OGH 10ObS246/95

OGH10ObS246/9512.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mario Medjimorec (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Wolfgang D*****, Amtstierarzt, *****vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA), 1081 Wien, Josefstädterstraße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung eines Dienstunfalls und Leistungen der Unfallversicherung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juli 1995, GZ 7 Rs 67/95-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 24. November 1994, GZ 6 Cgs 68/94w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist als Amtstierarzt bei der Bezirkshauptmannschaft *****beschäftigt. Er ist auch Mitglied der Personalvertretung. Am 17.12.1992 wurde in der Bezirkshauptmannschaft eine Vorweihnachtsfeier veranstaltet. Die Organisation dieser Feier wurde von der Personalvertretung durchgeführt. Die Weihnachtsfeier gliederte sich in einen offiziellen und einen inoffiziellen Teil. Der offizielle Teil begann um 16.00 Uhr; an diesem Teil der Feier nahmen etwa 100 Bedienstete teil. Es wurden Reden gehalten, es wurde der Ereignisse im abgelaufenen Jahr gedacht und es wurden neu eingetretene Mitarbeiter begrüßt. Der offizielle Teil schloß um etwa 18.00 Uhr, der "inoffizielle" Teil begann unmittelbar daran anschließend mit einem Buffet, das ebenfalls in den Räumlichkeiten der Bezirkshauptmannschaft stattfand. Die Mitarbeiter hatten dabei die Möglichkeit, neben privaten Gesprächen und Kontakten auch dienstliche Kontakte zu pflegen. Der Bezirkshauptmann verließ die Feier gegen Mitternacht, ebenso zahlreiche andere Mitarbeiter. Die letzten Teilnehmer, der sogenannte "harte Kern", bestehend aus etwa 10 bis 20 Personen, unter denen sich auch der Kläger befand, verblieben bis etwa 2.00 Uhr früh. Die Gläser oder das Geschirr haben die letzten Teilnehmer der Feier nicht weggeräumt. Auf der Heimfahrt um etwa 2.20 Uhr wurde der Kläger als Lenker seines Pkw bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Im Zeitpunkt der Untersuchung wies er einen Blutalkoholwert von 1,44 Promille auf. Der Lenker des gegnerischen Fahrzeuges sowie dessen Beifahrer wurden durch den Unfall getötet. Nach der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos T*****war das dem Kläger entgegenkommende Fahrzeug aus ungeklärter Ursache ins Schleudern und auf die linke Fahrbahnhälfte geraten. Die Staatsanwaltschaft legte diese Anzeige zurück, weil sie keine genügenden Gründe fand, die gerichtliche Verfolgung des Klägers zu verlangen.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 25.4.1994 wurde der Vorfall vom 18.12.1992 nicht als Dienstunfall anerkannt und ausgesprochen, daß Leistungen gemäß §§ 88 ff B-KUVG nicht gewährt würden. Der Kläger habe an der Feier aus überwiegend privaten Gründen teilgenommen, weshalb auch die Heimfahrt von dieser Feier nicht unter Versicherungsschutz gestanden sei. Überdies sei der dienstliche Zusammenhang durch die erhebliche Alkoholisierung des Klägers gelöst worden.

Der Kläger begehrt mit seiner rechtzeitigen Klage die Feststellung, daß seine Gesundheitsstörung, nämlich schwerste Verletzungen, insbesondere eine Gehirnerschütterung, Rippenbrüche rechts, ein Oberschenkelbruch, sowie Hämothorax und Pneumothorax, Folge eines Dienstunfalls sei. Weiters begehrt er die Beklagte für schuldig zu erkennen, ihm aus Anlaß dieses Dienstunfalles "die Leistungen der Unfallversicherung gemäß §§ 88 ff B-KUVG im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen".

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wiederholte ihren im dargestellten Bescheid eingenommenen Rechtsstandpunkt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Einerseits durch die Alkoholisierung des Klägers, andererseits durch den langen zeitlichen Abstand von Beginn der Weihnachtsfeier bis zum Unfall sei der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit gelöst worden. Es möge zwar zu den dienstlichen Obliegenheiten des Klägers insbesondere auch als Personalvertreter zählen, an der Feier teilzunehmen, jedoch habe spätestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der Bezirkshauptmann die Feier verlassen habe, die dienstliche Notwendigkeit der weiteren Anwesenheit des Klägers nicht mehr bestanden. Ein Dienstunfall liege daher nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Ob die Teilnahme an einer Betriebsfeier und die anschließende Heimfahrt unter Unfallversicherungsschutz stünden, hänge vom Einzelfall ab. Im vorliegenden Fall habe es sich um eine gesellige Zusammenkunft gehandelt, die noch in der "Regeldienstzeit" begonnen habe. Eine solche Betriebsfeier stehe dann unter Versicherungsschutz, wenn sie verhältnismäßig kurz währe, betrieblich organisiert sei und im Interesse des Betriebes liege. Da die Feier von der Personalvertretung organisiert worden sei, liege betriebliches Interesse vor. Bei der Frage, ob die Feier nur verhältnismäßig kurz gedauert habe und wie diese Zeitspanne zu begrenzen sei, müsse vom Begriff der üblichen Feiern ausgegangen und auch die Relation der Zeitdauer der Feier zur Arbeitszeit berücksichtigt werden. Eine Betriebsfeier, die um 16.00 Uhr beginne und um ca 2.00 Uhr ende, also 10 Stunden dauere, habe nicht verhältnismäßig kurze Zeit gedauert. Eine solche Feier könne nicht mehr als im überwiegenden Interesse des Dienstgebers, sondern müsse als im überwiegenden Interesse des Dienstnehmers gelegen angesehen werden. Der innere Zusammenhang dieses Aufenthaltes mit der dienstlichen Tätigkeit sei nicht mehr gegeben. Dies folge auch aus dem Vergleich des Zeitraumes zur täglichen Arbeitszeit und entspreche im übrigen der allgemeinen Lebenserfahrung. Da der ursächliche und zeitliche Zusammenhang des Dienstunfalls mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung schon aufgrund der Dauer der Feier zu verneinen sei, erübrige sich ein Eingehen auf die Alkoholisierung des Klägers.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Er beantragt die Abänderung im Sinne einer Stattgebung seines Klagebegehrens und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Auszugehen ist zunächst davon, daß die gegenständliche Vorweihnachtsfeier als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Strittig ist lediglich die Frage, zu welchem Zeitpunkt dieser Schutz endete, weil der betriebliche Zusammenhang nicht mehr bestand. Der Kläger vertritt in seiner Revision die Auffassung, eine Weihnachtsfeier könne das Merkmal der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nicht dadurch verlieren, daß sie besonders lange dauere oder daß bestimmte Bedienstete besonders lange blieben. Maßgeblich sei der Anlaß und die Art der Feierlichkeit, nicht aber deren Dauer. Die Beklagte hält diesem Standpunkt entgegen, daß die Heimfahrt nach einer unverhältnismäßig langen Betriebsfeier nicht mehr unter Versicherungsschutz stehe. Dieser Auffassung ist zu folgen.

Nach § 90 Abs 1 B-KUVG sind Dienstunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereignen. Trägt eine Weihnachtsfeier wie im vorliegenden Fall den Charakter einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, dann steht sie grundsätzlich auch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Mit der Beendigung der Betriebsveranstaltung endet grundsätzlich auch der Unfallversicherungsschutz. Eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung endet ganz allgemein, wenn sie nicht mehr von der Autorität des Dienstgebers oder der von ihm beauftragten Person getragen ist. Das Ende der Gemeinschaftsveranstaltung tritt aber nicht schon stets dann ein, wenn der Dienstgeber oder sein Vertreter selbst die Veranstaltung verläßt; sie können auch andere Personen mit der Weiterführung der Betriebsfeier beauftragen. Um Zweifel zu vermeiden, ist es allerdings zweckmäßig, wenn der Dienstgeber, sein Vertreter oder ein Beauftragter das Zusammensein für beendet erklärt, sofern sich dies nicht eindeutig aus den Umständen ergibt. In solchen Fällen ist auch der anschließende Heimweg versichert (vgl Brackmann, Handbuch der SV

72. Nachtrag 482 s; Lauterbach, Unfallversicherung3 220/1; Podzun, Unfallsachbearbeiter 102, 11; deutsches BVerwG JZ 1989, 501). Die vom Berufungsgericht in Anschluß an die Entscheidung SSV 24/89 (unrichtig zitiert als SSV-NF 3/89) vertretenen Auffassung, daß nur eine verhältnismäßig kurzwährende betriebliche Feier unfallversicherungsgeschützt sei, kann in dieser Allgemeinheit nicht geteilt werden. Entscheidend darf auch nicht sein, ob im Verhältnis zur Gesamtzahl der Teilnehmer noch ein ins Gewicht fallender Teil der Betriebsangehörigen anwesend ist: wie lange dieses Kriterium gegeben ist, kann nämlich vom einzelnen Betriebsangehörigen schwer festgestellt werden (Brackmann aaO 482 s I). Der Oberste Gerichtshof tritt der Auffassung bei, daß die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung im Regelfall ihren dienstlichen Charakter behält, bis ihre Beendigung ausdrücklich erklärt wird oder sich aus anderen Umständen ergibt. Bleiben einige Belegschaftsmitglieder nach Schluß der Betriebsveranstaltung von sich aus noch längere Zeit zusammen, so steht dieses Zusammensein in der Regel nicht mehr unter Unfallversicherungsschutz. Das spätere Verweilen dient dann nur noch privater Geselligkeit (Podzun aaO und Lauterbach aaO unter Hinweis auf Judikatur des BSG). Kürzeres Verbleiben im Anschluß an die beendete Gemeinschaftsveranstaltung wird den Zusammenhang in der Regel nicht lösen, während mehrstündiges Nachfeiern den Zusammenhang meist aufheben wird (Podzun aaO).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann kommt dem Umstand, daß der Bezirkshauptmann die Feier um Mitternacht verlassen hatte, für sich allein ebensowenig entscheidende Bedeutung zu wie der weiteren Tatsache, daß sich um 2.00 Uhr früh nur mehr 20 Personen (der Kläger selbst sprach allerdings von nur 10 Personen) am Ort der Feier aufhielten. Da nach den Feststellungen die Feier von niemandem ausdrücklich für beendet erklärt wurde, kommt es darauf an, ob sich das Ende dieser Feier aus anderen Umständen mit der erforderlichen Eindeutigkeit ergab. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Gemeinschaftsveranstaltung trotz ihrer langen Dauer als noch von der Autorität des Dienstgebers bzw der von ihm beauftragten Person getragen angesehen werden konnte.

Diese Frage ist im vorliegenden Fall allein schon wegen der überaus langen Dauer des Verweilens des Klägers auf der Feier zu verneinen. Der offizielle Teil der Weihnachtsfeier begann nach den Feststellungen um 16.00 Uhr und endete um ca 18.00 Uhr, dauerte also rund 2 Stunden. Der daran anschließende "inoffizielle" Teil der Weihnachtsfeier (nach Beendigung des offiziellen Teiles) verlor zunächst nicht den Charakter einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung, weil es von niemandem zu erwarten ist, sogleich den Heimweg anzutreten und etwa wie im vorliegenden Fall auf die Annehmlichkeiten eines Buffets und eines gemütlichen Ausklingens der Feier zu verzichten. Das Verbleiben im Anschluß an die offiziell beendete Weihnachtsfeier löste daher den betrieblichen Zusammenhang zunächst nicht, wobei dem Senat eine Dauer des "inoffiziellen" Teiles der Weihnachtsfeier von etwa 2 Stunden jedenfalls als unbedenklich erscheint. Es ist dies ein Zeitraum, in dem sich die Dienstnehmer unter Umständen als noch zur Teilnahme an der Feier verpflichtet betrachten dürfen. Wird das Zusammensein jedoch über einen erheblich längeren Zeitraum ausgedehnt, also etwa bis nach Mitternacht oder wie hier bis 2.00 Uhr früh, dann dient das spätere Verweilen nur noch der privaten Geselligkeit und verliert den dienstlichen Zusammenhang. Schon im Hinblick darauf, daß nach den Arbeitszeitbestimmungen grundsätzlich die Tagesarbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten darf, kann niemand ernstlich annehmen, daß er aus dienstlichen Rücksichten an einer Feier teilzunehmen hat, die insgesamt 10 Stunden dauert. Die Personen, die die Feier bis 2.00 Uhr früh ausdehnten, standen daher nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidung 10 ObS 146/95 verwiesen, wonach der Aufenthalt des dortigen Klägers in einer Hotelbar bis 2.00 Uhr früh im Anschluß an eine betriebliche Veranstaltung ebenfalls nicht mehr dem versicherten Bereich zugerechnet wurde (vgl auch SSV-NF 3/61).

An dieser Beurteilung ändert die Tatsache nichts, daß der Kläger Mitglied der Personalvertretung war. Nach § 91 Abs 1 Z 1 B-KUVG sind den Dienstunfällen Unfälle gleichgestellt, die sich ereignen bei der Betätigung als Mitglied einer gesetzlichen Vertretung des Personals, ferner als in derselben Dienststätte Beschäftigter bei der Mitwirkung an der Besorgung von Aufgaben einer gesetzlichen Vertretung im Auftrag oder über Ersuchen eines Mitgliedes dieser Vertretung oder bei der Teilnahme an einer von einer gesetzlichen Vertretung des Personals einberufenen Versammlung. Die zitierte Bestimmung dehnt den Versicherungsschutz für Personen, die als Dienstnehmer unfallversichert sind, auf Tätigkeiten aus, die sie außerberuflich, aber doch in mittelbarem Zusammenhang mit ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Mitglied einer gesetzlichen Vertretung des Personals oder sonst in Angelegenheiten der Personalvertretung ausüben (vgl 10 ObS 114/95 zur vergleichbaren Bestimmung des § 176 Abs 1 Z 1 ASVG). Im vorliegenden Fall besteht nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, daß sich der Kläger als Mitglied der Personalvertretung bis 2.00 Uhr früh zur Teilnahme an der Weihnachtsfeier verpflichtet fühlen mußte. Daß möglicherweise während des ganzen Verlaufes der Feier auch dienstliche Belange besprochen wurden, ändert an dieser Beurteilung nichts, weil im Vordergrund der Feier eindeutig private Geselligkeit und nicht die Ausübung von Aufgaben der Personalvertretung stand. Aus dem bisherigen folgt, daß auch die Heimfahrt von dieser Veranstaltung (§ 90 Abs 2 Z 1 B-KUVG) nicht unter Versicherungsschutz stand (SSV-NF 3/61).

Auch bei betrieblichen Gemeinschafts- veranstaltungen gilt der Grundsatz, daß der Versicherungsschutz entfällt, wenn ein Versicherter derart betrunken ist, daß er zu keiner Arbeit mehr fähig ist oder wenn der Alkoholgenuß die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls bildet (Lauterbach aaO; SSV-NF 3/65, 4/49 ua). Ob dies beim Kläger der Fall war, braucht als Folge der dargelegten Erwägungen nicht mehr erörtert zu werden, weshalb es auch nicht schadet, daß die Vorinstanzen keine Feststellungen über den Unfallhergang getroffen haben.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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