OGH 7Ob2027/96f

OGH7Ob2027/96f13.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rupert G*****, vertreten durch Dr.Kurt Ludwig Breit, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A.F***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Ronald Rast und Dr.Christian Werner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,166.082,62 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25.August 1995, GZ 4 R 124/95-49, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17.Jänner 1995, GZ 13 Cg 15/93-45, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Teilbegehrens von S 34.000,-- samt 11,5 % Zinsen seit 24.6.1990 als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben. Die Rechtssache wird im angefochtenen Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 20.12.1989 bot die klagende Partei der beklagten Partei Bautischlerarbeiten für den Zu- und Umbau des Restaurants K***** in Wien um netto S 1,621.555,-- an. Am 2.2.1990 kam es nach Vorbesprechungen zur mündlichen Beauftragung, die die beklagte Partei mit Schreiben vom 12.2.1990, das der klagenden Partei mittels Fax am Freitag, dem 16.2.1990, übermittelt wurde, schriftlich wiederholte. Darin wurde vereinbart ein 5 %iger Nachlaß sowie 3 % Skonto bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen; Lieferung der Blindstöcke am 14.2.1990; Lieferung der kompletten Fenster spätestens Anfang

11. Woche; komplette Fertigstellung bis Ende der 13.Woche, d.i. der 30.3.1990. Daß auch ein Abzug von 1 % für allgemeine Bauschäden vereinbart worden wäre, steht nicht fest.

Die Blindstöcke wurden pünktlich geliefert. Am Freitag, dem 16.2.1990, fragte die klagende Partei bei zwei Firmen wegen des benötigten Isolierglases an und erfuhr, daß die Lieferzeit acht bis zehn Wochen betragen werde. Die klagende Partei bestellte am Dienstag, dem 20.2.1990, das Glas bei der Firma I*****, weil diese eine kürzere Lieferfrist vorgesehen hatte. Noch am selben Tag verständigte die klagende Partei mittels Fax den bauleitenden Architekten der beklagten Partei, Dipl.Ing.Z*****, davon, daß die gewünschte Glasart in ca. sechs Wochen geliefert werde. Architekt Z***** hat sich mit der Erklärung der klagenden Partei "zufriedengegeben", daß sie sich bemühen werde, die Gläser rascher zu erhalten, "das heißt, daß er von sich aus nichts für die raschere Beschaffung allenfalls einer anderen Glasart unternommen hat". Die Gläser wurden am 12.4.1990 geliefert. Noch am selben Tag wurden die Fenster eingebaut. Am 13.4.1990 wurden die restlichen von der Klägerin angefertigten Bauteile "grob montiert", nämlich mit nur einigen Befestigungselementen befestigt. Die für 14.4.1990 vorgesehene Eröffnung des Lokals zu einem Probebetrieb fand nicht statt, weil eine Reihe von Professionisten ihre Arbeiten noch nicht fertiggestellt hatte. Die Arbeiten der klagenden Partei wurden in den folgenden Tagen bis auf Mängelbehebungsarbeiten fertiggestellt. Am 1.5.1990 wurden die Gaststätten offiziell eröffnet.

Am 23.5.1990 legte die klagende Partei eine Schlußrechnung über S 1,477.484,-- ohne USt und am 2.7.1990 eine Nachtragsschlußrechnung über S 16.431,-- ohne USt. Die Schlußrechnung vom 23.5.1990 wurde vom Architekten Dipl.Ing.Z***** auf S 1,475.583,70 ohne USt korrigiert.

Den von der klagenden Partei erbrachten Arbeiten hafteten Mängel an. Diese wurden bei der Abnahme am 22.5.1990 von Arch.Dipl.Ing.Z***** in einem Abnahmeprotokoll festgehalten, das von beiden Teilen unterschrieben wurde. Die Mängel sind großteils behoben. In einem Beiblatt zur Schlußrechnung hat Dipl.Ing.Z***** für die nachstehenden, noch bestehenden Mängel Abstriche von insgesamt S 108.329,80 netto vorgenommen. Eine Vereinbarung in diesem Sinn ist nicht zustandegekommen.

Es bestehen noch folgende Mängel:

1. Farbtonunterschiede der gesamten Außen- und Innenfronten. Der Mangel wirkt optisch störend;

2. beim Schrägportal entstand durch einen Meßfehler der klagenden Partei eine optisch stark störende horizontale Unflucht der Fries- und Fensterteilung;

3. die Fenster des Heurigenlokals sind nicht mit der sonst überall verwendeten grünlich-wäßrigen hellen Lasur, sondern mit einer dunkelgrünen deckenden dicken Schichtlasur gestrichen. Dafür und für nur aufgeklebte statt echt glasteilende Fenstersprossen nahm Arch.Dipl.Ing.Z***** einen Abstrich von S 10.827,60 vor. Die Fenstersprossen sind schmäler als die ursprünglich vorgesehenen. Diese schmäleren Fenstersprossen konnten konstruktionsbedingt nur geklebt werden;

4. die Heurigeneingangstür, die von der beklagten Partei als Windfang bezeichnet wurde, ist verzogen.

Die klagende Partei begehrte S 1,166.365,42 als restliche Werklohnforderung. Sie sei bereit, von der vom Architekten der beklagten Partei korrigierten Schlußrechnungssumme von S 1,475.583,70 für geringfügige, unbehebbare Mängel einen Nachlaß von S 20.000,-- zu gewähren. Abzüglich des vereinbarten 5 %igen Rücklasses von S 87.335,02 ergebe sich nach Abzug der von der beklagten Partei geleisteten Akontozahlung der Restbetrag von S 1,146.365,42, wozu noch der Betrag aus der Nachtragsschlußrechnung vom 2.7.1990 über S 19.717,20 komme.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Werklohn infolge nicht verbesserter, behebbarer Mängel nicht fällig sei. Hinsichtlich der unbehebbaren Mängel sei ein Preisnachlaß nicht berücksichtigt worden. Es bestünden noch folgende Mängel: Der Windfang sei verzogen. Der Windfang und die Fenster seien nicht mit lasierender Farbe nach Muster lackiert worden. Die Fenster im Heurigenbereich seien nicht mit durchgehenden, sondern mit aufgeklebten Fenstersprossen hergestellt worden. Im Portalbereich sei eine andere Teilung als die bestellte angefertigt worden.

Die beklagte Partei wendete weiters eine Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes in Höhe von S 1,445.000,-- bis zur Höhe des Klagebegehrens compensando ein, die daraus resultiere, daß die klagende Partei den vereinbarten Fertigstellungstermin nicht eingehalten habe. Deshalb habe das Restaurant und der Heurige nicht zum vorgesehenen Termin eröffnet werden können, sodaß insbesondere das Ostergeschäft verlorengegangen sei. Die beklagte Partei schlüsselte die Gegenforderung wie folgt auf:

Bereits gekaufte Frischwaren S 400.000,--, frustrierte Personalkosten S 316.000,--, anteilige Miete S 100.000,-- und Gewinnentgang S 600.000,--.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit S 1,132.082,62 sA als zu Recht bestehend, die Gegenforderung von S 1,495.000,-- als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete daher die beklagte Partei zur Zahlung von S 1,132.082,62 sA. Das Mehrbegehren von S 34.000,-- sA wies das Erstgericht - rechtskräftig - ab. Es vertrat die Ansicht, daß für die Farbtonunterschiede an den gesamten Außen- und Innenfronten eine Preisminderung von 10 % der Beschichtungskosten von S 48.000,--, somit von S 4.800,-- angemessen sei, für die Unflucht beim Schrägportal eine solche von 50 % des Werklohnes von S 56.890,--, somit von S 28.445,--, und für das Streichen der Fenster im Heurigenlokal mit einer anderen als der sonst verwendeten Farbe von S 10.000,-- netto. Die Fenstersprossen seien an sich nicht mangelhaft ausgeführt worden. Wegen der verzogenen Eingangstür zum Heurigenlokal seien S 5.088,-- netto als preismindernd abzuziehen. Die angemessene Preisminderung betrage daher insgesamt S 58.000,-- brutto, wovon die klagende Partei bereits S 24.000,-- brutto in ihrer Klage berücksichtigt habe. Der insoweit verminderte Rechnungsbetrag sei somit auch fällig. Die Gegenforderung der beklagten Partei bestehe nicht zu Recht, weil der klagenden Partei der Beweis gelungen sei, daß sie am Verzug kein Verschulden treffe. Sie habe mit gutem Grund die schriftliche Bestätigung der Bestellung abgewartet, ehe sie ihrerseits die teuren Isolierglasscheiben bestellt habe, weil sie sich erst dann auf die Verbindlichkeit des Auftrages verlassen habe können. Da der Architekt auf die Mitteilung über die ca. sechswöchige Lieferfrist "praktisch nicht reagiert" habe, habe die klagende Partei sein Einverständnis zur späteren Lieferung annehmen können. Es wäre nämlich am Architekten gelegen gewesen, geeignete Schritte einzuleiten, etwa eine andere Verglasung in Auftrag zu geben oder ein Unternehmen namhaft zu machen, das schneller liefern hätte können oder allfällige eigene Kontakte zur Firma I***** zu aktivieren, um die Lieferung zu beschleunigen. Die klagende Partei habe die Fenster ohnehin am Tag der Anlieferung der Gläser eingebaut und schon am nächsten Tag ihre Arbeiten zumindest provisorisch fertiggestellt.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Rechtsfragen im Einklang mit dem Gesetz und der ständigen Judikatur gelöst worden seien. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die klagende Partei kein Verschulden an der verspäteten Fertigstellung treffe, weil sie aufgrund des Verhaltens des Architekten der beklagten Partei, der auf die Verständigung über die längere Lieferfrist für das Glas nicht reagiert habe, davon ausgehen habe können, daß die beklagte Partei mit der nunmehr bekanntgegebenen Lieferfrist einverstanden sei und somit auch eine Verzögerung des Fertigstellungstermines akzeptiert habe. Im übrigen habe das Erstgericht auch festgestellt, daß die für den 14.4.1990 vorgesehene Eröffnung des Lokals zum Probebetrieb deshalb nicht stattgefunden habe, weil eine Reihe von Professionisten ihre Werke noch nicht fertiggestellt gehabt habe. Entgegen der Ansicht der Berufung habe es keiner Feststellungen über die Behebbarkeit oder Unbehebbarkeit der Mängel bedurft, weil es sich bei den festgestellten Mängeln um jene handle, bei welchen im Abnahmeprotokoll vom 22.5.1990 der Hinweis "Qualitätsabzug" vermerkt und hiezu angeführt sei, "Abzüge für nicht entsprechende Qualität bzw. nicht behebbare Mängel".

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und teilweise berechtigt.

Es ist nicht richtig, daß der beklagten Partei durch die Entscheidungen der Vorinstanzen eine Preisminderung "aufgedrängt" worden sei, obwohl die beklagte Partei "in erster Linie" Verbesserung und nur hinsichtlich der unbehebbaren Mängel einen Preisnachlaß begehrt habe.

Wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen - in Übereinstimmung mit der von der beklagten Partei selbst vorgelegten Urkunde Beilage 5 - ergibt, hat Architekt Dipl.Ing.Z***** bei sämtlichen noch bestehenden Mängeln bei der Abnahme des Werkes jeweils entsprechende Abstriche vorgenommen und dies auf dem Abnahmeprotokoll, das auch von der beklagten Partei gefertigt wurde, vermerkt. Er hat diese Abzüge überdies in einem "Beiblatt zur Schlußrechnung" noch ziffernmäßig konkretisiert. Die klagende Partei konnte deshalb, auch wenn sie das "Beiblatt" nicht unterfertigt hat und mit den vom Architekten vorgeschlagenen ziffernmäßigen Abzügen nicht einverstanden war, davon ausgehen, daß sich die beklagte Partei bei diesen Positionen - unabhängig davon, ob diese Arbeiten mit behebbaren oder unbehebbaren Mängeln behaftet waren - jedenfalls für den Preisnachlaß und nicht für den Verbesserungsanspruch entschieden und damit ihr Wahlrecht gemäß § 1167 ABGB konsumiert hat. Von dieser Wahl kann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anfechtung der Erklärung im Sinn der §§ 871 ff ABGB abgegangen werden (vgl. WBl 1989, 68). Das Vorliegen derartiger zur Anfechtung berechtigender Umstände wurde aber nicht einmal andeutungsweise behauptet. Die beklagte Partei kann sich daher nicht mit Erfolg auf die mangelnde Fälligkeit des Werklohnes mangels Verbesserung berufen, sondern muß die noch verbleibende Restschuld begleichen (RdW 1984, 41).

Daran, daß Dipl.Ing.Z***** insoweit seitens der beklagten Partei vertretungsbefugt war, kann nach dem gesamten Verfahrensinhalt kein Zweifel bestehen, weil die maßgebliche Korrespondenz im Zusammenhang mit dem Werkvertrag zwischen der klagenden Partei und Dipl.Ing.Z***** geführt wurde und insbesondere auch die Mitteilung über die längere Lieferfrist für das Spezialglas an Dipl.Ing.Z***** erging, dessen Verhalten nach dem eigenen Prozeßstandpunkt der klagenden Partei der beklagten Partei zugerechnet werden soll.

Wenn auch der beklagten Partei dahin beizupflichten ist, daß die Fenstersprossen nach den getroffenen Feststellungen offenbar anders als ausdrücklich vereinbart ausgeführt wurden, ist ihr insoweit ebenfalls entgegenzuhalten, daß diese Ausführung vom Architekten Dipl.Ing.Z***** abgenommen, also gebilligt, und daß dafür ein Preisnachlaß und nicht etwa eine Änderung im Sinne der Auftragserteilung verlangt wurde. Die von den Vorinstanzen hinsichtlich der Fenster im Heurigenlokal zugestandene Preisminderung von S 10.000,-- entspricht ohnehin in etwa dem vom Architekten Dipl.Ing.Z***** vorgeschlagenen Preisnachlaß von S 10.827,60.

Die Vorinstanzen haben daher die Klagsforderung im stattgebenden Umfang zutreffend als zu Recht bestehend erkannt.

Die Begründung des Gerichtes zweiter Instanz, warum die Gegenforderung der beklagten Partei schon dem Grunde nach nicht zu Recht bestehe, widerspricht jedoch in zweierlei Hinsicht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Einerseits vermag der Umstand, daß (auch) andere Professionisten ihre Arbeit auf der Baustelle noch nicht beendet hatten, weshalb die Geschäftslokale selbst ohne Verzug der klagenden Partei nicht zum vorgesehenen Termin hätten eröffnet werden können, nichts an der Haftung der klagenden Partei für den allenfalls daraus resultierenden Schaden der beklagten Partei zu ändern. Ist mehreren Personen ein schuldhaftes oder sonst einen Haftungsgrund bildendes schädigendes Verhalten zuzurechnen, tritt nach ständiger Rechtsprechung Solidarhaftung ein, auch wenn jedes Verhalten für sich ausgereicht hätte, den Schaden herbeizuführen (kumulative Kausalität - vgl. Reischauer in Rummel2 II, Rz 13 zu § 1302 ABGB mwN; SZ 57/25 ua).

Andererseits ist nach ständiger Rechtsprechung bloßes Stillschweigen nur unter besonderen Umständen als Annahme einer Willenserklärung des Vertragspartners anzusehen. Bloßes Schweigen hat grundsätzlich keinen Erklärungswert, insbesondere auch nicht die Bedeutung einer Zustimmung zum Vertragsangebot oder zu einer Vertragsänderung. Entscheidend ist, ob der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners "schlechterdings" keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beilegen konnte (vgl. die Ausführungen von Rummel in Rummel2 I, Rz 13 ff zu § 863 ABGB mit umfangreichen Judikaturbeispielen). Besonders strenge Anforderungen an die rechtsgeschäftliche Bedeutung eines als Stillschweigen zu qualifizierenden Verhaltens sind dann zu stellen, wenn die vorgeschlagene Änderung des Rechtsverhältnisses die Interessen des Vertragspartners spürbar beeinträchtigt (6 Ob 619/82 mwN).

Daß sich Architekt Dipl.Ing.Z***** aufgrund der Mitteilung vom 20.2.1990, daß die Lieferzeit für das Glas ca. sechs Wochen betragen werde, weder zu einem Antwortschreiben noch zu weiteren Aktivitäten veranlaßt sah, ist nicht weiter verwunderlich. Hätte die beklagte Partei daraufhin die gesamten der klagenden Partei in Auftrag gegebenen Arbeiten wieder abbestellt, wäre eine Fertigstellung der Gaststätten bis zum vorgesehenen Eröffnungstermin erst recht unrealistisch geworden. Hätte sie darauf hingewiesen, daß sie auf dem vereinbarten Fertigstellungstermin bestehe, hätte dies nach dem Inhalt des Schreibens der klagenden Partei vom 20.2.1990 nichts an der drohenden Verzögerung ändern können, weil ja damit die Lieferfrist seitens des Glaslieferanten nicht beeinflußt worden wäre. Die Glasbestellung oblag der klagenden Partei und nicht der beklagten Partei. Es ist daher nicht erfindlich, warum die beklagte Partei nun ihrerseits selbst hätte versuchen müssen, die Glaslieferung innerhalb kürzerer Zeit zu erreichen oder sogar verpflichtet hätte sein sollen, mit einer anderen Ausführung des Werkes einverstanden zu sein. Es mußte vielmehr der klagenden Partei unabhängig von ihrer Mitteilung über die sechswöchige Lieferfrist klar sein, daß die Zeit zur Fertigstellung drängte. Nach den oben dargestellten Grundsätzen kann daher keine Rede davon sein, daß die klagende Partei aus dem Stillschweigen der beklagten Partei auf das Schreiben vom 20.2.1990 auf ein Einverständnis der beklagten Partei mit einem späteren als dem vereinbarten Fertigstellungstermin hätte schließen dürfen. Ein solcher Erklärungswert kann dem Unterlassen einer Antwort oder weiterer Aktivitäten seitens der beklagten Partei auch objektiv nicht beigemessen werden.

Es mag zwar sein, daß es nicht im Einflußbereich der klagenden Partei lag, die Lieferfristen für das benötigte Spezialglas zu verkürzen. Es ist jedoch unklar, warum sie einen bestimmten, relativ knappen Fertigstellungstermin zugesagt hat, obwohl die Lieferfristen für das benötigte Spezialglas einen Großteil der noch verbleibenden Zeit in Anspruch nahmen. Hatte die klagende Partei auf diesen Umstand keinen Einfluß, wäre es an ihr gelegen gewesen, sich vor der Zusage des Fertigstellungstermins über die Lieferfrist zu erkundigen, um abschätzen zu können, ob sie diesen Termin bei realistischer Einschätzung auch einhalten werde können. Weiters ist auch das Argument, die klagende Partei habe die Glasbestellung ehestmöglich vorgenommen, weil sie auf die schriftliche Auftragsbestätigung warten habe dürfen, nicht überzeugend. Da die Zeit bereits bei der mündlichen Auftragserteilung drängte, hätte sich die klagende Partei, um sich abzusichern, auch sofort zumindest jenen Teil des Auftrages, für den das Glas benötigt wurde, schriftlich bestätigen lassen können. Außerdem ist nicht hervorgekommen, daß die klagende Partei die beklagte Partei auf ihr Vorhaben, das Glas erst nach Einlangen der schriftlichen Auftragsbestätigung zu bestellen, hingewiesen oder sonstwie auf das Erfordernis der möglichst umgehenden schriftlichen Bestätigung des Auftrages hingewiesen hat. Gerade im Hinblick auf die vermutliche Unkenntnis der klagenden Partei von der tatsächlichen Lieferfrist für die Spezialgläser wäre eine umgehende Bestellung dieser Gläser angezeigt gewesen.

Der klagenden Partei ist daher entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht der Beweis gelungen, daß sie am Verzug kein Verschulden treffe. Daß die beklagte Partei allenfalls ihre Schadensminderungspflicht dadurch verletzt hätte, daß sie aufgrund des Schreibens vom 20.2.1990, mit dem die beklagte Partei bzw. ihr Architekt von der relativ langen Lieferfrist des Glases in Kenntnis gesetzt wurde, die für 14.4.1990 geplante Eröffnung der Lokalitäten verschieben und anders disponieren hätte können, wurde von der klagenden Partei nicht gegen die Schadenersatzforderung der beklagten Partei eingewendet. Insoweit wurde kein Mitverschuldenseinwand erhoben, sodaß diese Frage auch nicht weiter zu prüfen war.

Da bisher jegliche Feststellungen zur Höhe der Gegenforderung aus den vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten rechtlichen Erwägungen der Vorinstanzen unterblieben sind, werden im fortgesetzten Verfahren die einzelnen Positionen des behaupteten Schadensbetrages einer Prüfung zu unterziehen und entsprechende Feststellungen hierüber zu treffen sein. Bei der neuerlichen Entscheidung wird auch zu berücksichtigen sein, daß über die Gegenforderung nur bis zur Höhe der Klagsforderung entschieden werden kann, auch wenn die Gegenforderung den Betrag der Klagsforderung übersteigt (vgl. Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 14 zu §§ 391, 392 und Rz 11 zu § 411 ZPO).

Von der Fällung eines Teilurteiles über die - bereits jetzt als zu Recht bestehend zu beurteilende - Klagsforderung in dem von den Vorinstanzen zuerkannten Umfang war im Hinblick auf ihren Zusammenhang mit der Gegenforderung Abstand zu nehmen (vgl. Rechberger in Rechberger, ZPO, Rz 15 zu §§ 391, 392 ZPO).

Die Entscheidung über den Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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