OGH 10ObS2006/96i

OGH10ObS2006/96i26.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Danzl als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Wolfgang Adametz und Dr.Manfred Lang (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter K*****, vertreten durch Dr.Kurt Klein, Rechtsanwalt in Graz, als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.Dezember 1995, GZ 8 Rs 99/95-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19.April 1995, GZ 31 Cgs 170/94w-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat den bereits in der Berufung geltend gemachten Mangel des Verfahrens erster Instanz betreffend die Nichtbeiziehung auch eines Sachverständigen für Lungenheilkunde mit ausführlicher Begründung verneint, sodaß nach ständiger Rechtsprechung - auch im Verfahren nach dem ASGG (RZ 1989/16) - diese Mängelrüge in der Revision nicht mehr mit Erfolg wiederholt werden kann (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 503; SSV-NF 7/74, 8 ObA 296/95, 10 ObS 216/95 uva). Die zusätzlich und damit neu behauptete Mangelhaftigkeit wegen unterlassener Prozeßleitung durch den Erstrichter zur Stellung eines derartigen Beweisantrages kann deshalb nicht mehr als Revisionsgrund geltend gemacht werden, weil dieser Verfahrensmangel erster Instanz in der Berufung nicht geltend gemacht worden ist (Kodek, aaO).

2. Die Rechtsrüge geht weitgehend nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und wird damit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Soweit an mehreren Stellen zum Leistungskalkül und zur Verweisbarkeit des Klägers darauf verwiesen wird, daß dieser bereits 55 Jahre alt sei, ist darauf zu verweisen, daß der Genannte am 20.1.1951 geboren ist (unbekämpfte Feststellungen der Vorinstanzen iVm dem eigenen Vermögensbekenntnis des Klägers ON 11) und er damit derzeit erst im 46.Lebensjahr steht.

Soweit unter Hinweis auf die Entscheidung SSV-NF "1990/81" (richtig: 4/81) behauptet wird, daß beide Vorinstanzen dem Kläger bei einem gegenüber dem dortigen Pensionswerber deutlich schlechteren Leistungskalkül die Erwerbsunfähigkeitspension zu Unrecht nicht zuerkannt hätten, wird übersehen, daß es sich beim dortigen Kläger um einen zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung bereits 58-jährigen Eisen- und Gemischtwaren- sowie Brennstoffhändler handelte, dem die damit verbundenen Bück-, Hebe- und Steigarbeiten nicht mehr möglich waren. Auch in dieser Entscheidung wurde im übrigen ausgesprochen, daß es - für den vor der Vollendung des 55.Lebensjahres liegenden relevanten Teilzeitraum - nach § 133 Abs 1 GSVG darauf ankomme, daß auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Reihe von Berufen bestehe, für die keine Umschulung und nicht einmal eine Anlernung erforderlich ist. Dabei handelt es sich etwa um Tätigkeiten eines Portiers, Museumwächters, Aufsehers oder Büroboten, welche über leichte und mittelschwere Arbeiten nicht hinausgehen, nicht dauernde Bück- und Hebearbeiten erfordern, auch nicht in exponierten Lagen zu verrichten sind und für welche auch eine besondere Lernfähigkeit nicht erforderlich ist; erst wenn ein Versicherter auch für solche einfache Tätigkeiten, für die unter Umständen nur bestimmte Handgriffe und Handreichungen erforderlich sind, nicht (mehr) unterweisbar wäre, liegt Erwerbsunfähigkeit nach der zitierten Gesetzesstelle vor.

Im vorliegenden Fall ist nun nach den für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen der Kläger - der nach Absolvierung der Pflicht- und hernach einem Jahr Baufachschule keine qualifizierte Berufsausbildung erfahren hat und bisher als Bote, Kraft- und Staplerfahrer, Versicherungsvertreter, Verkäufer in einem Sexshop sowie zuletzt als Buchhändler für erotische und pornographische Literatur tätig war, welche Erwerbstätigkeit er nunmehr gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben kann - weiterhin in der Lage, Tätigkeiten wie beispielsweise die eines (Bürohaus)Portiers, Kontrollors in der Elektroindustrie oder Aufsehers/Wächters auszuüben; speziell das Anforderungsprofil eines Bürohausportiers wurde dabei vom Erstgericht - ausgehend vom berufskundlichen Gutachten des Sachverständigen H***** in ON 9 - in allen maßgeblichen Einzelheiten untersucht und festgestellt. Der Begriff der dauernden Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 133 Abs 1 GSVG bedeutet aber nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates die gänzliche Unfähigkeit, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Ein Versicherter muß sich daher auf jede wie immer geartete - selbständige oder unselbständige - Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt verweisen lassen (jüngst SSV-NF 8/83 sowie die bereits zitierte frühere Entscheidung SSV-NF 4/81).

Dem Kläger gebührt damit tatsächlich, da er jedenfalls den angeführten Verweisungsberufen gesundheitlich gewachsen ist, keine Erwerbsunfähigkeitspension nach § 133 Abs 1 GSVG, sodaß den Vorinstanzen in der Ablehnung des hierauf gerichteten Klagebegehrens ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen ist. Der Revision konnte daher keine Folge gegeben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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