Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Erhöhungsantrag des Unterhaltssachwalters, soweit hierüber noch nicht entschieden wurde (S 2.000 je Kind ab 1.3.1994), nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Julia und Dorian L***** sind die ehelichen Kinder der Gudrun und des Dr.Reinhard L*****, deren Ehe am 25.7.1991 im Einvernehmen geschieden wurde. In dem anläßlich der Ehescheidung geschlossenen Vergleich kamen die Eltern überein, daß die Obsorge der Mutter zustehen solle. Punkt III. des Vergleiches enthält die Unterhaltsregelung betreffend die Kinder. Der Vater verpflichtete sich zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von je S 4.000. Weiters wurde festgehalten, daß "ab Monat 5/92 der Unterhalt für die beiden Kinder allenfalls neu zu bemessen sein wird, und zwar höher, weil ab diesem Zeitpunkt Dr.L***** bereits erwartungsgemäß eine Ordination betreiben wird."
Der Vater verpflichtete sich auch, allfällige Kindergarten- und Privatschulkosten zu tragen, falls diese Schulen von ihm ausgesucht werden können.
Punkt IV.1. des Scheidungsvergleiches lautet: "An Naturalunterhalt verpflichtet sich Dr.Reinhard L***** an Gudrun L***** zunächst weiterhin die Miet- und Energiekosten für das Haus***** zu bezahlen, dies solange, bis die Wohnung in ***** bezugsfähig ist; ab Bezug dieser Wohnung in ***** Wien im Ausmaß von etwa 72 m2 verpflichtet sich Dr.Reinhard L***** an Naturalunterhalt für Gudrun L***** die Miete samt Betriebskosten und Energiekosten für die Wohnung solange zu bezahlen, als Gudrun L***** mit den Kindern dort ohne neuen Partner (Ehegatte oder Lebensgefährte) alleine wohnt, all dies unabhängig von einem allfälligen Eigeneinkommen der Gudrun L*****. Bis zu einem eigenen Dienstverhältnis der Gudrun L***** verpflichtet sich Dr.Reinhard L*****, die Kosten der weiteren Krankenversicherung bei der Wiener Gebietskrankenkasse zu tragen".
Am 3.3.1994 stellte der Unterhaltssachwalter den Antrag, die monatlichen Unterhaltsbeiträge ab 1.3.1994 auf S 8.400 für Julia und S 7.300 für Dorian zu erhöhen. Der Vater führe seit knapp zwei Jahren eine Zahnarztpraxis und verdiene S 60.000 monatlich.
Der Vater sprach sich zunächst gegen jede Unterhaltserhöhung aus. Es sei zwar richtig, daß er nunmehr eine Zahnarztpraxis betreibe. Die Nettoeinkünfte hätten 1991 jedoch lediglich S 64.121 betragen. 1992 werde das Nettoeinkommen nicht mehr als S 100.000 ausmachen. Für das Jahr 1993 sei das Betriebsergebnis noch nicht absehbar. Es sei somit unrichtig, daß er S 60.000 netto monatlich verdiene. Darüber hinaus seien seine Zahlungen für den Wohnungsaufwand der Mutter, die auch den Kindern zugutekämen, zu berücksichtigen. Weil diese Leistungen nur soweit und solange zu erbringen seien, als die unterhaltsberechtigten Kinder in dieser Wohnung wohnten, handle es sich auch um Leistungen im Interesse der Kinder, sodaß die für die Wohnung erbrachten Zahlungen des Vaters nach Köpfen aufzuteilen und insoweit als Naturalunterhalt bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien. Der Vater erklärte sich schließlich bereit, monatliche Unterhaltsbeiträge von S 6.400 für Julia und von S 5.300 für Dorian zu leisten. Bei diesen Beträgen sei er vom Zweieinhalbfachen des Regelbedarfes ausgegangen und habe davon ein Drittel der Wohnungskosten von insgesamt S 6.588,90 monatlich in Abzug gebracht.
Der Unterhaltssachwalter sprach sich gegen die anteilige Anrechnung der Wohnungskosten aus und hielt den Erhöhungsantrag zur Gänze aufrecht.
Mit Beschluß vom 29.3.1995, ON 87, verpflichtete das Erstgericht den Vater ab 1.3.1994 zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von S 6.400 für Julia und von S 5.300 für Dorian und behielt sich die Entscheidung über das Mehrbegehren des Unterhaltssachwalters vor.
Mit Beschluß vom 12.9.1995, ON 103, wies das Erstgericht das Mehrbegehren von monatlich S 2.000 je Kind ab. Es stellte fest, daß der Vater keine weiteren Sorgepflichten habe und auf Grund des Punktes IV. des Scheidungsvergleiches monatliche Wohnungskosten (Miete, Betriebskosten, Gas- und Stromkosten) in Höhe von S 6.588,90 leiste. Das Erstgericht trat der Argumentation des Vaters bei, daß die von ihm gezahlten Wohnungskosten zu je einem Drittel bei der Ausmittlung des Unterhaltsbetrages für die beiden Kinder als Naturalunterhalt auf die Geldzahlungsverpflichtung anzurechnen seien. Hiefür spreche sowohl der Passus des Vergleiches, daß die Zahlungen nur solange zu leisten seien, als sich auch die Minderjährigen in der Wohnung aufhielten, als auch die Einvernahme des Vaters, der angegeben habe, daß er damit den Kindern eine ordentliche Wohngelegenheit schaffen habe wollen.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Aussage des Vaters anläßlich dessen Vernehmung, daß die Absicht darauf gerichtet gewesen sei, die Kinder mit einer Wohnmöglichkeit zu versorgen, werde durch die Textierung "... als Gudrun L***** mit den Kindern dort ohne neuen Partner ...." nur bestätigt. Die vom Erstgericht angenommene maßgebliche Absicht der Parteien, die Finanzierung der Wohnungskosten als Naturalunterhalt der Mutter und der Kinder zu widmen, erweise sich als durchaus unbedenklich.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist jedoch zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.
Es ist nicht richtig, daß das Erstgericht die Absicht der Parteien bei Abschluß des Scheidungsvergleiches in dem vom Rekursgericht dargestellten Sinn festgestellt hätte. Es gab insoweit lediglich die Aussage des Vaters wieder, die jedoch im Widerspruch zur Aussage der Mutter (ON 98) steht, daß der Naturalunterhalt der Wohnung nur für sie und nicht auch für die Kinder gedacht gewesen sei und daß sie deshalb auch keinen "Ehegattenunterhalt" erhalten habe.
Es ist nicht weiter überraschend, daß der Vater dem Scheidungsvergleich den von ihm nunmehr angeführten Sinn beilegen will, weil er ja offensichtlich bestrebt ist, dadurch einer (noch) weitergehenden Unterhaltserhöhung für seine beiden Kinder entgegenzuwirken. Der Vergleichstext spricht jedoch nicht für seine Variante. In Punkt IV. ist vielmehr ausdrücklich bereits einleitend und dann nochmals klargestellt, daß sich der Vater zum Naturalunterhalt "an Gudrun L*****" (und nicht etwa auch an die Kinder) verpflichtet, wenn auch unter bestimmten Bedingungen wie das gemeinsame Wohnen mit den Kindern. Zudem wäre es unverständlich, warum das Eingehen einer Lebensgemeinschaft oder eine neue Eheschließung der Mutter nicht nur ihren eigenen, sondern auch den Naturalunterhalt der Kinder zum Erlöschen bringen, der Naturalunterhaltsanspruch der Kinder also bei Eintritt deren Selbsterhaltungsfähigkeit - solange sie noch im gemeinsamen Haushalt mit der Mutter wohnen - aufrecht bleiben sollte. Im Punkt III., der im Gegensatz zu Punkt IV. den Unterhaltsanspruch der Kinder regelt, findet sich keinerlei Erwähnung, daß die der Mutter zu leistenden Wohnungskosten auch Teil des Kindesunterhaltes sein sollten, daß diese Wohnungskosten den Unterhaltsanspruch der Kinder mindern sollten oder daß etwa deshalb der Geldunterhaltsbetrag niedriger angesetzt worden wäre. Vielmehr wurde bereits damals eine Erhöhung der Unterhaltsbeiträge ohne jeden Bezug auf die Wohnungskosten, sondern nur im Hinblick auf die zu erwartende Verbesserung der Einkommensverhältnisse des Vaters in Aussicht gestellt. Die nunmehr vom Vater vorgenommene Auslegung des Vergleiches läßt sich auch nicht mit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Vergleiches bezüglich der Kinder in Einklang bringen, die sich - wie ja nach dem Vergleichstext nicht anders zu erwarten war - ausschließlich auf die Punkte I. (Obsorgeregelung) und III. bezog.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen widersprechen dem Grundsatz, daß der Unterhalt bei Haushaltstrennung in erster Linie zur Gänze in Geld zu leisten ist (vgl Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 272). Daß die Mutter oder das Pflegschaftsgericht einer teilweisen Naturalerfüllung zugestimmt hätten, läßt sich aus dem Akteninhalt nicht ableiten. Die Vermögensauseinandersetzung zwischen den Elternteilen anläßlich der Scheidung kann den Kindern grundsätzlich nicht zum Nachteil gereichen und vermag ihren Unterhaltsanspruch nicht zu schmälern (Purtscheller-Salzmann, aaO, Rz 27 Punkt 11.). Daß sich der Vater der Mutter gegenüber zur Erbringung von Unterhaltsleistungen - hier in Form der Begleichung der Wohungskosten - verpflichtet hat, vermindert daher den Unterhaltsanspruch der Kinder nur insoweit, als die diesbezüglichen Zahlungen allenfalls als Erfüllung einer weiteren (teilweisen) Sorgepflicht gegenüber der geschiedenen Ehefrau (wie die Mutter dies bei ihrer Einvernahme angedeutet hat) zu berücksichtigen sind.
Ob die finanziellen Verhältnisse des Vaters zu einer höheren Alimentierung als vom Vater zugestanden und bisher festgesetzt Anlaß geben, läßt sich nach dem bisherigen Akteninhalt nicht beurteilen. Der Vater bestritt ja zunächst überhaupt, zu einer höheren Unterhaltsleistung imstande zu sein und hat auch bisher nicht dargelegt, welche Einkünfte er ab dem begehrten Erhöhungszeitpunkt (1.3.1994) bezog. Die im Beschluß ON 94 des Rekursgerichtes (Behandlung der Rekurse des Vaters gegen die Beschlüsse ON 87 und 88) vertretene Auffassung, daß die dem Erhöhungsantrag zugrunde gelegte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vom Vater nicht bestritten werde, läßt sich mit dem Akteninhalt nicht in Einklang bringen. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren insbesondere zu prüfen und festzustellen sein, welches Einkommen der Vater im maßgebenden Zeitpunkt bezog und noch bezieht und in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen er lebt.
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