OGH 7Ob37/95

OGH7Ob37/9528.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans Robert K*****, vertreten durch Dr.Heimo Berger, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei D***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Dieter Havranek, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 120.000,-

s. A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 8.Juni 1995, GZ 3 R 104/95-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10.Jänner 1995, GZ 28 Cg 127/93-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 7.605,- (darin enthalten S 1.267,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines aus einer Zugmaschine DAF 95/350 und einem Auflieger Viberti 36 S bestehenden Sattelkraftfahrzeuges. Sowohl hinsichtlich der Zugmaschine als auch des Aufliegers besteht bei der beklagten Partei eine Kollisionskaskoversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Fahrzeug-Kollisionskaskoversicherung (KKB) 1986 zugrundeliegen. Am 6.10.1992 kam ein Arbeitnehmer des Klägers als Lenker dieses Sattelzuges wegen eines Lenkfehlers mit einer Geschwindigkeit von 74,7 km/h von der Fahrbahn der Murtal-Schnellstraße ab. Die Zugmaschine geriet über den asphaltierten Pannenstreifen in das weiche, mit Gras durchsetzte Erdreich. Nach Beschädigung der Leitschiene und eines Wildzaunes gerieten die rechten Räder der Zugmaschine in ein betoniertes Wasserrigol, während der Auflieger zunächst noch niveaugleich mit der Fahrbahn der Schnellstraße fuhr. Dadurch, daß die linken Räder im weichen Erdreich des Grasstreifens einsanken, während die rechten Räder auf der harten Unterlage des Wasserrigols fuhren, neigte sich der Auflieger nach rechts. Zur selben Zeit neigte sich die Zugmaschine, die auf die Böschung geraten war, nach links, wodurch eine maximale Verwindung des Sattelfahrzeuges von 40 Grad eintrat. Sowohl der Auflieger als auch die Zugmaschine wurden beschädigt. Die beklagte Partei deckte die am Auflieger entstandenen Schäden zur Gänze und jene an der Zugmaschine mit Ausnahme eines Betrages von S 120.000,-.

Der Kläger begehrt die Zahlung dieses restlichen Betrages, weil der gesamte Schaden als Unfallschaden und nicht als Betriebsschaden zu beurteilen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und behauptete, der Schaden an der Zugmaschine sei insoweit nicht gedeckt, als auch Verwindungsschäden eingetreten seien, die auf das Verrutschen der Ladung infolge der einseitigen Gewichtsverlagerung, nämlich das Fahren durch das betonierte Wasserrigol, oder (nachdem der bestellte verkehrstechnische Sachverständige ausgeführt hatte, daß der Schadenseintritt bei der Verwindung um die erwähnten 40 Grad und nicht etwa im Zeitpunkt des Verrutschens der Ladung erfolgt sei) auf sonstige Umstände zurückzuführen sei. Ein solcher vom Auflieger ausgehender Verwindungsschaden sei als nicht gedeckter Betriebsschaden im Sinn der Kaskobedingungen anzusehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unfallsursache sei das Abkommen des Sattelfahrzeuges auf der Schnellstraße gewesen. Das auslösende Moment für die eingetretenen Beschädigungen sei das Anfahren der Zugmaschine an die Böschung gewesen. Welche Schäden als "Verwindungsschäden" anzusehen seien, sei von der beklagten Partei nicht konkret behauptet worden.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Das Erstgericht sei trotz widersprüchlich erscheinender Ausführungen im Ergebnis erkennbar davon ausgegangen, daß die noch strittigen Schäden (Beschädigung und Verformung des rechten Längsträgers auf Höhe der Sattelkupplung und des Montageblattes) durch die Verwindung zwischen Zugmaschine und Auflieger eingetreten seien. Die Ursache für die vom Auflieger ausgegangenen Verwindungsschäden an der Zugmaschine sei auf das Befahren des Wasserrigols und somit auf einen Vorgang zurückzuführen, der nicht der gewöhnlichen Verwendung des Sattelfahrzeuges entspreche. Es sei der Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallsereignis (Abkommen von der befestigten Fahrbahn und Befahren des Wasserrigols sowie der Böschung) und sämtlicher an der Zugmaschine eingetretener Schäden ungeachtet des Hinzutretens der vom Auflieger ausgegangenen Verwindungskräfte als weiterer Schadensursache gegeben. Da die strittigen Schäden als Folge des Unfalles zu beurteilen seien, sei die Deckungspflicht der beklagten Partei auch für diese Schäden zu bejahen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Unfalls- und Betriebsschadens bei Beschädigungen der Zugmaschine durch einen Auflieger vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Nach Art 1.1.6. der KKB 1986 umfaßt die Kaskoversicherung die Beschädigung des Fahrzeuges "durch Unfall, das ist ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis; Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden sind daher nicht versichert."

Das Gericht zweiter Instanz hat die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Abgrenzung zwischen Betriebs- und Unfallsschäden in den allgemeinen Ausführungen richtig wiedergegeben (vgl hiezu etwa VR 1989/164 und VR 1988/95 zum nahezu wortgleichen Artikel II A 1. Punkt 2. lit e AKIB je mit weiteren Nachweisen). Entscheidend ist hiebei insbesondere, ob sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendungsart üblicherweise ausgesetzt ist, die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird (vgl Prölss-Martin, VersVG25, 1479). Auch wenn Lkw-Fahrzeuge so konstruiert sein mögen, daß Unebenheiten auf Baustellen und schlechte Straßenverhältnisse schadensfrei passiert werden können, wie die Revision argumentiert, zählt das Abkommen von der befestigten Fahrbahn in ein 0,5 m tiefes, betoniertes Wasserrigol entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung nicht zu vergleichbaren, für den bestimmungsgemäßen Einsatz eines Sattelzuges adäquaten Risken, die dieser ohne weiteres überstehen muß. Sämtliche Schäden am Fahrzeug wurden vielmehr zumindest primär durch ein außergewöhnliches Ereignis, das außerhalb der normalen Betriebsgefahr liegt, ausgelöst. Das beschriebene Ereignis trägt auch sonst alle Merkmale des Unfalles in sich (vgl VR 1988/95 mit insofern vergleichbaren Sachverhalt - Abkommen von der befestigten Fahrbahn).

Gehaftet wird nicht nur für die unmittelbar durch den Unfall verursachten Schäden, sondern für alle damit in adäquatem Kausalzusammenhang stehenden Folgen, die in einer Beschädigung oder Zerstörung des Kraftfahrzeuges bestehen (VR 1988/95 mit weiteren Nachweisen). Darunter fällt somit auch der Verwindungsschaden der Zugmaschine, der durch das Abkommen von der Fahrbahn in das Wasserrigol und auf die Böschung und in weiterer Folge - wovon das Gericht zweiter Instanz unbekämpft ausgeht - durch die dadurch bewirkte entgegengesetzte Neigung von Auflieger und Zugmaschine zustande gekommen ist.

Der Rechtsprechung einiger deutscher Gerichte, daß Beschädigungen der Zugmaschine durch den Anhänger (oder umgekehrt) keine von außen wirkende Ereignisse und damit keine Unfälle seien (zB OLG Schleswig, VersR 1974/1093), wird in Prölss-Martin, VersVG25, 1480 zu Recht entgegengehalten, daß es fraglich ist, ob sich dies den (insoweit vergleichbaren) deutschen Versicherungsbedingungen (AKB) nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, auf das nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen abzustellen ist, wirklich entnehmen läßt. Zugmaschine und Anhänger sind - so wie hier Zugmaschine und Auflieger - versicherungsvertraglich getrennte Versicherungsobjekte, die unabhängig voneinander versichert werden können. Die Einwirkung des einen auf das andere Versicherungsobjekt ist eine solche von außen und damit ein Versicherungsfall. Dies wird durch den Begriff des Betriebsschadens nicht hinreichend deutlich ausgeschlossen.

Der Oberste Gerichtshof hat bisher nur in einem solchen Fall Verwindungsschäden am Zugfahrzeug, die durch den Anhänger eingetreten sind, als Betriebsschäden qualifiziert, in dem der die Verwindungskräfte hervorrufende Vorgang als dem normalen Betrieb des Fahrzeuges entsprechend anzusehen war (VR 1989/164 = VersR 1989, 831:

geknickter Stützfuß und Verwindung des Aufliegerrahmens beim Abladen durch Anheben des Rückwärtskippaufbaus). In jenem Fall aber, in dem ein dort als Unfall qualifiziertes Ereignis (Notbremsung zur Vermeidung des Frontalzusammenstoßes) bewirkte, daß der kaskoversicherte Anhänger durch Querstellen und Anprall an den Zugwagen beschädigt wurde, wurde der Schaden am Anhänger als Unfallschaden qualifiziert (VersR 1978, 384).

Der erkennende Senat sieht trotz der Ablehnung dieser Entscheidung in Stiefel/Hofmann, AKB16, Rz 80 zu § 12 der deutschen AKB - weil nämlich ein Bremsschaden und kein Unfallschaden vorliege - keinen Anlaß, von der Ansicht abzugehen, daß ein durch Querstellen oder Kippen der Zugmaschine (oder des Anhängers) hervorgerufener Schaden am Anhänger (oder an der Zugmaschine) als Unfallschaden zu qualifizieren ist, wenn dieser Vorgang auf einen Unfall zurückzuführen ist. Die Art der technischen Ausführung der starren Verbindung zwischen Zugmaschine und Ladeteil (Anhänger oder Auflieger) kann hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung keinen Unterschied machen.

Das Gericht zweiter Instanz hat daher mit zutreffender Begründung die Deckungspflicht der beklagten Partei bejaht, sodaß seine Entscheidung zu bestätigen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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