OGH 5Ob548/95(5Ob510/96)

OGH5Ob548/95(5Ob510/96)27.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** AG, ***** vertreten durch Dr.Gert F.Kastner, Dr.Hermann Tscharre, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gerhard K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Klaus Reisch, Dr.Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen S 412.229,93 sA, infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen die Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 5. September 1995, GZ 1 R 199/95-24, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.April 1995, GZ 8 Cg 127/94s-19, teils mit Teilurteil abgeändert, teils aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision gegen das Teilurteil und der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

17.550 (darin S 2.925 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung und die mit S 3.427,20 (darin S 571,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin, die das Factoring-Geschäft betreibt, begehrt von der Beklagten Zahlung von S 412.229,93 samt Anhang aus ihr von einem Lieferanten der Beklagten zedierten Forderungen. Die eingeklagten Rechnungen betreffen im Umfang von S 388.851,08 sA Lieferungen der Zedentin für die Einrichtung des Hotels eines Südtiroler Kunden der Beklagten; insoweit wurde von dieser Falsch- und Schlechtlieferung behauptet und Nichterfüllung, Gewährleistung sowie als Gegenforderung Schadenersatz geltend gemacht. Die übrigen Rechnungen im Umfang von S 23.378,88 betreffen andere Objekte; insoweit wurden die verrechneten Leistungen von der Zedentin ordnungsgemäß erbracht.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit S 23.378,88 sA und die Gegenforderung in gleicher Höhe als zu Recht bestehend und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil mit Teilurteil dahin ab, daß es die Klagsforderung (zumindest) mit einem Teilbetrag von S 23.378,88 als zu Recht bestehend und hinsichtlich dieses Teiles der Klagsforderung keine aufrechenbare Gegenforderung der beklagten Partei als zu Recht bestehend erkannte und daher die Beklagte zur Zahlung von S 23.378,88 verurteilte; im übrigen hob es das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache (im Umfang von S 388.851,05 sA) zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision gegen das Teilurteil mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Hingegen sei hinsichtlich des Aufhebungsbeschlusses der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig, weil die Klärung der Voraussetzungen für die Annahme eines schlüssigen Verzichtes auf das Abtretungsverbot eine Abgrenzungs- und Rechtsfrage von erheblicher, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung darstelle, zumal auch die Fortsetzung des Verfahrens und Klärung von Mängeln und Preisminderungsansprüchen etc im Ausland mit erheblichem Verfahrensaufwand und erheblichen Verfahrensverzögerungen verbunden sein werde.

Gegen den abändernden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die Revision, gegen den aufhebenden Teil der Rekurs der Beklagten; es werden Abänderungs- und Aufhebungsanträge gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihren Rechtsmittelbeantwortungen, die gegnerischen Rechtsmittel zurück- bzw abzuweisen.

Beide Rechtsmittel sind unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision:

Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert 50.000 S nicht übersteigt. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichtes, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (Kodek in Rechberger § 502 ZPO Rz 1 mwN). § 55 Abs 1 JN, welche Vorschrift gemäß § 55 Abs 5 JN auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gilt, verlangt ua einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang der Ansprüche. Eine Zusammenrechnung ist zu verneinen, wenn jeder einzelne Anspruch unabhängig von den anderen besteht, also jeder ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann und die Ansprüche weder aus einer gemeinsamen Tatsache noch aus einem gemeinsamen Rechtsgrund abgeleitet werden, wie etwa bei Ansprüchen aus gleichartigen Verträgen (Mayr in Rechberger § 55 JN Rz 2).

Die Rechnungen über zusammen S 23.378,88, die Gegenstand des angefochtenen Teilurteils sind, rühren nun aus anderen Rechtsgeschäften her als die übrigen Rechnungen, die alle auf dem schriftlichen "Werkvertrag" über Lieferungen für das Südtiroler Hotel beruhen; auch in der Revision geht die Beklagte offensichtlich von mehreren Verträgen aus. In der Rechtsmittelgegenschrift wird Gegenteiliges ebenfalls nicht geltend gemacht. Die bloße Gleichartigkeit oder Ähnlichkeit der von der Zedentin gelieferten Waren führt aber ebensowenig zur Zusammenrechnung, wie der im Verhältnis zwischen Klägerin und Zedentin abgeschlossene Factoringvertrag, weil dieser keinen Zusammenhang im Verhältnis zur Beklagten begründen kann. Gehen nämlich mehrere nicht zusammenzurechnende Ansprüche durch Zession auf einen Kläger über, so sind sie nicht zusammenzurechnen (vgl EvBl 1979/105; SZ 57/17).

Da somit eine Zusammenrechnung der vom Teilurteil betroffenen - 50.000 S nicht übersteigenden - Ansprüche mit den übrigen eingeklagten Ansprüchen nicht erfolgt, war die Revision als gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

Zum Rekurs:

Die Zulässigkeit des Rekurses hängt gemäß § 519 Abs 2 ZPO vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ab. Bei der Zulässigkeitsprüfung ist der Oberste Gerichtshof an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden (§ 508 a Abs 1 ZPO). Ist der Rekurs - wie hier - wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen, so kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 vorletzter Satz ZPO); insbes. sei auf RdW 1985, 375 hingewiesen.

Was die vom Berufungsgericht als erhebliche bezeichnete Rechtsfrage anlangt, so konnte es sich in der Frage der Möglichkeit eines konkludenten Verzichts auf ein vereinbartes Zessionsverbot auf die von ihm zitierte Judikatur stützen. Die Beurteilung der Schlüssigkeit eines bestimmten Verhaltens hat regelmäßig keine über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung. Das Berufungsgericht hat insoweit eine sorgfältige Prüfung vorgenommen und mit der auf zahlreiche Argumente gestützten Annahme eines schlüssigen Verzichts auf das Abtretungsverbot den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht verlassen. Eine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage liegt daher entgegen seiner offenbar aus prozeßökonomischen Gründen geäußerten Ansicht nicht vor.

Aber auch in Zusammenhang mit den von der Rechtsmittelwerberin bemängelten Ausführungen des Berufungsgerichts zur Fälligkeit des Anspruchs, zu Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüchen ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu erblicken. Insoweit hat das Berufungsgericht angesichts der von ihm für unzureichend erachteten Sachverhaltsgrundlage nämlich im wesentlichen lediglich Vermutungen geäußert, wie die Rechtslage "wohl" sein könnte. Da die Beklagte die Reklamation des Südtiroler Hoteliers wegen der Lieferung teils nicht bestellter, teils mangelhafter Leistungen an die Zedentin der Klagsforderung weitergeleitet hat, die Erklärungen des Hoteliers (nicht nur zu den Teppichen, sondern auch zu Möbelstoffen und Vorhängen) aber nicht feststehen (bisher ist es weder zur Zeugenvernehmung des Hoteliers noch zur förmlichen Parteienvernehmung des Geschäftsführers der Beklagten gekommen), kann derzeit insbesondere nicht verläßlich beurteilt werden, ob und inwieweit Nichterfüllungs- oder Gewährleistungsrecht heranzuziehen ist (vgl etwa Reischauer in Rummel2 vor §§ 918 bis 933 ABGB Rz 8 mwN; zu Falschlieferungen Kramer in Straube2 §§ 377, 378 HGB Rz 70 mwN), welche Bedeutung der Ingebrauchnahme der betreffenden Hoteleinrichtungen zukommt, ob im Falle der Übernahme der Leistung insbesondere auf Wandlung schlüssig verzichtet wurde oder welche Gewährleistungsansprüche der Beklagten sonst noch offenstehen. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin wird eine Klärung nicht erst im Beweisverfahren eines anderen Prozesses, sondern in diesem Prozeß erfolgen müssen.

Da somit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1, § 519 Abs 2 ZPO nicht gegeben sind, war auch der Rekurs der Beklagten ungeachtet des Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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