bedürfnisse des Kindes zu bestreiten habe. Aus diesem Grunde sei vom holländischen Gericht seine Unterhaltspflicht mit umgerechnet S21.800 festgelegt worden. Nach holländischem Recht wäre er nur zu ganz geringfügigen ergänzenden Geldleistung an seinen Sohn verpflichtet gewesen. Das österreichische Rechtssystem basiere aber darauf, daß der obsorgeberechtigte Elternteil seine Unterhaltsleistung durch die Betreuung des Kindes im Haushalt erbringe, der andere Elternteil durch eine Geldleistung, wobei allerdings diese Geldleistung bei der Bemessung des Ehegattenunterhaltes zu berücksichtigen sei.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 140 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes anteilig beizutragen. Bei der Unterhaltsbemessung sind die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten und auch die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Einen Anhaltspunkt dafür, nach welchen Kriterien der Beitrag der Eltern zu ermitteln ist, gibt das Gesetz durch Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern (EvBl 1995/129 = ÖA 1995, 67). Bei der Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit kommt aber auch der Frage Bedeutung zu, ob der Vater auch mit einer Unterhaltspflicht für die geschiedene Ehefrau belastet ist (3 Ob 573/91 zum Teil veröffentlicht in EFSlg 64.957 und 64.973).

Grundsätzlich sind zwar titulierte Unterhaltsverpflichtungen zugunsten Dritter, am Bemessungsverfahren nicht beteiligter Personen nicht linear von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, sondern durch eine Senkung des Prozentsatzes zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn der Unterhalt des Dritten (geschiedener Ehegatte) betragsmäßig bestimmt ist (EFSlg 68.348 ua). Anders ist es aber, wenn die Behauptungen des Vaters richtig sind, daß ein Teil des der Mutter aufgrund der Entscheidung des Amsterdamer Gerichtshofes zugesprochenen Unterhalts auch dazu bestimmt ist, die finanziellen Bedürfnisse des Kindes zu bestreiten. Nach österreichischem Recht gilt nämlich die Haushaltsführung und Betreuung des Kindes als volle Unterhaltsleistung (Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbe- messung Rz 22), so daß eine darüber hinausgehende finanzielle Unterhaltspflicht nicht besteht. Wenn nun die Mutter (nach holländischem Recht) dazu verpflichtet ist, einen Teil der finanziellen Bedürfnisse des Kindes aus dem ihr vom Vater zu leistenden Unterhalt zu bestreiten und dieser an die Mutter aufgrund des Umstandes, daß das Kind mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebt, mehr (teilweise für das Kind bestimmten) Unterhalt zu leisten hat, dann kann dieser Umstand bei Bemessung der Unterhaltspflicht des Vaters nicht außer Betracht bleiben, weil es sonst zu einer Doppelbelastung des Vaters bzw zu einer doppelten finanziellen Alimentierung des Kindes käme.

Dadurch, daß die Vorinstanzen diese Behauptungen des Vaters nicht beachtet und geprüft haben, ist das Verfahren mangelhaft geblieben und waren daher die Entscheidung des Rekursgerichtes und auch jene des Erstgerichtes aufzuheben und letzterem eine Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Erstgericht mit dem oben wiedergegebenen Einwand (Unterhaltspflicht für die Mutter nach holländischem Recht) des Vaters auseinanderzusetzen haben.

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